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Schwangerschaft: salzarme Kost ist tabu

15.12.1997  00:00 Uhr

-Medizin

Govi-Verlag

Schwangerschaft: salzarme Kost ist tabu

Schwangere sollten unbedingt darauf achten, genügend Salz zu sich zu nehmen und ausreichend zu trinken. Entgegen früheren Ansichten ist nämlich eine ausreichende Salzversorgung wichtig, um Komplikationen wie einer Gestose, Fehlgeburten oder Wachstumsretardierungen beim Kind vorzubeugen. Konkret heißt das, daß eher nachgesalzen werden muß, als am Salz zu sparen.

Veraltet sind nach Professor Dr. Ulrich Retzke aus Suhl Empfehlungen an Schwangere, sich salzarm zu ernähren, um einer Gestose mit Ödembildung, Proteinausscheidung und Bluthochdruck vorzubeugen. Schwangere mit Gestose werden oft fälschlicherweise mit salzarmer Kost traktiert, zu Obst- und Reistagen angehalten. Diese Ratschläge werden seit rund 100 Jahren ausgesprochen. Sie basieren auf Befürchtungen, eine hohe Salzzufuhr könne eine Präeklampsie (EPH-Gestose) begünstigen, was aber nie wissenschaftlich belegt wurde.

Inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, daß genau das Gegenteil der Fall ist, wie Retzke bei einer Pressekonferenz des Vereins Deutsche Salzindustrie in Düsseldorf betonte. In einer gesunden Schwangerschaft steigt nach seinen Worten das Plasmavolumen erheblich an, der Hämatokrit fällt ab, was andeutet, daß sich die Fließfähigkeit des Blutes verbessert, mit absinkendem Hämatokrit nimmt die Sauerstofftransportkapazität zu. Konkret bedeutet das: Es kann mehr Sauerstoff gebunden werden, was einer besseren Versorgung von Mutter und Kind gleichkommt.

Ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen


Damit das Plasmavolumen wie erforderlich steigen kann, muß Flüssigkeit gebunden werden, was nach Retzke nur möglich ist, wenn eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und insbesondere mit Natrium gewährleistet ist. Wie bedeutsam das für die Gesundheit der Schwangeren und ihres Kindes ist, zeigt die Tatsache, daß die Gefahr von Komplikationen wie Gestosen, Fehlgeburten oder Wachstumsietardierungen beim Feten steigt, wenn der Hämatokrit nicht abfällt.

Die Erfahrungen der Arbeitsgemeinschaft Gestose-Frauen untermauern diese Beobachtungen, wie Geschäftsführerin Sabine Kuse in Düsseldorf darlegte. Seit Jahren beschäftigt sich die Organisation, ein Zusammenschluß betroffener Frauen, mit der Therapie und Prävention einer Gestose. Die Erfahrungen bei der umfangreichen Beratungstätigkeit deuten laut Kuse ebenfalls auf eine wichtige Rolle einer ausreichenden Salzzufuhr in der Schwangerschaft hin.

Der Salzbedarf scheint dabei vom Körpergewicht der Frau abhängig zu sein. Kuse rät Schwangeren mit einem Gewicht von 70 bis 75 Kilogramm dazu, täglich etwa einen Teelöffel Salz zusätzlich zu sich zu nehmen. Die notwendige Salzmenge steigert sich bei höherem Körpergewicht, und Schwangere über 100 Kilogramm brauchen bereits täglich vier Teelöffel Salz. Kuses Rat: "Wenn nicht anders möglich, soll das Salz vom Apotheker in leicht schluckbare Kapseln verpackt werden."

Unklar ist bislang, inwieweit möglicherweise eine bereits manifeste Gestose durch zusätzliche Salzgaben auch therapeutisch angegangen werden kann. Erste Untersuchungen aus dem Klinikum Suhl deuten tatsächlich an, daß eine salzreiche Kost die Symptomatik zu lindern vermag. Eine kontrollierte Studie zu dieser Fragestellung ist derzeit in Planung.

PZ-Artikel von Christine Vetter, Düsseldorf

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