Krank durch Schimmelpilze im Haus |
26.09.2005 00:00 Uhr |
Kopfweh, Müdigkeit und Husten die Ursache für das Unwohlsein könnte sich unter der Tapete oder im feuchten Badezimmer verstecken: Schimmel. Neben allgemeinen Symptomen rufen die Pilze mitunter auch Allergien oder sogar systemische Mykosen hervor.
Schimmelpilze in Innenräumen stellen in Deutschland ein großes Problem dar. Eine Untersuchung der Universität Jena von 5000 Wohnungen zeigte, dass in jedem fünften Raum Schimmelpilz- und Feuchtigkeitsprobleme existieren. Die Pilze schaden allerdings nicht nur der Ästhetik, sondern können auch die Gesundheit beeinträchtigen. Zu diesem Thema organisierte der Bundesverband für Umweltberatung kürzlich in Berlin eine fachübergreifende Tagung.
Schimmelpilze wachsen bei Feuchtigkeit und Wärme praktisch überall. Eine ideale Voraussetzung für ihr Wachstum bildet Feuchtigkeit, die nach Unterschreitung der Taupunkttemperatur in flüssiger Form an Oberflächen auftritt. Ideale Wachstumsbedingungen bieten deshalb Gebäude mit Feuchteschäden oder falsch ausgeführter Wärmedämmung. Dabei ist die Schimmelpilzbildung nur selten auf mangelnde Hygiene oder unzureichendes Lüften zurückzuführen, sondern meist ein bauphysikalisches Problem.
Hat sich der Pilz festgesetzt, verteilt er seine Sporen. Da diese mit einem durchschnittlichen Durchmesser von etwa 10 µm in der Luft schweben, nehmen Menschen sie über die Atemwege auf. Zahlreiche epidemiologische Studien der vergangenen Jahre zeigten, dass in Wohnungen mit Feuchteschäden und Schimmelpilzbefall deutlich häufiger gesundheitliche Probleme auftreten als in schadfreien Wohnungen, sagte Privatdozentin Dr. Caroline Herr vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Gießen und Mitglied der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes auf der Tagung. Am häufigsten treten Irritationen der Atemwege und Allergien auf.
Die Experten gehen davon aus, dass grundsätzlich alle Schimmelpilzsporen nach Einatmen bei sensiblen Personen allergische Reaktionen auslösen können. Dazu zählen heuschnupfenähnliche Symptome, Asthma und bei extrem hohen Sporenkonzentrationen im Bereich von 106 bis 1010 Sporen/m3, die aber nur an speziellen Arbeitsplätzen auftreten, die exogen-allergische Alveolitis (Entzündung der Lungenbläschen). In Deutschland weisen etwa 5 Prozent der Bevölkerung eine Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzen auf. Das Risiko, eine Allergie zu entwickeln, hängt von der individuellen Prädisposition, der Allergenkonzentration und dem allergenen Potenzial der Sporen ab.
Bei Personen in schimmelpilzbelasteten Innenräumen können einigen Studien zufolge auch Schleimhautreizungen und Bindehautentzündungen auftreten, die unter dem Oberbegriff »Mucous Membrane Irritation Syndrome« (MMI) zusammengefasst werden. Infektionen durch Schimmelpilze sind zwar selten, können aber lebensbedrohlich werden. Als gefährdet gelten immungeschwächte Menschen wie beispielsweise Personen nach Transplantationen, HIV-Infizierte oder Krebspatienten nach einer Chemotherapie.
»Es gibt viele Hinweise aus unterschiedlichen Quellen auf ein erhöhtes Risiko für Atemwegsprobleme durch Schimmelpilzbelastungen«, sagte Herr. Allerdings sei noch kein Mechanismus bekannt, der den Zusammenhang zwischen Schimmelpilzbefall in Innenräumen und gesundheitlichen Problemen erklären könne.
Als Ursache für die gesundheitsschädliche Wirkung von Schimmelpilzsporen kommen unterschiedliche Komponenten der Organismen infrage. Dazu gehören Mykotoxine, deren toxische Wirkung in Lebensmitteln in einigen Fällen gut belegt ist. So wirkt das Aflatoxin der Spezies Aspergillus flavus schon im Milligrammbereich tödlich. Zu den gesundheitlichen Risiken bei langfristiger Exposition mit Schimmelpilzsporen durch Mykotoxine gibt es derzeit allerdings noch keine Informationen. Eine Ausnahme bilden die Sporen von Stachybotrys chartarum. Sie können Toxine aus der Gruppe der Trichothecene enthalten, die durch Hautkontakt oder Einatmen aufgenommen werden und Gesundheitsschäden auslösen können. Sie rufen verschiedenste Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Hautreizungen, Grippegefühl oder Nasenbluten hervor.
Neben den Mykotoxinen können auch Bestandteile der Zellwand von Pilzen, wie das 1,3-β-Glucan, das proinflammatorisch wirkt, die Gesundheit beeinträchtigen. Diese Verbindung wurde bei mangelhafter Luftqualität in Bürogebäuden mit Reizungen der Schleimhaut und Müdigkeit in Verbindung gebracht. Auch die von den Schimmelpilzen synthetisierten flüchtigen organischen Verbindungen (MVOC, microbial volatile organic compounds) könnten einigen Studien zufolge die Ursache für gesundheitliche Beschwerden wie Schleimhautreizungen und Kopfschmerzen sein. MVOC sind Gemische aus Terpenen, Ketonen, Estern und Alkoholen, die für den typischen Schimmelpilzgeruch verantwortlich sind. Nach heutigem Kenntnisstand treten sie aber in Konzentrationen auf, die nicht toxisch wirken.
»Die Erforschung der Wirkung der verschiedenen Stoffe aus Schimmelpilzen auf den menschlichen Körper reicht nicht aus. Deshalb können noch keine Angaben über einen Schwellenwert, bis zu dem keine Beeinträchtigung der Gesundheit zu erwarten ist, gemacht werden«, sagte Nicole Richardson, Sachverständige für Schimmelpilze und Innenraumschadstoffe der IHK Witten. Deshalb fordern Umweltmediziner wie Herr: »Aus präventiver Sicht sollte man einschreiten, um die Schimmelpilzbelastung zu minimieren.« Dazu gehört eine verbesserte und standardisierte Bestimmung der Toxinexposition und die Durchführung prospektiver Kohortenstudien, um den Zusammenhang von Gesundheitsproblemen und Schimmelbefall genauer zu analysieren.
Keine einheitlichen Richtwerte
Bei der Analyse und Beurteilung von Schimmelpilzbefall in Innenräumen können verschiedene Probleme auftreten. Nicht immer sind Feuchteschäden und Pilzbefall gut zu erkennen. Hinweise auf Schimmelpilzquellen liefert die Bestimmung der Sporenkeimzahlen in der Luft, der Nachweis von Schimmelpilz-spezifischen MVOC oder die Bestimmung der Keimzahlen von Schimmelpilzsporen im Hausstaub. Der Untersuchung der Keimzahlen in der Luft kommt aus Sicht der Mykologen eine zentrale Bedeutung zu, da die in der Atemluft vorhandenen Mikroorganismen direkt erfasst werden. Hierfür sammeln spezielle Partikelkollektoren die Pilzsporen aus einem definierten Luftvolumen und bringen sie zur Kultivierung auf spezielle Nährboden. Ein Vergleich der koloniebildenden Einheiten (KBE/m3) von Innenraum- und Außenraumluft zeigt, ob im Innenraum eine Schimmelpilzquelle existiert. Das Problem liege dann in der Bewertung, wann eine normale Belastung vorliegt und wann eine Sanierung notwendig ist, erklärte Richardson. Innenraumkonzentrationen von über 2000 KBE/m3 gelten inzwischen als ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko. Ausschlaggebend für diese Bewertung ist eine Studie, in der bei einer Schimmelpilzkonzentration von mehr als 2400 KBE/m3 Innenraumluft bei allen Bewohnern des untersuchten Gebäudes gesundheitliche Beschwerden wie Husten, Kopfschmerzen und Rhinitis festgestellt wurden. Allgemeingültige Werte, Grenzwerte oder einheitliche Richtwerte für Deutschland existieren jedoch noch nicht. Neuen Untersuchungen nach deuteten mehr als 110 KBE/m3 Aspergillus- und Penicillium-Sporen auf eine Innenraumquelle hin, stellten aber nicht unbedingt ein gesundheitliches Problem dar, so Herr.
Um einen Befall zu bewerten und ein Sanierungskonzept zu erstellen, ziehen Gutachter deshalb auch die Zusammensetzung der Schimmelpilzspezies im Innenraum heran. Hier können Hunderte unterschiedlicher Arten vorkommen. Elf davon, darunter auch Stachybotrys chartarum, dienen als Indikatoren für Feuchteschäden. Die Spezies bestimmen die Experten dabei meistens anhand der Morphologie unter dem Mikroskop. Sind Pilzarten, Sporenkonzentration und -quelle ermittelt, bilden Untersuchungen der Materialproben eine weitere Entscheidungsgrundlage für die Sachverständigen, ob und welche Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden sollen. Wer gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Schimmelpilze in Innenräumen befürchtet, kann sich bei Gesundheitsämtern und Verbraucherzentralen beraten lassen. Eine Broschüre zum Thema Schimmelbelastung im Haus bietet das Umweltbundesamt unter www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/index.htm an.
Schimmelpilzkunde Unter Schimmelpilzen wird eine systematisch heterogene Gruppe von Pilzen zusammengefasst, die einen makroskopisch erkennbaren Mycelrasen bilden und für den Menschen von wenigen Ausnahmen abgesehen schädliche Auswirkungen haben. Insgesamt umfasst die Gruppe 200.000 verschiedene Arten. Bekannte Schimmelpilzgattungen sind Aspergillus (Gießkannenschimmel), Rhizopus (Gemeiner Brotschimmel), Penicillium (Pinselschimmel) und Mucor (Köpfchenschimmel).
Die heterotrophen Organismen ernähren sich von organischem Material, wie zum Beispiel verfaulenden Früchten, Brot, Nüssen, Holz oder Erde. Auf der Unterlage bildet sich zuerst das Mycel, das aus vielen verzweigten Pilzfäden (Hyphen) besteht. Diese fädige Struktur erzeugt dann eine große Zahl von abstehenden speziellen Hyphen, an denen die Sporen beziehungsweise Konidien der sich meist ungeschlechtlich vermehrenden Pilze sitzen.
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