Das Auf und Ab der Hormone bestimmt den Monat der Frau |
08.03.1999 00:00 Uhr |
PRÄMENSTRUELLES SYNDROM UND WECHSELJAHRE
Was Frauen schon immer gewußt haben und Männer gerne als Einbildung oder Launen abtun, hält seit wenigen Jahren wissenschaftlichen Kriterien stand. Das prämenstruelle Syndrom (PMS) ist heute nicht mehr wie in medizinischen Lehrbüchern des 17. Jahrhunderts eine obskure Fußnote, sondern ist nachweislich die Folge von allmonatlichen hormonellen Verschiebungen. Neben den Beschwerden vor der Regel gehen auch die Schmerzen während der Menstruation auf das Konto von Hormonen. Und in den Wechseljahren macht ein veränderter Hormonhaushalt manchen Frauen erst recht zu schaffen. Gut zu wissen, daß Phytotherapeutika, die in vielen klinischen Studien ihreWirksamkeit bewiesen haben, das Sortiment des Apothekers bereichern.
Das PMS beeinträchtigt die Lebensfreude zahlloser Frauen jeden Monat aufs neue. Die Prävalenz scheint hoch zu sein, wobei die Angaben je nach Studie zwischen 12 und 90 Prozent variieren. Realistisch sind wohl Beschwerden bei 30 bis 40 Prozent aller fertilen Frauen, wobei etwa 5 bis 10 Prozent stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Interessant: Eine relativ neue Studie mit Pharmaziestudentinnen der Universität Basel zeigt eine überraschend hohe Prävalenz von 70 Prozent. Und dies unabhängig davon, ob orale Kontrazeptiva eingenommen wurden oder nicht.
PMS-Beschwerden treten nur während der lutealen Phase des Zyklus (also nach dem Eisprung) auf, nicht aber während des follikulären Zeitraums. Mehr als 150 Symptome, die die meisten Autoren in drei Gruppen zusammenfassen, werden mit dem PMS in Zusammenhang gebracht. Bei den physischen Beschwerden sind es vor allem Ödeme (dadurch Gewichtszunahme bis zu vier Kilo), schmerzempfindliche Brüste (Mastodynie), Abdominalbeschwerden, Kopfschmerzen, Migräne und Müdigkeit, die den Frauen die Tage vor den Tagen schwer machen. Zudem ist die Psyche angeknackst: Reizbarkeit, Depressionen, Weinerlichkeit und Übersensibilität bekommt auch die Umwelt zu spüren. Schließlich gehören auch Verhaltensänderungen zum Symptomkreis. Dabei sind vermehrter Appetit und verminderte Motivation noch vergleichsweise harmlos, wenn man bedenkt, daß Selbstmordversuche, Unfälle oder Kindesmißhandlungen nachweislich verstärkt in die PMS-Phase des Monatszyklus fallen. Man stelle sich vor: 1981 machte das Syndrom Schlagzeilen, weil in Prozessen gegen zwei Frauen, die schwerer Verbrechen angeklagt waren, auf mildernde Umstände plädiert wurde, da die Beschuldigten an PMS litten.
Rund sechzig Prozent aller Patientinnen zeigen sowohl physische als auch psychische Symptome. Bei den Schweizer Pharmaziestudentinnen dominierten psychische Beschwerden, wenn peroral verhütet wurde, während ohne orale Kontrazeption physische Beschwerden häufiger genannt wurden. Knapp die Hälfte der Befragten erachtete eine Behandlung als notwendig.
Klinische Bewährungsprobe steht meist aus
Bis heute ist es Wissenschaftlern nicht gelungen, eine kausale Ursache des PMS aufzudecken. Bei der Vielfalt der Symptome ist es allerdings unwahrscheinlich, daß nur ein einziger Auslöser in Frage kommt. Als mögliche Ursachen werden derzeit beispielsweise diskutiert: erhöhter Estrogen/Progesteron-Quotient, erhöhter Prolaktinspiegel, erhöhte Aldosteronproduktion, Prostaglandin-, Pyridoxin- oder Serotoninmangel; außerdem scheinen essentielle Fettsäuren und endogene Opioide eine Rolle zu spielen. Entsprechend vielfältig ist das Therapieangebot. Viele Anwendungsbeobachtungen berichten zwar immer wieder von hohen Erfolgsraten. Tatsache ist aber, daß bisher nur wenige Behandlungsansätze in kontrollierten klinischen Studien überzeugt haben.
In der Selbstmedikation lohnt sich ein Therapieversuch mit Phytopharmaka. Aber bei Spannungs- und Schwellungsgefühl in der Brust sowie bei Störungen der Regelblutung sollten Sie als Apotheker die Patientin zum Arzt schicken. Ansonsten stehen Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie Ihrer Kundin ein Vitex-agnus-castus-haltiges Präparat empfehlen. Anwendungshinweis: Zu Beginn sollte Agnus castus über den ganzen Zyklus eingenommen werden. Weisen Sie die Patientin darauf hin, daß sich die Wirkung nicht von heute auf morgen einstellt. Spricht die Patientin auf die Therapie an, kann die Einnahmeperiode auf die zweite Zyklushälfte beschränkt werden. Hält die vollständige Besserung drei Monate an, kann Agnus castus abgesetzt werden.
Die Früchte des Mönchspfeffers, auch Keuschlamm genannt, sind das derzeit am häufigsten verwendete und von Ärzten verschriebene Naturheilmittel bei PMS. Mönchspfeffer gehört zu den am besten erforschten Heilpflanzen und hat sich bei der Behandlung von hormonellen Beschwerden der Frau einen festen Platz erobert, weil er bei Zyklusstörungen (Regeltempoanomalien), Mastodynie und PMS hilft. Das besagt zumindest die Positivmonographie der ehemaligen Kommission E. Anwendungsbeobachtungen mit großen Patientenkollektiven und einige kontrollierte Doppelblindstudien der jüngsten Zeit bestätigen die Wirksamkeit.
Zukunftsmusik: Der Extrakt von Agnus castus könnte auch Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch helfen. Eine Zulassung für diese Indikation gibt es jedoch noch nicht. Bisherige Untersuchungen sind aber erfolgversprechend. Die signifikante Wirkung eines Agnus-castus-haltigen Phytopharmakons wurde Ende letzten Jahres in einer placebokontrollierten randomisierten Doppelblindstudie (4) belegt. Besonders gut schnitt die Behandlung ab, wenn die Sterilität auf Amenorrhoe oder Corpus-luteum-Insuffizienz zurückzuführen war.
Scharf wie PfefferScharf wie Pfeffer schmecken die schwarzen Steinbeeren des Mönchspfeffers. Schon Dioskurides berichtete von der Wirkung der mediterranen Arzneipflanze, die zu den Eisenkrautgewächsen gehört. "Sie wird Agonos, die Unfruchtbare, genannt, weil der Samen der Pflanze als Trank genommen den Drang zum Beischlaf mäßige." Die Mönche des Mittelalters versprachen sich deshalb von den getrockneten Früchten Schützenhilfe bei der geforderten Enthaltsamkeit. Manche Quellen deuten den Namen anders. So leitete Theophrast im 3. Jahrhundert nach Christus den griechischen Namen nicht von agonos, sondern von agnos ab, was heilig und keusch bedeutet und besser mit dem lateinischen castus/castitas (Keuschheit) vereinbar ist. Kräuterbücher des Mittelalters empfehlen die Pflanze denn auch als Anaphrodisiakum. Inwieweit der Mönchspfeffer jedoch behilflich war, ist nicht überliefert.
Prolaktin im Netzwerk der Hormone
Vor etwa zwanzig Jahren rückten die Beschwerden des PMS ins Zentrum der Anwendung von Vitex agnus castus. Grund ist seine dopaminerge Wirkung. Störungen im hormonellen Regelkreis Hypothalamus - Hypophysenvorderlappen - Ovarien können den Serumspiegel von Prolaktin erhöhen. Heute gilt als gesichert, daß eine Hyperprolaktinämie eine der häufigsten Ursachen für eine Corpus-luteum-Insuffizienz ist. Die verminderte Gelbkörperfunktion bedingt Zyklusstörungen wie Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe bis hin zu Fertilitätsstörungen, zyklischer Mastodynie und PMS.
Erhöhte Prolaktinspiegel stören zentral die Freisetzung des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH); in der Folge bedeutet das einen verminderten Ausstoß von Luteinisierendem Hormon (LH) und von Follikelstimulierendem Hormon (FSH). Daneben behindert Prolaktin die Progesteronproduktion im Corpus luteum direkt. Die Rückkopplung zum Hypothalamus erfolgt durch Prolaktin selbst, und zwar wird bei erhöhtem Prolaktinspiegel vermehrt Dopamin ausgeschüttet, das die Prolaktinsekretion hemmt. Dopamin ist somit identisch mit dem Prolactin-Release-Inhibiting-Hormon.
Eine Möglichkeit, dem Hyperprolaktin-Teufelskreis zu entkommen, ist die Gabe von Dopamin-Agonisten. Pharmakologisch ist die dopaminerge Wirkung von Agni-casti-fructus-Extrakten bewiesen. Rezeptorbindungsstudien zeigen eine Besetzung der D2-Rezeptoren, ohne definitiv klären zu können, welche Wirksubstanz aus dem Vielkomponentengemisch dafür verantwortlich zeichnen könnte.
Anhand der Mastodynie läßt sich die Wirksamkeit des Mönchspfeffers am besten erklären. Die Schmerzen in der Brust kommen durch hohe Prolaktinspiegel und/oder eine Estrogen-Gestagen-Imbalance mit einem Übergewicht von Estrogenen zustande. Durch die dopaminerge Aktivität von Vitex agnus castus wird die Prolaktinausschüttung aus den laktotrophen Zellen des Hypophysenvorderlappens gehemmt. Durch das fehlende Feedback normalisiert sich die pulsatile Freisetzung von Gonadotropin-Releasing-Hormon aus dem Hypothalamus. So kann sich der Progesteronspiegel wieder erhöhen und das Übergewicht an Estrogenen ausgleichen. In der weiblichen Brust lagert sich durch den geringeren Prolaktin- und den tieferen Estrogenspiegel weniger Wasser ein; die Brust ist weniger druckempfindlich.
In letzter Zeit hat sich gezeigt, daß Phytopharmaka im allgemeinen die Potenz haben, nicht nur einen, sondern gleich mehrere biochemische Prozesse beeinflussen zu können. Da dürfte der Mönchspfeffer keine Ausnahme sein. Spannend für die Zukunft ist die Entdeckung, daß Studien eine ziemlich starke Aktivität des Extraktes an Opioid-Rezeptoren zeigen. Dies ist deshalb von Interesse, weil beobachtet werden konnte, daß der Abfall des Estrogens und des Progesterons in der spätlutealen Phase mit einer übermäßig starken Konzentrationsabnahme der zentralen Endorphine Hand in Hand geht. Dieses abrupte Absinken führt zu Symptomen, die jenen gleichen, die nach einem Morphinentzug bei Opiatabhängigen beobachtet werden und an die PMS-Symptome erinnern.
Versuch mit Vitaminen und Fettsäuren lohnt sich
Außer Keuschlamm können Sie Ihren Patientinnen in der Apotheke essentielle Fettsäuren und Vitamin-Präparate empfehlen. Es gibt Hinweise, daß essentielle Fettsäuren oder ihre Stoffwechselprodukte, die Prostaglandine, die Rezeptoraktivität von Progesteron, Estradiol, Endorphinen und Angiotensin II modulieren. Die Theorie besagt, daß durch einen Mangel an essentiellen Fettsäuren bei PMS-Patientinnen die Aktivität dieser Hormone oder Neurotransmitter oberhalb der physiologischen Norm liegt und somit die PMS-Beschwerden auslöst. Einige doppelblinde, placebokontrollierte Studien mit allerdings kleiner Patientinnenzahl haben die g-Linolensäure in Form von Nachtkerzenölkapseln bei PMS überprüft. Die Ergebnisse sind widersprüchlich, so daß weitere Untersuchungen notwendig sind. Ein Versuch mit Nachtkerzenöl oder Borretschöl lohnt sich aber auf jeden Fall.
In Deutschland werden Nachtkerzenölkapseln überwiegend als diätetische Lebensmittel gegen Mangelerscheinungen des Stoffwechsels an cis-Linolsäure und g-Linolensäure angeboten. Im Gegensatz dazu ist Nachtkerzenöl als Arzneimittel für die Indikation Neurodermitis zugelassen.
Vitamin-B6 (Pyridoxin) ist eine weitere Möglichkeit, die monatlichen Beschwerden in den Griff zu bekommen. Pyridoxin ist ein Cofaktor in der Synthese von Dopamin, Serotonin und den Prostaglandinen. Streß und hohe Estrogenspiegel können die hepatischen Vitamin-B6-Speicher leeren und so den Metabolismus der Neurotransmitter stören. So schlüssig sich das anhört: In der PMS-Behandlung bleibt Pyridoxin umstritten. Bisherige Studien liefern keine einheitlichen Ergebnisse. Aber auch hier gilt wie für Nachtkerzenöl: Eine Substitution mit Vitamin B6 ist einen Versuch wert.
Regel- und Kopfschmerzen die Stirn bieten
Rund die Hälfte der Frauen leidet unter Schmerzen (Dysmenorrhoe) kurz vor oder an den ersten Tagen ihrer Periodenblutung. Ziehende, krampfartige Schmerzen sowie ein Spannungsgefühl im Unterbauch, aber auch Kreuzschmerzen, Migräne oder Kopfschmerzen machen regelmäßig ein paar Tage im Monat beschwerlich. Manche Frauen haben sowohl PMS- als auch Dysmenorrhoe-Beschwerden. Für das Beratungsgespräch ist zu beachten, daß man bei Regelschmerzen zwischen einer primären und einer sekundären Form unterscheidet, wobei die primäre mehr funktionellen und die sekundäre mehr organischen Ursachen zuzuordnen ist. Wenn Ihre Kundin Monat für Monat heftige Unterleibskrämpfe oder ungewöhnlich starke Blutungen hat, muß ein Arzt die organischen Ursachen abklären. Erst dann können Sie auf Selbstmedikationsbasis empfehlen.
Für das Verständnis der Dysmenorrhoe-Therapie sind zwei endokrinologische Tatsachen von Bedeutung. Erstens wirkt nicht jedes Prostaglandin wie das andere. So wirken Prostaglandine der Dreier- (PGE3, leiten sich von der Eicosapentaensäure ab) und der Einerreihe (PGE1, leiten sich von der Dihomo-g-Linolensäure ab) weniger konstriktorisch, zum Beispiel auf das Myometrium, als Prostaglandine der Zweierreihe (PGE2, leiten sich von der Arachidonsäure ab), die zu den klassischen und stark wirksamen inflammatorischen Substanzen gehören. Zweitens induziert ein Progesteronabfall die Phospholipase A2 und bringt damit über die Arachidonsäurekaskade verstärkt die Prostaglandinsynthese in Gang. Für die Therapiestrategie bedeutet das, entweder den Progesteronentzug auszugleichen oder die Induktion der PGE3-Synthese auf Kosten der PGE2-Metaboliten zu stimulieren. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die PGE2-Bildung zu unterbinden.
Die Verminderung des Progesteronmangels ist ein Fall für den Gynäkologen. Ovulationshemmer, Gestagene oder Progesteron können bei der Linderung der Regelschmerzen behilflich sein. In der Selbstmedikation können zur Regulierung des Hormonhaushaltes Extrakte von Traubensilberkerze und Agnus castus versucht werden, wobei die Monographie für Traubensilberkerze dysmenorrhoische Beschwerden als Anwendungsgebiet nennt und die für Agnus castus nicht.
Für die Stimulierung der PGE3-Synthese empfehlen Experten fünf Tage vor sowie während der Regel 1000 mg Eicosapentaensäure zum Beispiel als Fischöläquivalent (w-3-Fettsäuren) über mehrere Zyklen hinweg. Eine spezielle Diät könne das Fettsäuremuster der Zellmembran derartig verändern, daß die inflammatorisch stark wirksamen Prostaglandine der Zweierreihe in nicht so hohem Ausmaß gebildet werden, weil die Eicosapentaensäure verstärkt in die Zellmembran inkorporiert wird. Ähnlich erklärt man sich die Wirkung von Nachtkerzenöl. Durch die Substitution von w-6-Fettsäuren, zu denen die g-Linolensäure gehört, kann vermehrt PGE1 gebildet werden, das entkrampfend wirkt, weil es den Metaboliten der Arachidonsäure, den schmerzvermittelnden Prostaglandinen der Zweierreihe, PGF2a und PGE2, entgegenwirkt.
Die Suppression der PGE2-Synthese übernehmen erfolgreich Cyclooxygenasehemmer wie Ibuprofen oder Salicylsäurederivate. Bei starken krampfartigen Schmerzen läßt das Parasympatholytikum Butylscopolamin die glatte Muskulatur der weiblichen Genitalorgane erschlaffen. Für den Zusatzverkauf in der Offizin können Sie der Kundin Tees und Bäder mit entspannenden Heilpflanzenölen empfehlen. Die Volksmedizin spricht beispielsweise der Schafgarbe, der Heublume oder dem Frauenmantel eine entkrampfende Wirkung zu.
Wechseljahre: Hormonstatus wechselhaft
Ausbleiben des Eisprungs, unregelmäßige Zykluslänge, Abnahme der Progesteronproduktion, Einstellen der Estrogensynthese und Ausbleiben der Monatsblutung: So sieht der Steckbrief der Wechseljahre aus. Der Hormonhaushalt organisiert sich nicht von einem auf den anderen Monat um; das Klimakterium kann bei manchen Frauen einen Zeitraum von 15 Jahren umfassen. Besonders in der Übergangsphase von der Prä- zur Menopause kommt es zu einem ständigen Auf und Ab der Hormonspiegel. Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr kommt es unwiderruflich zum letzten Eisprung. Das durchschnittliche Menopausenalter, also der Zeitpunkt der letzten Menstruation, beträgt in Mitteleuropa rund 52 Jahre. Danach nehmen Estrogen- und Gestagenspiegel rapide ab; aufgrund des negativen Feedback-Mechanismus im hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Regelkreis steigt die Gonadotropinausschüttung stark an. Die Postmenopause ist charakterisiert durch hohe LH- und FSH-Spiegel, die mit niedrigen Spiegeln der Sexualsteroide einhergehen.
Zwei Drittel der Frauen spüren deutlich, daß sie in den Wechseljahren sind. Die nachlassende Ovarialfunktion und die absinkende Estrogen- und Gestagenproduktion bewirken vegetative Symptome wie Hitzewallungen, Tachykardien und Schwindel, psychische Symptome wie Angstgefühl, depressive Verstimmung und erhöhte Reizbarkeit sowie metabolische Dysfunktionen wie Osteoporose, Hautatrophie oder Hyperlipoproteinämien.
Bei leichteren Beschwerden oder bei Frauen, die eine Hormonersatztherapie grundsätzlich ablehnen, sind Phytotherapeutika ein guter Selbstmedikationstip. Besonders die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa), auch Wanzenkraut genannt, hat ihre Fähigkeit zur Kupierung der psychovegetativen Symptome in zahlreichen klinischen Studien bewiesen. Und auch die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes hat dem Extrakt aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze bei "klimakterisch bedingten neurovegetativen Beschwerden" ein positives Zeugnis ausgestellt. Übrigens auch bei prämenstrueller und dysmenorrhoischer Reizbarkeit und Niedergeschlagenheit, aber die Studien beziehen sich meist auf klimakterische Beschwerden.
Erklären Sie Ihrer Kundin, daß die volle Wirksamkeit des Extraktes erst nach einem Therapie-Intervall von vier bis acht Wochen zu erwarten ist. Weisen Sie sie auch darauf hin, daß sich die Symptome manchmal vorübergehend verschlechtern können. Durch die Kombination von pflanzlichen mit Hormon-Präparaten kann mitunter die Hormondosis reduziert werden; darüber sollte die Kundin mit ihrem Gynäkologen sprechen. Weiterer Tip für die Beratung: Urogenitale Probleme wie trockene Scheide oder Harninkontinenz aufgrund des Estrogenmangels lassen sich meist durch eine alleinige phytotherapeutische Behandlung nicht beheben. Jedoch leisten lokal zu applizierendes Estriol oder Estradiol gute Dienste. Fachleute raten außerdem von Naturheilverfahren ab, wenn in der Familie der Patientin gehäuft Osteoporose oder Mammakarzinome aufgetreten sind oder wenn die Patientin selbst Osteoporose hat. Dann ist eine Hormonersatztherapie angezeigt.
Bei belegter therapeutischer Wirksamkeit kann die Wirkungsweise der Traubensilberkerze nicht mit Sicherheit beschrieben werden. Sehr wahrscheinlich ist aber, daß der therapeutische Effekt keinem estrogenähnlichen Mechanismus zugeschrieben werden kann. Es ist zwar bewiesen, daß Inhaltsstoffe aus Cimicifuga-racemosa-Wurzelstock - als wirksamkeitsbestimmende Anteile vermuten die Analytiker Triterpenglykoside - an Estrogenrezeptoren koppeln, ohne jedoch den Hormonhaushalt zu beeinflussen.
Derzeit sind die Wissenschaftler daran, einen möglichen Einfluß auf Serotonin zu prüfen. Cimicifuga racemosa ist ein Bestandteil traditioneller chinesischer Arzneimittel. Shengma (Cimicifuga rhizoma) ist eine chinesische Droge mit ZNS-Aktivität. Die ZNS-Wirkungen konnten durch Rezeptorbindungsstudien, die zeigten, daß Extrakte des Rhizoms an Serotoninrezeptoren (5-HT1A) binden, sowie durch Tierexperimente, die serotoninblockierende Eigenschaften nachwiesen, gestützt werden.
Was bei klimakterischen Beschwerden sonst noch hilft? Bei einem Mangel an Progesteron hat sich auch in den Wechseljahren eine Therapie mit Mönchspfeffer bewährt. Die Frauen sollten auf essentielle Fettsäuren, auf Vitamin-B-Komplexe und Folsäure in der Nahrung achten. Genügend Spurenelemente und Vitamine verstehen sich von selbst.
Literatur
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