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Infos über ADHS bei TikTok häufig fehlerhaft

Immer mehr Menschen vermuten, ADHS zu haben. Wie beeinflussen TikTok-Videos diesen Trend? Und wie zuverlässig sind die Informationen, die dort verbreitet werden?
dpa
20.03.2025  14:45 Uhr

Populäre Videos zu ADHS auf TikTok enthalten einer Studie zufolge vielfach Fehlinformationen. Von den knapp 100 meistgesehenen TikTok-Videos zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) enthielt etwa die Hälfte fehlerhafte Angaben, wie ein Forschungsteam im Fachjournal »PLOS One« berichtet. Gerade Jugendliche mit selbstdiagnostizierter ADHS überschätzen demnach die Verbreitung der Störung in der Bevölkerung deutlich – und werden durch die Videos in ihrer Annahme bestärkt, ADHS zu haben.

ADHS hängt mit einem gestörten Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn zusammen, in der Regel von der Kindheit an. Vererbung spielt nach heutigem Forschungsstand die größte Rolle. Kennzeichnend für die psychische Störung sind drei Hauptsymptome: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Sie können in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination auftreten. Erste ADHS-Probleme sind bereits im Kleinkindalter zu beobachten, gut erkennbar werden sie meist im Alter von fünf bis sechs Jahren.

Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung haben ADHS

Die Medizin geht davon aus, dass konstant 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung ADHS haben. Die Zahl steigt nicht, augenscheinlich aber die Wahrnehmung der Erkrankung, wie unter anderem die vermehrte Suche nach Selbsttests im Internet zeigt. Viele Menschen informieren sich vor allem über soziale Medien wie TikTok, neben #autism gilt #ADHD als eines der zehn am häufigsten genutzten gesundheitsbezogenen Hashtags.

Das Team um Vasileia Karasavva von der University of British Columbia in Vancouver berücksichtigte nun 98 besonders beliebte TikTok-Videos zu ADHS. Im Schnitt waren diese knapp 40 Sekunden lang und hatten insgesamt fast eine halbe Milliarde Aufrufe, alle waren englischsprachig. Die Hälfte der Videoersteller warb für den Kauf bestimmter Produkte wie Arbeitsbücher, Fidget Spinner oder Coaching-Dienste oder bat um Spenden – subtile Werbung noch gar nicht berücksichtigt.

Oft irreführend, selten nützlich

Zwei Psychologen gaben eine Einschätzung zur inhaltlichen Korrektheit der Beiträge. Sie stuften 52 Prozent der Videos als irreführend ein, nur 21 Prozent als nützlich und kein einziges als auf jeden Fall empfehlenswert. 92 der 98 Videos thematisierten demnach ausschließlich Aussagen über ADHS-Symptome wie »Mein ADHS bringt mich dazu, dies zu tun«. Gut die Hälfte der Angaben zu Symptomen wurde von den Psychologen als nicht ADHS-bedingt bewertet. Überwiegend bildeten sie stattdessen normale menschliche Erfahrungen ab, einige Symptome waren eher typisch für andere Störungen.

Wurden Behandlungsoptionen angegeben, basierten sie zumeist lediglich auf persönlichen Erfahrungen. »Anekdoten und persönliche Erfahrungen sind sehr wirkungsvoll, aber wenn der Kontext fehlt, können sie zu Missverständnissen über ADHS und psychische Gesundheit im Allgemeinen führen«, erklärte Karasavva.

ADHS-Prävalenz um etwa das Zehnfache überschätzt

In einer zweiten Versuchsreihe wurden gut 800 Studenten im Alter von 18 bis 25 Jahren die fünf am besten und am schlechtesten bewerteten Videos aus der ersten Analyse gezeigt. Dazu zählten junge Männer und Frauen, teils ohne sowie teils mit offizieller oder selbstgestellter ADHS-Diagnose. Im Allgemeinen wurden die besseren Videos auch als besser bewertet. Auffällig war, dass die ADHS-Prävalenz in der Bevölkerung mit etwa 33 Prozent extrem überschätzt wurde. Das war vor allem bei Menschen mit selbstdiagnostizierter ADHS der Fall. Sie wurden von den Videos zudem in ihrer Annahme bestärkt, selbst ADHS zu haben.

Soziale Medien seien bei Gesundheitsthemen eine zentrale Informationsquelle, sagte Kathrin Karsay von der Universität Wien, die nicht an der Studie beteiligt war. Die Algorithmen dort bevorzugten aber vor allem Posts, die besonders unterhaltsam sind oder emotionalisieren und so für viel Interaktion sorgen. Dass die Symptome nicht korrekt oder überzeichnet dargestellt werden, sei nicht überraschend, ähnliche Befunde gebe es auch bei anderen Krankheitsbildern wie Tourette-Syndrom oder Prostatakrebs.

Verniedlichende Darstellung

»Auf TikTok werden ADHS-Betroffene oft als quirlig, liebenswert und fast schon unterhaltsam dargestellt – eine »süße Störung«, die in kurzen, humorvollen Clips inszeniert wird«, so Karsay. Viele Inhalte zeigten Alltagssituationen und setzten auf unterhaltsame Narrative. »Dadurch entsteht ein positives, manchmal auch verharmlosendes, romantisierendes Bild der Erkrankung.«

Positiv sei, dass junge Erwachsene die Inhalte offenbar durchaus kritisch reflektieren und von Experten als schlecht eingestufte Videos im Mittel ebenfalls schlechter bewerten, sagte die Kommunikationswissenschaftlerin Paula Stehr von der Universität Augsburg, die ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war. Besorgniserregend sei, dass so oft falsche Symptome angegeben werden und es kaum Hinweise zum Umgang mit ADHS gibt.

»Um den hohen Informationsbedarf von Betroffenen zu decken, müssen fundierte Inhalte leicht zugänglich sein«, so Stehr. Auf Plattformen wie TikTok seien mehr Beiträge von Fachleuten wünschenswert. »So können die Informationen dort verfügbar gemacht werden, wo sich die jungen Erwachsenen in ihrem Mediennutzungsalltag aufhalten.« Momentan seien für Informationen vor allem geprüfte Plattformen wie www.gesundheitsinformation.de zu empfehlen.

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