Infektionen häufigste Komplikationen |
Theo Dingermann |
09.07.2024 15:26 Uhr |
T-Zellen, die mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR-T) ausgestattet wurden, können bei bestimmten Krebsarten lebensrettend sein. Behandelte Patienten sollten auf Infektionen überwacht werden. / Foto: Getty Images/Juan Gärtner/Science Photo Library
Das Team um Dr. David Cordas dos Santos vom Dana Farber Cancer Institute Boston und Dr. Tobias Tix von der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München wertete die Daten von insgesamt 46 Studien aus, in denen über CAR-T-Zell-Therapien bei mehr als 7600 Patienten mit verschiedenen Leukämien und Lymphomen berichtet wurde. Bei ihrer Analyse konzentrierten sich die Forschenden auf die sogenannte nicht rückfallbedingte Sterblichkeit (Nonrelapse Mortality). Die Ergebnisse der Analyse sind jetzt im Wissenschaftsjournal »Nature Medicine« publiziert.
Sie fallen überraschend aus. So ließen sich beispielsweise von den 574 gemeldeten Todesfällen aus 18 klinischen Studien und 28 realen Studien zur Behandlung von Lymphomen und multiplem Myelom lediglich 8 Prozent auf sekundäre Tumore zurückzuführen, obwohl für Patienten, die mit CAR-T-Zellen therapiert wurden, das Risiko für einen Sekundärtumor üblicherweise als hoch eingeschätzt wird.
Dennoch unterstreicht die Studie, dass eine CAR-T-Zell-Therapie eine Intervention ist, die mit erheblichen Toxizitäten verbunden ist, die auch zu Todesfällen führen. Interessanterweise variiert die therapiebedingte Toxizität je nach Krankheit, wobei die höchsten Risiken für Patienten mit Mantelzell-Lymphom gefunden wurden (10,6 Prozent), gefolgt von multiplem Myelom (8,0 Prozent), großzelligem B-Zell-Lymphom (6,1 Prozent) und indolentem Lymphom (5,7 Prozent).
Als größte Überraschung der Studie werten die Forschenden die Erkenntnis, dass als Hauptursache für die nicht rückfallbedingte Mortalität Infektionen ermittelt wurden. Mehr als die Hälfte (50,9 Prozent) der betroffenen Patienten verstarben an einer Infektion. Zu den sekundären Ursachen zählten andere maligne Erkrankungen (7,8 Prozent) und kardiovaskuläre/respiratorische Ereignisse (7,3 Prozent).
Bemerkenswert ist zudem, dass spezifische CAR-T-Zell-bezogene unerwünschte Wirkungen wie ein Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) und ein Zytokinfreisetzungssyndrom einen geringeren Anteil der Todesfälle ausmachten (5,2 Prozent beziehungsweise 4,7 Prozent).
Die Forschenden richteten ihr Augenmerk auch auf mögliche Unterschiede zwischen verschiedenen CAR-T-Zell-Produkten. So lag bei Patienten mit multiplem Myelom die nicht rückfallbedingte Sterblichkeit nach Erhalt von Ciltacabtagen autoleucel (Carvykti®) mit 15,2 Prozent signifikant höher als nach Therapie mit Idecabtagen vicleucel (Abecma®) mit 6,3 Prozent. Beim großzelligen B-Zell-Lymphom war Axicabtagen ciloleucel (Yescarta®) mit einer höheren nicht rückfallbedingte Sterblichkeit verbunden als andere CAR-T-Zell-Produkte wie Lisocabtagen maraleucel (Breyanzi®) und Tisagenlecleucel (Kymriah®).
Dieses Teilergebnis relativiert jedoch Seniorautor Privatdozent Dr. Kai Rejeski von der LMU in einer Pressemitteilung: Die Art der Studie gebe es nicht her, zu beurteilen, ob ein spezifisches Produkt wirklich ein höheres Risiko für eine tödliche Nebenwirkung verursacht – das könne nur eine randomisierte verblindete Studie. »Aber es ist ein Hinweis, der Ärzte veranlassen könnte, bei zwei gleich effektiven Produkten für die CAR-T-Therapie eines bestimmten Tumors das mit der niedrigeren Sterblichkeit zu wählen«, so der Wissenschaftler.
Auch deuteten sich Unterschiede in den Nachbeobachtungszeiten und den Studienumgebungen (klinische Studien versus reale Umgebungen) an, die die Wahrscheinlichkeit für eine Non-Relapse-Mortalität beeinflussen. Diese Unterschiede waren jedoch nicht signifikant.
Insgesamt wirft diese Metaanalyse ein Licht auf die kritischen Aspekte der Nicht-Rückfall-Mortalität bei der CAR-T-Zell-Therapie und plädiert für verbesserte Patientenbetreuungsprotokolle, eine maßgeschneiderte Produktverwendung und umfassende Berichtsmaßnahmen zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse und Sicherheitsprofile. »Letzten Endes werden mit dieser Studie unsere bisherigen Annahmen ein Stück weit auf den Kopf gestellt«, sagt Rejeski. Der Fokus müsse in Zukunft vor allem darauf liegen, »Infektionen von vornherein so gut wie möglich vorzubeugen, sie frühzeitig zu erkennen und Infektionen auch in Studien präziser zu beschreiben.«
Unterm Strich steht aber für Rejeski fest, dass der Nutzen einer CAR-T-Zell-Therapie die Risiken bei Weitem überwiegt.