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Im Wettbewerb kann nur der Heilberufler bestehen

02.12.2002  00:00 Uhr
Interview

Im Wettbewerb kann nur der Heilberufler bestehen

von Daniel Rücker, München

Das Vorschaltgesetz reduziert den Rohertrag der Apotheken deutlich. Um ihre Betriebe zu retten, werden Apotheker Kosten reduzieren müssen. Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger warnt allerdings davor, bei der Fortbildung zu sparen.

PZ: Welche konkreten Auswirkungen wird das Vorschaltgesetz auf die Apotheken haben?
Metzger: Es sind Einschnitte bei der Qualität zu befürchten. Die Apotheke steht für die Versorgungsqualität. Wenn die Öffentlichkeit aber nun nicht mehr die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt, dann können dadurch Defizite in der Versorgung entstehen.

PZ: Erwarten Sie Einbußen bei der Beratung und den Dienstleistungen?
Metzger: Ich sage ganz klar: Die Apotheker wollen dies nicht, wir haben schließlich einen Versorgungsauftrag. Aber es ist nicht auszuschließen, dass Sachzwänge dominieren. Nach den Prognosen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften müssen Apotheken mit einem Rückgang des Rohertrages von bis zu 40.000 Euro jährlich rechnen. Das wird Auswirkungen auf die Arbeit in den Betrieben haben.

PZ: Angesichts der enormen Belastungen müssen Apotheker sparen. Da denken einige auch darüber nach, ihren Personalstand zu verringern...
Metzger: .. was eine fatale Konsequenz wäre. Die Mitarbeiter stehen ebenso wie der Inhaber für die Qualität in den Apotheken. Wir sind ein Heilberuf und wenn sich die Heilberufler aus der Versorgung entfernen, dann ändert sich die Versorgungsqualität. Deswegen sind wir gegen diesen massiven Einschnitt, der sich mit dem Anteil der Apotheken an den Arzneimittelkosten in keiner Weise rechtfertigen lässt.

PZ: Wie steht es um die Fortbildung? Die Möglichkeiten, in der Apotheke Kosten zu reduzieren, sind begrenzt, da werden einige Kollegen möglicherweise weniger Veranstaltungen besuchen.
Metzger: Ich befürchte dies, aber wir wissen heute noch nicht, wie sich die Kollegen verhalten. Sie sollten bedenken: Wenn der Wettbewerb härter wird, dann gibt es nicht nur einen Wettbewerb um den Preis, sondern auch um die Versorgungsqualität. Diesen Wettbewerb kann nur bestehen, wer sich heilberuflich positioniert.

PZ: Wie sieht die Strategie von ABDA, BAK und DAV für die nächsten Monate aus?
Metzger: Wir müssen der Politik und der Öffentlichkeit darlegen, dass es keine Alternative zum Heilberuf gibt. Wir werden deutlich machen, dass eine Merkantilisierung, eine Deregulierung und eine Liberalisierung das heilberufliche Konzept scheitern lassen und damit die Qualität der Versorgung Schaden nimmt. Wenn wir das hohe Niveau unserer Arbeit in den kommenden Monaten nicht belegen können, dann berauben wir uns der eigenen Argumente. Die Botschaft lautet also: Jetzt erst recht Fortbildung.

PZ: Ein erster Gradmesser, wie die Apotheker reagieren, ist der Pharmacon in Davos im Januar. Können Sie heute schon etwas zu den Teilnehmerzahlen sagen?
Metzger: Nein, das können wir noch nicht. Natürlich wird sich der eine oder andere überlegen, ob er sich angesichts des Vorschaltgesetzes, den Pharmacon noch leisten kann. Ich wiederhole aber noch einmal: Es wäre das falsche Signal, jetzt die Fortbildung zurückzufahren. Nur wer sich professionell aufstellt, hat auch in der Pharmazie der Zukunft einen guten Platz. Und noch etwas anderes: Für uns ist der Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen enorm wichtig. Wir werden auch dieses Jahr in Davos wieder einen Nachmittag für die aktuelle Berufspolitik reservieren.

PZ: Der ABDA-Spitze wird zurzeit vorgeworfen, sie hätte das Vorschaltgesetz nicht verhindert. Sind die Vorwürfe berechtigt?
Metzger: Ein Gesetz, dass selbst den Parlamentariern erst zur Verabschiedung bekannt gegeben wird, das können Sie nicht verhindern. Hier wurde die parlamentarische Kultur der Bundesrepublik Deutschland in nie da gewesener Weise missachtet. Mit Verweis auf die Finanzsituation der Kassen, wurde das Gesetz am Parlament vorbei geplant.
Es ist naiv zu meinen, man hätte in einer solchen Situation das Gesetz verhindern können. Selbst die einflussreiche pharmazeutische Industrie hat nichts erreicht. Die Politik hat sich nur noch an den Kosten orientiert und die Folgen nicht zu Ende gedacht.
Der Vorwurf, wir hätten in den vergangenen Wochen zu wenig getan, ist nicht haltbar. Die ABDA - Ehrenamtler und hauptberuflich Tätige - haben täglich Gespräche mit Politikern und der Sachebene in den Ministerien geführt. Man kann nicht über jedes vertrauliche Gespräch in der Öffentlichkeit berichten. Aber seien sie sicher: Alle Verantwortlichen bei der ABDA arbeiten mit mehr als vollem Einsatz. Es ist wenig hilfreich in dieser schwierigen Zeit, einen so gut aufgestellten Verband von innen her zu beschädigen.

PZ: Das Vorschaltgesetz ist das eine. Die geplante Strukturreform kann aber für die Apotheker noch gravierendere Auswirkungen haben.
Metzger: Die BAK-Mitgliederversammlung hat bereits eindeutig gesagt, dass die Zukunft nur in der heilberuflichen Orientierung liegen kann. Rürup will die Preisverordnung kippen. Damit würde dem Apotheker sein Honorar als Heilberufler entzogen. Der Staat würde den Apotheker zum Arzneimittelfachverkäufer degradieren. Wir müssen unsere heilberufliche Professionalität in die Waagschale werfen, um dies zu verhindern.

PZ: Muss es denn die Preisverordnung sein, oder könnte es auch andere Formen der Honorierung geben?
Metzger: Wir sagen immer Struktur vor Geld. Wenn wir etwas retten wollten, und dabei gleichzeitig die Struktur verlieren, dann wäre dies unsinnig. Es kann deshalb sachlogisch nur eine einzige Entscheidung geben.

PZ: Wird es nach der nächsten Reform noch einen Apotheker als freien Heilberufler geben?
Metzger: Ja, selbstverständlich. Wir haben die besseren Argumente und werden alles dafür tun, dass diese Argumente zum tragen kommen.  Top

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