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Fiedler glaubt an weitere Sparpotentiale

31.03.1997  00:00 Uhr

-Politik

  Govi-Verlag

Fiedler glaubt an weitere Sparpotentiale

  Einsparungen im Arzneimittelbereich von mehr als 3,5 Milliarden DM jährlich hält der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse (BEK), Eckart Fiedler, für möglich, ohne daß die Qualität der medizinischen Versorgung darunter leiden werde. So verhindere allein der Verzicht auf eine gesetzliche Arzneimittel-Positivliste Minderausgaben von etwa zwei Milliarden DM per anno für die Krankenkassen.

Die von Union und FDP bereits Ende vergangenen Jahres beschlossene Festbetragsfreiheit für neue patentgeschützte Präparate schlage mit einer weiteren Milliarde DM negativ zu Buche. Zusätzlich belaste die gesetzliche Krankenversicherung die Streichung der Förderklausel für re- und parallelimportierte Arzneien mit 560 Millionen DM jährlich.

Doch damit nicht genug: Der selbstbewußte BEK-Chef wirft der Politik vor, die gesetzliche Krankenversicherung mit immer neuen finanziellen Verschiebebahnhöfen regelrecht zu berauben. Fiedler: "Keine Bank kann Gewinne machen, wenn sie ständig überfallen wird."

"Beutezüge der Politik"

Nach Berechnungen des Chefs der größten gesetzlichen Krankenkasse in der Bundesrepublik mit über 6,8 Millionen Mitgliedern kosten die "Beutezüge der Politik" - gemeinhin Verschiebebahnhöfe genannt - die Krankenkassen jährlich zwischen 16,9 und 17,9 Milliarden DM. Diese Summe entspreche einem Beitragssatzprozentpunkt weniger Einnahmen für die GKV. Neben den nicht realisierten Einsparungen im Arzneimittelbereich nennt Fiedler im einzelnen folgende, durch den Gesetzgeber verursachte Belastungen für die Krankenkassen:
  • Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Beitragsausfälle in Höhe von 1 bis 2 Milliarden DM.
  • Die Zwangssenkung der Beitragsätze um 0,4 Prozentpunkte reduziert auch die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner, die auf der Basis der Beitragssätze vom 1. Januar 1997 berechnet werden. Gewinner ist die staatlich zu subventionierende Rentenversicherung. Einnahmeverlust für die GKV: 1,4 Milliarden DM.
  • Das Einsparvolumen des Beitragsentlastungsgesetzes liegt nur bei maximal 4,5 Milliarden DM und nicht bei 7,5 Milliarden DM, wie die Bonner Koalition glauben machen will. Belastung für die GKV: 3 Milliarden DM.
  • Die Absenkung der Beitragsbemessungsgrundlage für Arbeitslose auf 80 Prozent führt seit 1995 pro Jahr zu Mindereinnahmen der GKV in Höhe von 5 Milliarden DM zugunsten der Arbeitslosenversicherung.
  • Die auf das Krankengeld zu zahlenden Beiträge für die Renten- und Arbeitslosenversicherung wurden erhöht. Jährliche Mehrausgaben für die GKV: 800 Millionen DM.
  • Der aufgelaufene Investitionsstau in den Krankenhäusern beträgt bis zu 10 Milliarden DM; die aktuellen Instandhaltungskosten der Kliniken, so Fiedler, gehen von den Bundesländern auf die Krankenkassen über und belasten die GKV mit einer Milliarde DM.
  • Die neugeschaffene Altersteilzeit in der Rentenversicherung führt ab 1997 durch die sinkende Beitragsbemessungsgrundlage zu jährlichen Einnnahmeverlusten für die GKV in Höhe von 230 Millionen DM.
  • Bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe werden ab 1997 auch "sonstige Einkünfte" berücksichtigt. Dies zieht eine Absenkung der Arbeitslosenhilfe und damit der Beiträge zur Krankenversicherung nach sich. Mindereinnahmen für die GKV per anno: 250 Millionen DM.
  • Die Beitragseinnahmen der Krankenkassen für die bei ihnen versicherten Sozialhilfeempfänger sind nicht kostendeckend. Belastung für die GKV: 700 Millionen DM.

Fazit von Eckart Fiedler: "Die Politik ist der eigentliche Verursacher der Kalamitäten der GKV." Sie müsse deshalb auch den Schlüssel zur Lösung der aktuellen Probleme liefern. In jedem Fall seien ein globales Ausgabenbudget und eine Entlastung der GKV von versicherungsfremden Leistungen notwendig. Zugleich habe die Politik die Verschiebebahnhöfe rückgängig zu machen und jeder Krankenkasse eigenständige Vereinbarungen mit Leistungserbringern zu ermöglichen Fiedler: "Schließlich zwingt auch niemand alle Autohersteller, einheitlich und gemeinsam mit nur einem Reifenhersteller zu verhandeln."

PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn

   

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