Das reine Escitalopram |
12.07.2004 00:00 Uhr |
Escitalopram ist das wirksame S-Enantiomer des racemischen Citaloprams, für das patent- und zulassungsrechtliche Marktmonopole ausgelaufen sind. Die therapeutische Wirksamkeit setzte in ersten Studien beim Enantiomer früher ein als beim racemischen Gemisch.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), wie Citalopram (Cipramil® und andere), Fluoxetin (Fluctin® und andere) oder Paroxetin (Seroxat® und andere), weisen nicht nur eine gut dokumentierte Wirksamkeit bei den meisten Formen von Angststörungen und depressiven Erkrankungen auf. Sie sind auch im Vergleich zu anderen Antidepressiva besser verträglich und besitzen eine geringere Inzidenz von schwer wiegenden Nebenwirkungen. Aus diesen Gründen spielen SSRIs eine zentrale Rolle in der Therapie zahlreicher psychischer Erkrankungen, sie können sich jedoch in der Wirkdauer und bei möglichen Wechselwirkungen unterscheiden (1, 2).
Escitalopram ist das antidepressiv wirksame S-Enantiomer des Racemats Citalopram. Die pharmakologische Aktivität der einzelnen Enantiomere in racemischen Gemischen kann sich teilweise erheblich unterscheiden, einzelne Enantiomere können sogar völlig unwirksam sein, jedoch mit Nebenwirkungen einhergehen. Deswegen ist die Anwendung von reinen Enantiomeren im Prinzip sinnvoll. Aber wirken sich die theoretischen Vorteile der reinen Enantiomere im Vergleich zum Racemat auch klinisch aus und verbessern Wirksamkeit und Nebenwirkungen?
Bei Depression oder Panikstörung
Escitalopram ist zugelassen zur Behandlung von Episoden einer Major Depression sowie von Panikstörungen mit oder ohne Agoraphobie (Platzangst, bei der Betroffene vermeiden, sich auf größeren Straßen und Plätzen aufzuhalten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder einen schützenden Raum wie die Wohnung zu verlassen).
Escitalopram wird einmal täglich, unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Dabei beträgt die übliche Dosis in der Behandlung von Episoden einer Major Depression 10 mg. Je nach individuellem Ansprechen des Patienten kann die Dosis auf maximal 20 mg täglich erhöht werden. Die Behandelten sprechen in der Regel nach zwei bis vier Wochen an. Haben sich die Symptome zurückgebildet, müssen die Patienten das Antidepressivum weitere sechs Monate einnehmen, um den Therapieerfolg zu sichern.
Bei einigen Patienten mit Panikstörungen können zu Beginn der antidepressiven Therapie verstärkte Angstsymptome auftreten, die jedoch meistens nach zwei Wochen weiterer Behandlung verschwinden. Um das Risiko für das Auftreten dieser paradoxen Angstsymptome zu verringern, wird eine niedrige Anfangsdosis empfohlen. So erhält ein Patient mit Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie in der ersten Behandlungswoche täglich 5 mg, dann erst wird auf 10 mg gesteigert. Je nach Ansprechen kann der behandelnde Arzt die Dosis bis auf maximal 20 mg täglich erhöhen. Die volle Wirksamkeit wird nach etwa drei Monaten erreicht, die Behandlung dauert mehrere Monate.
Die vorliegenden präklinischen und klinischen Daten haben keine Hinweise darauf ergeben, dass SSRIs zu einer Abhängigkeit führen. Beim Absetzen sollte die Dosis dennoch über ein bis zwei Wochen schrittweise erniedrigt werden, um mögliche Absetzsyndrome zu vermeiden (3).
Auf die Dosis achten
Da Escitalopram von älteren Patienten langsamer eliminiert wird als von jüngeren, ist die systemische Verfügbarkeit bei Älteren um 50 Prozent erhöht. Daher sollte der verantwortliche Arzt bei Patienten über 65 Jahren eine Anfangsbehandlung mit der Hälfte der üblichen Dosierung und eine reduzierte Höchstdosis erwägen.
Die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird nicht empfohlen, da Sicherheit und Wirksamkeit bei dieser Altersgruppe nicht untersucht wurde.
Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung erforderlich. Vorsicht ist allerdings bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion und einer Clearance von unter 30 ml/min geboten. Bei Leberinsuffizienz wird in den ersten zwei Behandlungswochen eine Dosis von 5 mg täglich empfohlen. Abhängig vom individuellen Ansprechen des Patienten kann die Dosis auf 10 mg erhöht werden.
Forscher beobachteten, dass Personen mit eingeschränkter CYP-2C19-Funktion, so genannte poor metaboliser, eine doppelt so hohe Plasmakonzentration von Escitalopram aufweisen wie Personen mit hoher Stoffwechselrate (extensive metaboliser). Ist eine verringerte Metabolisierung über CYP-2C19 bekannt, sollten die Betroffenen in den ersten zwei Wochen mit einer Dosis von täglich 5 mg behandelt werden, die je nach Ansprechen auf 10 mg erhöht werden kann (3).
Hohe Affinität zum Transporter
Escitalopram (S-(+)-Citalopram) hemmt selektiv die Wiederaufnahme von Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT), woraus sich die antidepressive Wirkung ergibt. Die IC50 für die Blockade der 5-HT-Aufnahme in Rattenhirn-Synaptosomen in vitro beträgt 2,1 nM gegenüber 3,9 nM für Citalopram und 280 nM für das R-Enantiomer. Die Bindungsaffinität zum humanen 5-HT-Transporter beträgt 1,1 nM.
Ein Mangel der Neurotransmitter Serotonin beziehungsweise Noradrenalin scheint ein bedeutender Faktor in der Pathogenese einer Depression zu sein. Während die Wiederaufnahmehemmung zwar sofort eintritt, rufen die veränderten Neurotransmitterkonzentrationen im synaptischen Spalt erst mit einer gewissen Latenz eine Downregulation von Rezeptoren hervor, womit die eigentliche antidepressive Wirksamkeit erklärt werden kann. Escitalopram hat wie Citalopram keine oder nur eine sehr geringe Affinität zu anderen Rezeptoren (3 - 5).
Verträglichkeit im Citalopramvergleich
Am häufigsten treten Nebenwirkungen in der ersten oder zweiten Behandlungswoche auf und nehmen normalerweise bei fortgesetzter Behandlung an Intensität und Häufigkeit ab. Bei abruptem Absetzen leiden einige Patienten unter Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit. Eine reversible Hyponatriämie ist unter der Therapie mit SSRIs zwar selten, bei Risikopatienten aber häufiger beschrieben worden (3). Interessant ist vor allem ein Vergleich der Nebenwirkungen von Escitalopram und Citalopram, der allerdings keine wesentlichen Unterschiede offenbart (Tabelle) (5).
NebenwirkungPlacebo (Prozent)
Krampfanfälle und Suizidrisiko
SSRIs können die Schwelle für Krampfanfälle herabsetzen. Treten diese auf, sollte der behandelnde Arzt die Behandlung abbrechen. Bei Patienten mit instabiler Epilepsie sollten SSRIs nicht angewendet und Patienten mit kontrollierter Epilepsie sorgfältig überwacht werden. Diese sollten die Antidepressiva absetzen, sobald die Häufigkeit von Krampfanfällen zunimmt. Auch wenn Patienten unter der Therapie in eine manische Phase geraten, sind SSRIs abzusetzen. Von den Wirkstoffen ist bekannt, dass sie das Suizidrisiko in den ersten Wochen der Behandlung erhöhen können (3).
Diabetiker und Schwangere
Bei Diabetikern kann die Behandlung mit SSRIs die diabetischen Parameter verändern, so dass die Insulindosis oder die oraler Antidiabetika angepasst werden muss. Auf Grund begrenzter klinischer Erfahrung ist auch bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung Vorsicht geboten. Für Escitalopram liegen keine klinischen Angaben zu einer Verwendung während der Schwangerschaft vor. In Reproduktionstoxizitätsstudien mit Escitalopram wurden an Ratten embryofetotoxische Effekte, aber keine erhöhte Inzidenz für Missbildungen beobachtet. Es ist davon auszugehen, dass Escitalopram in die Muttermilch übertritt (3).
Serotoninsyndrom mit MAO-Hemmern
Nebenwirkungen zwischen MAO-Hemmern und SSRI können schwerwiegend sein. Besonders gefürchtet ist das unter Umständen lebensgefährliche Serotoninsyndrom. Es ist durch zentrale Unruhe, Rigor (Muskelsteifigkeit infolge erhöhtem Muskeltonus), Hyperreflexie und Fieber gekennzeichnet. Auch durch serotonerge Arzneimittel wie Tramadol oder Triptane als Migränemittel kann es zu einem Serotoninsyndrom kommen. Das therapeutische Vorgehen unterscheidet sich je nach Art des MAO-Hemmers.
Escitalopram darf mit MAO-Hemmern wie Tranylcypromin nicht in Kombination angewandt werden. Die Behandlung mit Escitalopram darf frühestens 14 Tage nach Beendigung einer Therapie mit Tranylcypromin begonnen werden. Tranylcypromin darf frühestens 7 Tage nach Absetzen von Escitalopram angesetzt werden.
Escitalopram sollte mit MAO-Hemmern wie Moclobemid möglichst nicht zusammen oder allenfalls in der geringsten Dosis und unter besonderer Therapieüberwachung angewandt werden. Die Behandlung mit Escitalopram sollte frühestens einen Tag nach Beendigung einer Therapie mit Moclobemid begonnen werden.
In Kombination mit Selegilin (irreversibler MAO-B-Hemmer) ist wegen der möglichen Entwicklung eines Serotonin-Syndroms Vorsicht geboten. Selegilin in Dosen bis zu 10 mg/Tag konnte zusammen mit racemischem Citalopram unbedenklich angewendet werden (3).
An Interaktionen denken
Es wurde berichtet, dass eine gleichzeitige Therapie mit Lithium oder Tryptophan die Wirkung von SSRIs verstärken, so dass sie nur mit Vorsicht gemeinsam angewendet werden sollten. Bei Kombination von Escitalopram und oralen Antikoagulantien kann die Blutgerinnung beeinflusst werden. Insbesondere in der Selbstmedikation sollte beachtet werden, dass die gleichzeitige Behandlung mit Johanniskrautpräparaten in wirksamer Dosierung die Gefahr von Nebenwirkungen erhöhen kann (3).
Welches Antidepressivum ist das Beste? Antidepressiva lassen sich in verschiedene Gruppen klassifizieren, die durch ihre unterschiedlichen Charakteristika eine individuell abgestimmte Therapie ermöglichen. Je nach Ausprägung ihres antriebssteigernden oder -hemmenden beziehungsweise sedierenden Effekts werden außerdem Antidepressiva für gehemmt-depressive und für agitiert/ängstlich-depressive Syndrome unterschieden. Die auf Grund ihrer hohen Wirksamkeit wichtigste Gruppe bilden die nicht selektiven Monoamin-Wiederaufnahmeinhibitoren (NSMRI), meist tri- oder tetrazyklische Antidepressiva. Für diese liegen breite Erfahrungen vor und sie sind auch bei schweren Depressionen und Patientengruppen, die bei klinischen Prüfungen neuerer Arzneimittel zumeist ausgeschlossen werden, gut untersucht. Die anticholinergen Nebenwirkungen etwa auf das Herz und das Absenken der Krampfschwelle begrenzen jedoch den therapeutischen Einsatz.
Der behandelnde Arzt muss eine Therapie mit trizyklischen Antidepressiva einschleichend aufdosieren, die Zieldosierung muss individuell abgestimmt, aber ausreichend hoch sein. Neuere, nicht selektive Arzneistoffe wie Mianserin (Tolvin® und andere), Trazodon (Thombran® und andere) oder Viloxazin (Vivalan®) besitzen für viele Patienten ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum, für sie liegen aber weniger Erfahrungen in der Therapie vor. Blutbildschäden wie Leukopenie oder Agranulozytose sind bei Mianserin häufiger als bei anderen NSMRI.
Die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Escitalopram (Cipralex®), Citalopram (Cipramil® und andere), Fluoxetin (Fluctin® und andere), Fluvoxamin (Fevarin® und andere), Paroxetin (Seroxat® und andere) oder Sertralin (Gladem® und andere) sind in der Regel gut verträglich. Insbesondere Interaktionen über Cytochrom-P450-Isoenzyme sind jedoch zu beachten. Keinesfalls dürfen MAO-Hemmer gleichzeitig mit SSRIs gegeben werden. Agitiertheit, Schlafstörungen, Nausea und sexuelle Funktionsstörungen sind typische Nebenwirkungen der SSRI. Venlafaxin (Trevilor® und andere) hemmt selektiv sowohl die Serotonin- als auch die Noradrenalinwiederaufnahme. Damit entspricht Venlafaxin einem NSMRI ohne dessen vegetative, unerwünschte Wirkungen. Reboxetin (Edronax®) ist ein spezifischer Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NRI). Tranylcypromin (Jatrosom® N) und Moclobemid (Aurorix®) werden als MAO-Hemmer therapeutisch eingesetzt. Adjuvant können Benzodiazepine insbesondere als Sedativa und Anxiolytika und niedrigpotente Neuroleptika bei neurotischer Komponente Anwendung finden (1, 2).
Escitalopram als Cytochrominhibitor
Der Metabolismus von Escitalopram wird hauptsächlich durch CYP 2C19 gesteuert. Auch CYP 3A4 und CYP 2D6 tragen vermutlich, allerdings in einem geringeren Umfang, zur Metabolisierung bei. Da Escitalopram das Enzym CYP 2D6 inhibiert, ist bei einer Kombination mit Arzneimitteln Vorsicht geboten, die hauptsächlich über dieses Enzym metabolisiert werden und die eine geringe therapeutische Breite haben: Zum Beispiel Flecainid, Propafenon und Metoprolol oder Antidepressiva wie Desipramin, Clomipramin, Nortriptylin oder Neuroleptika wie Risperidon, Thioridazin und Haloperidol. Patienten sollten diese Arzneimittel somit in einer niedrigeren Dosis erhalten. Die gleichzeitige Behandlung mit Desipramin oder Metoprolol beispielsweise verdoppelte die Plasmakonzentrationen dieser zwei CYP-2D6-Substrate (3).
Pharmakokinetisches Profil
Escitalopram wird unabhängig von der Nahrungsaufnahme resorbiert, seine Pharmakokinetik ist linear. Die Plasmaspiegel sind etwa innerhalb einer Woche im Gleichgewicht. Bei einer täglichen Dosis von 10 mg werden Steady-state-Konzentrationen von durchschnittlich 50 nmol/l (Bereich 20 bis 125 nmol/l) erreicht. Nach Mehrfachgabe liegt tmax im Mittel bei vier Stunden. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt wie bei Citalopram etwa 80 Prozent und das scheinbare Verteilungsvolumen nach oraler Gabe 12 bis 26 l/kg. Sowohl Escitalopram als auch seine Hauptmetaboliten binden zwischen 50 und 80 Prozent an Plasmaproteine.
Escitalopram wird in der Leber zu pharmakologisch aktiven Metaboliten demethyliert, die ebenso wie die Muttersubstanz zum Teil als Glucuronide ausgeschieden werden. Die Eliminationshalbwertszeit nach Mehrfachgabe beträgt rund 30 Stunden und die orale Plasmaclearance etwa 0,6 l/min, wobei die Hauptmetaboliten eine signifikant längere Halbwertszeit aufweisen. Escitalopram und seine Hauptmetaboliten werden vermutlich sowohl über die Leber metabolisiert als auch über die Nieren eliminiert, wobei der größte Teil der Dosis als Metaboliten über den Urin ausgeschieden wird. Bei Personen mit eingeschränkter CYP-2D6-Funktion wurde keine signifikante Änderung der Plasmakonzentration festgestellt (3, 5).
Placebovergleich ohne Überraschung
Es überrascht nicht, dass sich Escitalopram als wirksames Enantiomer des bekannten Citalopram in placebokontrollierten Studien als wirksam erwiesen hat (6). Beispielsweise erhielten in einer achtwöchigen Doppelblindstudie 191 Patienten mit Major Depression täglich 10 mg Escitalopram und 189 Placebo. Dieser Interventionsphase ging in beiden Gruppen eine einwöchige Placebophase voraus. Nach acht Wochen besserte sich der Zustand der Verum-Gruppe nach einer Depressions-Bewertungsskala signifikant im Vergleich zu Placebo. Bereits nach einer bis drei Wochen, je nach verwendetem Score, konnte die Escitalopramgabe erste signifikante Verbesserungen im Placebovergleich erzielen. Die Abbruchrate lag auf Placeboniveau, Übelkeit trat in der Verum-Gruppe jedoch häufiger auf als unter Placebo.
Patienten sprechen früher an
In der therapeutischen Praxis interessiert besonders ein Vergleich mit Citalopram. Gorman et al. untersuchten in einer gepoolten Analyse placebokontrollierte Studien zur Behandlung der Major Depression mit Escitalopram und Citalopram. Daten aus drei ähnlich designten Studien mit Escitalopram (10 bis 20 mg/Tag) und Citalopram (20 bis 40 mg/Tag) flossen in die Metaanalyse ein (7). Die Wirksamkeit wurde anhand der Montgomery-Asberg-Depression-Rating-Scale (MADRS) und anhand des klinischen Eindrucks einer Verbesserung (Clinical Global Impression of Improvement, CGI-I-Scale) bewertet. Auch die Entwicklung der assoziierten Angststörungen wurde bestimmt.
Die Auswertung ergab, dass sowohl Escitalopram als auch Citalopram verglichen mit Placebo die Depressions- und Angstsymptomatik signifikant verbesserten. Auch die Anzahl der Responder war anhand der MADR-Skala unter den Antidepressiva größer als unter Placebo. Unter Escitalopram verbesserten sich die Symptome im Vergleich zu Placebo bereits nach einer Behandlungswoche signifikant, unter Citalopram hingegen erst am Ende der vierten oder sechsten Behandlungswoche. Die Ergebnisse decken sich auch mit präklinischen Untersuchungen, die am Tiermodell ein früheres Ansprechen auf Escitalopram (5 mg/kg KG) im Vergleich zu Citalopram (10 mg/kg KG) gezeigt haben (8).
Eine aktuelle Doppelblindstudie verglich Escitalopram bei mäßig bis schwer depressiven Patienten in ambulanter Behandlung mit Placebo und Citalopram (9). Die Patienten erhielten randomisiert acht Wochen lang pro Tag 10 bis 20 mg Escitalopram (n = 155), 20 bis 40 mg Citalopram (n = 160) oder Placebo (n = 154). Die Effektivität wurde anhand verschiedener Bewertungsskalen im Vergleich zum Ausgangswert bestimmt. Anhand der MADR-Skala verbesserte sich zum Beispiel der Wert auf 15 Punkte in der Escitalopram-, 13,6 Punkte in der Citalopram- und 12,1 Punkte in der Placebogruppe.
Während in allen Skalen die Antidepressiva signifikant besser abschnitten als Placebo, war Escitalopram nur tendenziell besser als Citalopram. Bis zur achten Woche sprachen insgesamt mehr Patienten auf Escitalopram an als auf Citalopram: Bei 63,7 Prozent senkte sich der MADRS-Wert um mehr als die Hälfte, unter Placebo waren es 48,2 (p = 0,009) und unter Citalopram 52,6 Prozent (p = 0,021). Dabei zeigte Escitalopram ein mit Citalopram vergleichbares Nebenwirkungsprofil.
Fazit: Klinische Relevanz des früheren Ansprechens bleibt offen Nachdem für Citalopram patent- und zulassungsrechtliche Marktmonopole ausgelaufen sind, wurde jetzt das wirksame Enantiomer als „neue Monosubstanz“ auf den Markt gebracht. Da sich die pharmakologische Aktivität von Enantiomeren häufig unterscheidet, ist die alleinige therapeutische Anwendung des wirksamen Enantiomers im Prinzip wünschenswert. Doch ob dies in der Klinik die Wirksamkeit deutlich verbessert oder Nebenwirkungen reduziert, ist auch bei Escitalopram offen.
Wie das Racemat Citalopram ist auch Escitalopram ein wirksames Antidepressivum aus der Gruppe der SSRI. Die Nebenwirkungen sind in Bezug auf ihre klinisch relevante Häufigkeit und Ausprägung mit denjenigen von Citalopram vergleichbar. Unterschiede im Interaktionspotenzial zu Citalopram bestehen nicht. Die therapeutische Wirksamkeit setzte in ersten Vergleichsstudien beim reinen Enantiomer früher ein als beim racemischen Gemisch. Sollten sich die Unterschiede der Wirkung in den ersten Wochen tatsächlich als klinisch relevant erweisen, könnte eine bereits eine Woche früher einsetzende Wirkung vor allem die Compliance des Patienten verbessern.
Literatur
Anschrift der Verfasser:
Dr. Thilo Bertsche und Dr. Martin Schulz
Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA
Jägerstraße 49/50
10117 Berlin
© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de