Impfintervall nicht vorschnell verlängern |
Theo Dingermann |
04.01.2021 18:00 Uhr |
Der Covid-19-Impfstoff Comirnaty soll laut Studienschema und Zulassung im Abstand von drei Wochen verimpft werden. / Foto: Adobe Stock/Hans-Joachim Nitschmann
Wie die Zeitschrift »Der Spiegel« heute meldet, lässt das Bundesgesundheitsministerium derzeit prüfen, ob der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Impfdosis bei der Covid-19-Schutzimpfung sich vergrößern lässt. So sollen mehr Menschen schneller mit einer ersten Dosis versorgt werden. Festzuhalten ist, dass dieses Vorgehen nicht den Zulassungsbedingungen durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA entspricht. Der Grund liegt darin, dass zuverlässige Informationen zu einem Schutz nach einer ersten Impfdosis bislang nicht vorliegen.
Allerdings finden sich Angaben zu dieser brisanten Frage in den kürzlich veröffentlichten Studienergebnissen von Biontech/Pfizer und Moderna, die beide einen mRNA-basierten Corona-Impfstoff entwickelt haben. Im Rahmen einer Subgruppenanalyse wurde nachgerechnet, wie die Wirksamkeit der beiden Vakzinen nach der ersten Dosis aussehen könnte. Danach deuten die Ergebnisse, die nicht als primäre Endpunkte definiert waren und daher mit Zurückhaltung zu werten sind, für den Biontech/Pfizer-Impfstoff an, dass in der Zeit zwischen Tag 1 nach der ersten Dosis bis zum Tag der zweiten Dosis eine Wirksamkeit von 52 Prozent nachweisbar ist. Im Falle des Moderna-Impfstoffs wird diese Auswertung nicht präsentiert. Allerdings kann man bei intensiverer Durchsicht der Moderna-Daten ableiten, dass sich die Wirksamkeit des Moderna-Impfstoff für das gleiche Zeitintervall, also für die ersten 14 Tage nach Applikation der ersten Dosis, mit 50,8 Prozent berechnet. Betrachtet man die gesamte modifizierte Intention-to-Treat (mITT)-Analyse nach der ersten Dosis der beiden Impfstoffe, so scheinen diese sich ebenfalls kaum zu unterscheiden: 80 Prozent (Moderna) zu 82 Prozent (Biontech/Pfizer) Schutzwirkung.
Sollten die Zahlen hinsichtlich des Schutzes zwischen dem Tag der ersten Dosis bis zum Termin der zweiten Dosis zuverlässig sein, was sicherlich zu überprüfen wäre und was auch beide Autorenkollektive in den Zusammenfassungen der Studien noch fordern, läge eine Datenbasis vor, um zu erwägen, die zweite Impfdosis hinauszuzögern. Ohne akzeptable Daten ist dies allerdings sehr riskant. Auch die EMA hatte sich kürzlich äußerst zurückhaltend zu diesem Vorschlag geäußert und auf den engen Rahmen der Zulassung verwiesen.
Unter dem Eindruck der aktuellen politischen Diskussion, die nicht immer auf Basis von Fakten geführt wird, ist das Thema, die Zeit für die Grundimmunisierung deutlich zu verlängern, nicht ungefährlich. Man kann nur hoffen, dass nicht auf Druck aus der Politik vom Prinzip der evidenzbasierten Medizin abgewichen wird.
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