Im Notfall richtig helfen |
Als Beobachter eines epileptischen Anfalls sollte man sich darum kümmern, dass die Umgebung während des Anfalls sicher ist. / © Adobe Stock/DC Studio
Aber was ist Epilepsie eigentlich für eine Erkrankung? »Unser Gehirn arbeitet, vereinfacht gesagt, elektrisch. Die Nervenzellen kommunizieren über elektrische Signale miteinander und entladen sich«, erklärt Dr. Julia Hoppe, Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das gehe normalerweise sehr geregelt vonstatten. Bei einem epileptischen Anfall hingegen sei das Gehirn – oder auch nur einzelne seiner Bereiche – überaktiv. Zu viele Nervenzellen entladen sich gleichzeitig. Wie ein solcher Anfall dann aussieht, sei unterschiedlich. Manchmal wird er von den Betroffenen selbst kaum wahrgenommen, manchmal kommt es zu starken Verkrampfungen oder zu schweren Bewusstseinsstörungen.
Paula Bach erlebt solche Vorfälle als Betroffene zwei- bis dreimal im Monat. Früher, bevor sie sich wegen der Epilepsie am Hirn hat operieren lassen, waren es mehr: bis zu sechs kurze Aussetzer, sogenannte Auren, täglich und drei bis vier Anfälle wöchentlich. Wie bei den meisten Betroffenen klangen sie von selbst wieder ab.
Was viele dabei nicht wissen: Nicht nur die Anfälle selbst sind es, die die Gesundheit der Betroffenen stark gefährden, sondern auch die Umstände. Denn: Ein epileptischer Anfall kommt oft aus heiterem Himmel oder kündigt sich nur durch winzige Vorzeichen wenige Minuten vorher an. Unbeschwert zur Arbeit gehen, Freunde treffen, verreisen: Für viele Betroffene ist all das nicht möglich und sogar gefährlich.
Fehleinschätzungen seien leider keine Seltenheit, sagt Bach. Sie habe schon oft erlebt, dass Menschen sie für eine Suchtkranke hielten, wenn sie einen ihrer Anfälle miterlebten. Oder – noch schlimmer – Tipps zur Ersten Hilfe geben, die sogar schaden können. Einer davon: Betroffenen während des Anfalls etwas zwischen die Zähne zu schieben, um zu verhindern, dass sie sich auf die Zunge beißen. »Dieser Ratschlag ist richtig gefährlich«, sagt Bach.
Der Grund: Viele Epileptiker würden während eines Anfalls Schaum vor dem Mund entwickeln. Mit einem Gegenstand zwischen den Zähnen könnten sie nicht richtig schlucken und schlimmstenfalls ersticken. Sie wünscht sich mehr Aufklärung über die Erkrankung, damit Betroffene im Notfall die richtige Hilfe bekämen.
Aber was ist die richtige Hilfe? »Es ist auf jeden Fall sinnvoll, den Rettungsdienst unter 112 zu rufen«, sagt Hoppe. Gerade Laien könnten sich schließlich nicht sicher sein, ob es sich tatsächlich »nur« um einen vorübergehenden epileptischen Anfall handelt oder um eine andere Erkrankung, die sofort behandelt werden muss. Zusätzlich sollten sich Beobachter vor allem darum kümmern, dass die Umgebung während des Anfalls sicher ist.
»Passiert es beispielsweise im Supermarkt und die betroffene Person schlägt um sich und ist stark verkrampft, ist es wichtig, darauf zu achten, dass Kopf, Hände und Arme nirgendwo gegen stoßen und auch nicht auf einen harten Boden knallen«, sagt Hoppe. Eine weiche Jacke, unter den Kopf geschoben, ist beispielsweise schon eine große Hilfe. Festhalten hingegen nicht. Hoppe warnt: »Die Zuckungen können bei einem Anfall sehr stark sein und bergen dann auch eine Verletzungsgefahr für die helfenden Personen.«
Bach sagt zudem: »Viele Betroffene möchten während eines Anfalls auch überhaupt nicht angefasst werden.« Viel wichtiger sei: dabei zu bleiben und gut zu beobachten.
Dass Menschen Schwierigkeiten haben, einen epileptischen Anfall überhaupt zu erkennen und dann auch noch besonnen zu reagieren, dafür zeigt Bach volles Verständnis. Häufig wurde sie schon ins Krankenhaus gebracht, was unnötig war. Dennoch rät auch sie Außenstehenden dazu, einen Rettungswagen zu rufen, wenn diese den Ernst der Lage nicht wirklich gut einschätzen können.
Sie selbst hat ihre Situation derzeit im Griff. Ihre Familie und Freunde wissen Bescheid und können routiniert helfen, wenn sie einen Anfall erleidet. Auch ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen hat sie eingeweiht. Das ist auch ihr Tipp für andere Betroffene: »Es ist erleichternd, wenn man nichts verheimlichen muss. Je mehr Menschen wissen, was sie im Notfall zu tun haben, desto sicherer kann man durch den Alltag gehen«, sagt sie.
Sie spricht anderen Betroffenen Mut zu, sich von ihrer Erkrankung nicht das ganze Leben diktieren zu lassen. Und: andere Menschen immer wieder aufzuklären, um die vielen Mythen und Unwahrheiten über die Epilepsie nach und nach verschwinden zu lassen.