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Hypertonie

Im Alter individuell behandeln

Wann ist Therapiestart?

Im Gegensatz zu den Diagnosekriterien haben sich die Kriterien zum Start einer medikamentösen Therapie und die Zielblutdruckwerte geändert.

Die neue Leitlinie und die SPRINT-Studie (9) empfehlen bereits eine Therapie bei hochnormalem Blutdruck, wenn der Patient ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko oder kardiovaskuläre Erkrankungen hat. Ein sehr hohes Risiko liegt zum Beispiel vor, wenn der Patient Diabetes mellitus mit Endorganschäden hat, signifikante Plaques nachweisbar sind oder eine klinisch relevante kardiovaskuläre Erkrankung über Wochen und Monate, zum Beispiel akuter Myokardinfarkt oder akutes Koronarsyndrom, oder eine schwere chronische Nierenerkrankung vorliegen.

Bei einer Hypertonie Grad 1 mit hohem oder sehr hohem Risiko wird ebenfalls sofort eine medikamentöse Therapie empfohlen (Altersgruppe 18 bis 79 Jahre). Hat der Patient keine weiteren Risiken, zum Beispiel renale Erkrankungen, wird zunächst für drei bis sechs Monate eine Blutdrucksenkung durch Lebensstiländerung versucht. Diese Interventionen sollten immer beibehalten werden; die medikamentöse Therapie ist kein Ersatz dafür.

► Bei Patienten ab 80 Jahren soll eine medikamentöse Therapie erst ab einem Wert von 160 mmHg (Grad 2) begonnen werden, wobei das biologische Alter (Gebrechlichkeit, Organfunktionen) entscheidend ist. Bei diastolischen Werten über 90 mmHg startet die Therapie unabhängig vom Alter.

Empfehlungen zum Zielblutdruck

Auch die Empfehlungen für die Zielblutdruckwerte in der neuen Leitlinie berücksichtigen nun das Lebensalter:

  • Patienten unter 65 Jahren: 130/80 mmHg; Korridor: 120 bis 130 /70 bis 80 mmHg;
  • Patienten über 65 Jahre und leistungsfähige Patienten über 80 Jahre: 130 bis 139/70 bis 79 mmHg;
  • Patienten über 80 Jahre: Richtwert: 140/80 mmHg oder Blutdruckwerte, die gerade noch vertragen werden. Dies gilt auch für geriatrische oder bettlägerige Menschen. Häufig empfinden diese Patienten einen Blutdruckwert von 150/85 mmHg als gut akzeptabel und verträglich.

Mit diesen Zielwerten erreicht man das niedrigste Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder schwere chronische Niereninsuffizienz. Besonders Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom profitieren von einem Therapiebeginn bereits bei hochnormalen Werten. Daher ist die Bewertung des gesamtkardiovaskulären Risikos besonders wichtig. Dieses steigt bei linksventrikulärer Hypertrophie, chronischer Niereninsuffizienz Stadium 3 und/oder Diabetes deutlich an.

Die gute Verträglichkeit der Arzneimitteltherapie hat jedoch Vorrang vor den anzustrebenden Zielwerten. Auch Toleranz und Adhärenz des Patienten werden berücksichtigt. Eine stärkere Senkung wird häufig mit mehr Nebenwirkungen »erkauft«, was dazu führt, dass Patienten eigenständig Tabletten weglassen oder die Medikamente unregelmäßig einnehmen. Daher wird ein »schlechterer« Zielwert akzeptiert, wenn dafür die Adhärenz und damit regelmäßige Tabletteneinnahme gesichert sind.

Neu sind auch die unteren Grenzen der Blutdrucksenkung, da dauerhafte Werte unter 120/70 mmHg sogar das Risiko für kardiovaskulären Tod oder Herzinsuffizienz erhöhen.

► Diese neuen Sichtweisen führen zu einer individualisierten Therapie, die besonders der Verträglichkeit eine sehr hohe Priorität einräumt. Nur wenn Patienten ihre Pharmakotherapie akzeptieren und vertragen, werden sie sie dauerhaft befolgen. Die Adhärenz ist wichtiger, selbst wenn die Zielblutdruckwerte damit höher als gewünscht liegen.

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