Humanitäre Hilfe in der Pandemie |
Brigitte M. Gensthaler |
07.10.2020 14:30 Uhr |
Im Gesundheitszentrum in Villa Zagala in Buenos Aires, Argentinien, sorgt AoG-Projektleiterin Dr. Carina Vetye für die lokale pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung. / Foto: AoG
Apotheker ohne Grenzen (AoG) feiert 2020 sein 20-jähriges Bestehen und hat inzwischen mehr als 2000 Mitglieder. »Unser Ziel ist die Förderung eines nachhaltigen Zugangs zu qualitativ hochwertigen Medikamenten. Wir stärken die Pharmazie als zentrales Element der Gesundheitsversorgung«, berichtete eine AoG-Sprecherin bei der Expopharm Impuls.
Die Organisation arbeite vorranging auf vier Feldern: Nothilfe, Entwicklungszusammenarbeit, Hilfe in Deutschland und Bildungsarbeit. Gehe es in der Nothilfe darum, die akuten Lebensbedingungen in Katastrophensituationen zu verbessern, so ziele die Entwicklungszusammenarbeit auf die nachhaltige Entwicklung von Projekten. AoG unterstütze internationale Partner mit lebenswichtigen Arzneimitteln und pharmazeutischem Know-how. Dabei liege der Fokus auf der Entwicklung lokaler Strukturen, zum Beispiel in Sierra Leone und Tansania.
Das mit Abstand größte Projekt unterhält AoG in Argentinien. Seit 2008 betreibt AoG eine Slum-Apotheke und kooperiert mit lokalen Strukturen. In den prekären Lebensverhältnissen seien viele Menschen chronisch krank und lebten am Existenzminimum. Die Abgabe kostenloser Basis-Arzneimittel bedeute Sicherheit für die Menschen. Dass die Zahnprophylaxe und Schulung von Kindern erfolgreich ist, zeigte eine Untersuchung 2018: Die Anzahl der Kariesfälle in den von AoG betreuten Kindergärten ging deutlich zurück.
Als »Hilfe vor der eigenen Haustüre« bezeichnet AoG Projekte in Mainz, Frankfurt und Berlin, in denen gemeinsam mit lokalen Hilfsorganisationen bedürftige Menschen ohne Krankenversicherung unterstützt werden. In der Bildungsarbeit kläre man vorrangig darüber auf, warum Arzneimittelspenden nicht sinnvoll sind und sogar neue Probleme generieren.
Als »Spagat zwischen Infektionsschutz und Nachhaltigkeit« bezeichnet Apotheker Dr. Andreas Wiegand, Geschäftsführer von Apotheker Helfen (AH), die Entwicklungszusammenarbeit in der Pandemie. Auch nach der Explosion in Beirut, bei der AH die Katastrophenhilfe von Malteser International intensiv unterstützte, gehe es neben der Akuthilfe vorrangig um Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen. Jetzt arbeiten die Helfer daran, die medizinisch-pharmazeutische Versorgung chronisch Kranker zu sichern.
Fokus auf Hygienemaßnahmen: Emely Kugonza, Direktor von Emesco Development Foundation, übergibt handgenähte Mund-Nase-Masken an Distriktvertreter für Gesundheit. Apotheker Helfen unterstützte intensiv die Corona-Präventionsprogramme in Uganda. / Foto: EDF/Apotheker Helfen
In vielen Langzeitprojekten in Afrika hätten die Partnerorganisationen den Fokus auf Infektionsschutz und bessere Hygiene gelegt, berichtet Wiegand. Ganz praktisch: Die Emesco Development Foundation in Uganda baute Handwaschstationen in Dörfern auf und setzte Verantwortliche für Wasser- und Seifennachschub ein. In Sierra Leone konnte Don Bosco Fambul dank der Hilfe von AH große Vorräte an Hygienematerial und Lebensmitteln anlegen, um die Versorgung von Straßenkindern in einem Heim im Lockdown zu sichern.
Ebenso wichtig sei sachliche Aufklärung über das Coronavirus, betonte Wiegand. »Im ugandischen Kibaale-District wurden etwa 850 Radiospots ausgestrahlt und sonntags gab es Talkshows, in denen die Menschen Experten zu Corona fragen konnten.« Multiplikatoren wurden geschult und leisteten Aufklärungsarbeit in den Dörfern. Auch Don Bosco Fambul informierte in Sierra Leone via Radio sachlich über die Pandemie.
Wiegand warnte vor Spätfolgen der Pandemie. Es bereite den Projektpartnern im Senegal und in Nepal große Sorgen, dass deutlich weniger Frauen zur Schwangerenbetreuung in die Mutter-Kind-Häuser kommen. Zudem würden viele akut und chronisch Kranke nicht mehr behandelt, da sie aufgrund von Mobilitätsbeschränkungen nicht mehr zu den Gesundheitsstationen kommen.