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Breit neutralisierende Antikörper

HIV-Impfstoff schneidet in Phase I gut ab

Ein neuer HIV-Impfstoffkandidat, der auf die Bildung von B-Vorläuferzellen abzielt, hat sich in einer Phase-I-Studie als sicher und wirksam erwiesen. Er induzierte – wie erwünscht – die Bildung von breit neutralisierenden Antikörpern.
Christina Hohmann-Jeddi
21.12.2022  14:50 Uhr

Breit neutralisierende Antikörper (bnAb) sind so etwas wie der heilige Gral der HIV-Impfstoffforschung. Denn in den fast 40 Jahren seit der Entdeckung des HI-Virus ist es nicht gelungen, eine effiziente Vakzine gegen den Aidserreger zu entwickeln. Der Hauptgrund hierfür ist die hohe Mutagenität und antigene Diversität des Virus. Einmal gebildete Antikörper gegen bestimmte Antigene laufen häufig ins Leere, weil sich diese schon wieder geändert haben.

Anders ist dies bei breit neutralisierenden Antikörpern. Sie können, weil sie an konservierten Epitopen ansetzen, eine ganze Bandbreite von Virusvarianten neutralisieren. Um die Bildung dieser bnAb zu erreichen, hat ein Team um Dr. David Leggat vom U.S. Military HIV Research Program einen HIV-Impfstoffkandidaten mit einem besonderen Ansatz entwickelt: Er setzt nicht bei der Bildung von antikörperbildenden B-Zellen, sondern bei deren Vorläuferzellen an.

Bei diesem sogenannten Germline Targeting soll ein Impfstoff als Primer gezielt die seltenen Vorläuferzellen von bnAb-bildenden B-Zellen gegen ein bestimmtes Epitop stimulieren, wodurch sich dann die Zahl der bnAb-bildenden B-Zellen erhöht. Hierfür sei wiederholtes Boostern (sequenzielles Impfen) mit einer Serie von Antigenen nötig, heißt es in der Publikation im Fachjournal »Science«, in der Leggat zusammen mit Kollegen vom Scripps Research Institute in La Jolla, vom Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle und von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda ihre Ergebnisse vorstellt.

In der Phase-I-Studie IAVI G001 untersuchte das Team den ersten Schritt der sequenziellen Impfung mit dem Impfstoffkandidaten eOD-GT8. Dieser enthält als Immunogen Nanopartikel aus 60 Kopien der optimierten äußeren Domäne des HIV-Glykoproteins gp120 (engineered Outer Domain, Germline-Targeting Version 8, eOD-GT8) sowie den Wirkverstärker AS01. Gp120 bildet mit gp41 Heterodimere, die sich wiederum mit jeweils drei Kopien zu dem Hüllprotein Env zusammenlagern, über das das HI-Virus in Wirtszellen gelangt. Das Epitop war so ausgewählt worden, dass es eine Reihe von Vorläufern von bnAb-bildenden B-Zellen einer bestimmten Klasse binden und so stimulieren kann.

Im Rahmen der Phase-I-Studie erhielten 48 gesunde Probanden entweder zwei Dosen des adjuvantierten Nanopartikel-Impfstoffs in hoher Dosierung (100 µg), in niedrigerer Dosierung (20 µg) oder zweimal Placebo im Abstand von jeweils acht Wochen. Der Impfstoff habe ein gutes Sicherheitsprofil gezeigt, berichten die Forschenden. Zudem habe er die gewünschten Vorläuferzellen bei 35 von 36 Geimpften (97 Prozent) induziert.

Eine genauere Analyse der Immunantwort zeigte, dass pro Person etwa 30 bis 65 verschiedene Vorläuferzellen stimuliert wurden, die sich dann vermehrten. Durch die Boosterung ließ sich die Bindung der entstehenden Antikörper an das Impfantigen weiter steigern, berichten die Forschenden. Die B-Zellen entwickelten sich in die richtige Richtung.

Das Team sieht durch diese Proof-of-Principle-Studie den Ansatz des Germline Targeting bestätigt. »Die Daten demonstrieren erstmals, dass die Entwicklung eines Impfstoffs möglich ist, der zu maßgeschneiderten Antikörpern führt«, erklärt Seniorautor Professor Dr. William Schief vom Scripps Research Institute in einer Mitteilung. »Wir glauben, dass diese Strategie der Impfstoffentwicklung entscheidend sein wird, um zu einem effizienten HIV-Impfstoff zu kommen, und auch dazu beitragen kann, gegen andere schwierige Erreger Vakzinen zu entwickeln.« Jetzt müssten noch geeignete Booster-Impfstoffe entwickelt werden, die die B-Zellreifung in die richtige Richtung lenken, sodass ausreichend bnAb entstehen.

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