Pharmazeutische Zeitung online
Medikationsmanagement

Herzinsuffizienz-Patienten brauchen apothekerliche Hilfe

Herzinsuffizienz gehört zu den Volkskrankheiten und ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Apotheken können viel für diese Patienten tun. Was genau, war Thema einer Fortbildung auf Langeoog.
Daniela Hüttemann
10.09.2025  16:20 Uhr

Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland haben eine Herzinsuffizienz. »Dabei schafft es das Herz nicht mehr, den Organismus ausreichend mit Blut zu versorgen und damit den Stoffwechsel unter Ruhe- wie unter Belastungsbedingungen zu gewährleisten«, erklärte Apotheker Kai Girwert vergangene Woche beim gemeinsamen Fortbildungskongress der Apothekerkammern Niedersachsen und Westfalen-Lippe auf Langeoog. Zu den Kernsymptomen gehören Dyspnoe, verminderte körperliche Leistungsfähigkeit und Ödemneigung.

Eine Herzinsuffizienz gehört zu den häufigsten Gründen für eine Krankenhauseinweisung und die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei nur etwa 50 Prozent. »Die Hälfte der Patienten ist aber gut therapierbar«, versicherte Girwert und ging auf die aktuelle leitliniengerechte Therapie ein. »Eine optimierte Behandlung kann das Mortalitätsrisiko bei chronischer Herzinsuffizienz um bis zu 60 Prozent senken«, betonte der Referent.

Wie wird die Herzinsuffizienz eingeteilt?

Dabei sei Herzinsuffizienz nicht gleich Herzinsuffizienz. Das sei auch für Apotheker wichtig zu wissen, wenn sie eine Medikationsanalyse durchführen. Denn von der genauen Unterform hängen auch die Therapieempfehlungen ab.

Unterschieden wird zum einen zwischen der akuten und chronischen Herzinsuffizienz (Heart Failure, HF). Entscheidend ist dann, wie es um die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) steht, also um das Vermögen der linken Herzkammer, das Blut in den Körper zu pumpen. Bei einer LVEF ≥ 50 Prozent spricht man noch von erhaltener (preserved) Auswurffraktion, daher die Abkürzung HFpEF. Liegt die Auswurffraktion zwischen 40 und 49 Prozent, spricht man von geringgradiger Einschränkung (mild reduced), abgekürzt HFmrEF. Die schwerste Form ist die HFrEF mit einer reduzierten (reduced) LVEF von unter 40 Prozent. Anhand der Symptomatik werden die Patienten zudem den sogenannten NYHA-Stadien I bis IV zugeteilt.

»Fantastic Four« für alle mit reduzierter Auswurffraktion

Seit 2021 wird bei Herzinsuffizienz mit HFrEF direkt ab Diagnose eine Viererkombi empfohlen, die sogenannten »Fantastic Four«: ein ACE-Hemmer, Sartan oder ARNI plus Betablocker plus Mineralcorticoid-Rezeptorantagonist plus SGLT-2-Inhibitor. Alle vier Medikamentenklassen konnten anhand harter Endpunkte zeigen, dass sie die Prognose verbessern. Da sie an unterschiedlichen Stellen ansetzen, wirken sie synergistisch – und keiner der vier Wirkstoffe sollte fehlen. Diuretika beeinflussen nicht die Prognose, werden aber häufig zur Symptomkontrolle bei Volumenüberladung gegeben.

Für die anderen beiden Formen der Herzinsuffizienz ist die Evidenz noch nicht ganz so eindeutig. SGLT-2-Inhibitoren und Diuretika werden allen Patienten empfohlen, bei HFmrEF können die anderen drei der Fantastic Four erwogen werden. Bei der HFpEF wird explizit empfohlen, die Begleiterkrankungen zu therapieren. Da Apothekern in der Regel keine genauen Diagnosen vorliegen, sollte man vorsichtig in der Kommunikation mit dem Arzt sein, wenn man meint, es fehle ein Medikament, riet Girwert.

Grundsätzlich richte sich die Auswahl, Dosierung und Reihenfolge der Initiierung der Medikation nach dem Nebenwirkungsspektrum, individueller Verträglichkeit und Begleiterkrankungen. »Zur besseren Verträglichkeit werden nicht mehr als zwei Arzneimittel gleichzeitig auftitriert«, erklärte Girwert. Die Aufdosierung erfolge in zwei- bis vierwöchentlichen Intervallen bis zur Zieldosis oder nach individueller Verträglichkeit. Die Austitrierung einer Substanz sei nicht Bedingung für die Initiierung einer weiteren Substanz. Girwert ging ausführlich auf die einzelnen Medikamentenklassen ein und hatte auch ein Fallbeispiel dabei.

Keine unnötige Selbstmedikation bei Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz-Patient haben allein aufgrund des Alters meist noch mehr Medikamente einzunehmen, was zu einer hohen Tablettenlast und Interaktionen führen kann und die Adhärenz auf eine harte Probe stellt.

Bereits vor einigen Jahren konnte mit der PHARM-CHF-Studie gezeigt werden, dass eine apothekenbasierte, interdisziplinäre Betreuung die Einnahmetreue und Lebensqualität von Patienten mit Herzinsuffizienz verbessert. Für Girwert ist klar: »Apotheken sollen in die Versorgung herzinsuffizienter Patienten eingebunden werden!«

Pharmazeutisch kann man schauen, ob sich Einnahmepunkte zusammenlegen lassen, ob es passende Kombipräparate gibt oder auch passende Stärken, um ein Teilen der Tabletten zu vermeiden. Komorbiditäten sollen mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Herzinsuffizienz und ihrer Therapie behandelt werden.

Medikationsanalyse: Die Fantastischen Vier priorisieren

Girwert riet, die »Fantastic Four« bei Vorschlägen zur Medikationsoptimierung zu priorisieren und auf Wirkstoffe hinzuweisen, die die Herzinsuffizienz potenziell verschlechtern könnten. »Wir sollten auch auf Verordnungskaskaden achten und von unnötiger Selbstmedikation abraten«, so der Apotheker.

Typische Selbstmedikationswünsche von Herzinsuffizienz-Patienten seien Vitamin D und Vitamin-B-Komplex, Eisen, Entwässerungstees und -kapseln sowie »etwas für die Blase« (nächtliches Wasserlassen), Hustenstiller für die Nacht (Dyspnoe und trockener Husten), Kreislauftropfen oder Phytopharmaka mit Knoblauch, Mistel, Weißdorn oder Johanniskraut. Wichtiger sei jedoch die leitliniengerechte medikamentöse Therapie.

Apotheker sollten nachfragen, welche Beschwerden dahinter stecken und ob sie ein Symptom der (nicht ausreichend) behandelten Erkrankung sind oder eine mögliche Nebenwirkung. »Wer durch die Herzinsuffizienz schlecht Luft bekommt, dem helfen nicht unbedingt hohe Dosen Salbutamol oder ein Hustenstiller.«

Wirkweise erklären, Adhärenz steigern

»Sie unterstützen die Adhärenz, indem Sie die Gesundheitskompetenz Ihrer Patienten erweitern. Erklären Sie den Patienten, wofür die einzelnen Medikamente sind und wie sie wirken«, ermunterte Girwert. Zudem können Apotheker noch weitere Tipps geben, zum Beispiel den Eisen-Wert im Blick zu behalten, sich täglich zu wiegen (eine plötzliche Gewichtszunahme kann auf Ödembildung und eine akute Dekompensation hindeuten), den Blutdruck regelmäßig zu messen, sich die nötigen Schutzimpfungen geben zu lassen und mit dem Rauchen aufzuhören. Bei einigen dieser Punkte können Apotheken unterstützen. Auch das Stellen der Medikation könne gerade diesen Patienten helfen.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa