Herz und Immunsystem leiden mit |
Brigitte M. Gensthaler |
04.09.2020 14:00 Uhr |
Steht die rheumatische Erkrankung im Fokus, werden Komorbiditäten leicht übersehen. Schlecht für die Patienten! / Foto: Shutterstock/Image Point Fr
Rheumapatienten gehen meist wegen Schmerzen an Gelenken und Muskeln zum Arzt, aber der Entzündungsprozess ist nicht auf Gelenke und Bewegungsapparat beschränkt. »Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind Systemerkrankungen, die viele Organe betreffen und Begleiterkrankungen begünstigen können«, berichtete Professor Dr. Andreas Krause, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), bei einer online-Pressekonferenz der Fachgesellschaft.
»Die Zahl der Begleiterkrankungen ist erstaunlich hoch. Bis zu 80 Prozent aller Patienten mit rheumatoider Arthritis leiden an mindestens einer Begleiterkrankung oder Organmanifestation.« Bei manchen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie Kollagenosen sei schon lange bekannt, dass sie Haut, Nieren und Nerven befallen können. Dies gelte ebenso für Vaskulitiden, so der Rheumatologe vom Immanuel Krankenhaus Berlin. Auch das klassische Gelenkrheuma (rheumatoide Arthritis, RA) könne Lunge und andere Organe beeinträchtigen. Sogenannte interstitielle Lungenerkrankungen können bei manchen rheumatischen Erkrankungen schon früh im Krankheitsverlauf auftreten und diesen dann mitbestimmen.
Zu den wichtigsten Komorbiditäten zählte Krause kardiovaskuläre Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, Herzinfarkt oder Schlaganfall, die zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten mit RA und anderen chronisch-rheumatischen Erkrankungen gehören. Er empfahl dringend, auf Risikofaktoren wie familiäre Disposition, Rauchen oder Diabetes mellitus zu achten und die Patienten umfassend zu behandeln.
Rheumapatienten haben ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen – aus verschiedenen Gründen. »Eine schlecht kontrollierte, hoch entzündliche Erkrankung steigert das Infektionsrisiko erheblich«, berichtete der Arzt. Hinzu kämen Organschäden, Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und eine immunsuppressive Therapie. »Eine sachgerechte Therapie, möglichst ohne Corticoide, kann dieses Risiko jedoch korrigieren.« Basistherapeutika und insbesondere Biologika können die Entzündungsaktivität deutlich vermindern und sind in der Dauertherapie besser verträglich und nebenwirkungsärmer als Corticoide.
Krause rügte den oft unkritischen Dauereinsatz von Glucocorticoiden. »Es wird zu häufig und zu lange mit Corticoiden behandelt. Das Problem ist, dass niedrig dosiertes Cortison häufig als unproblematisch angesehen wird, aber das stimmt nicht. Es gibt keine ungefährliche Schwellendosis.« Er plädierte dafür, konsequent an der Reduktion und möglichst dem Absetzen des Steroids zu arbeiten. Dies bestätigte DGRh-Präsident Professor Dr. Hendrik Schulze-Koops. Es gebe Hinweise, dass eine Corticoidgabe länger als sechs Monate keinen positiven Effekt auf die Reduktion der Aktivität einer rheumatoiden Arthritis hat. »Bei RA müsste es gelingen, Corticoide abzusetzen.«