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Hat Spahn die Masken-Verteilaktion gegen Widerstände durchgesetzt?

Viele Apotheker werden sich an den Dezember erinnern, als das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Schutzmasken-Verordnung aus dem Boden stampfte. Die Apotheker wurden beauftragt, in drei Abgabewellen 34 Millionen Menschen mit FFP2-Masken zu versorgen. Kostenpunkt: Mehr als 2 Milliarden Euro. Berichte eines Recherche-Teams legen nahe, dass sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dabei gegen den Rat von Experten stellte.
Benjamin Rohrer
Stephanie Schersch
18.03.2021  14:14 Uhr

Mit der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung überraschte der Bundesgesundheitsminister Mitte Dezember nicht nur viele Patienten, sondern auch die Apotheker. Innerhalb weniger Tage wurde eine Verordnung in Umlauf gebracht, die ein völlig neues Abgabe- und Abrechnungsverfahren vorsah. In einer ersten Welle sollten Apotheker im Dezember noch selbst entscheiden, ob ihre Patienten zu einer Risikogruppe gehören und diesen Patienten kostenlose FFP2-Masken aushändigen. Dafür erhielten sie eine pauschale Vergütung, die anhand der abgegebenen Rx-Packungen berechnet wurde.

In der zweiten und dritten Masken-Abgabewelle (letztere läuft noch) sollen Apotheker Risikopatienten nach Vorlage eines Gutscheins ihrer Krankenkasse jeweils sechs Masken aushändigen. Die Pharmazeuten erhielten pro Maske zunächst 6 Euro und dann 3,90 Euro und können die Vergütung über ihre Rechenzentren abwickeln. Hinzugekommen sind inzwischen auch Arbeitssuchende, die in der Apotheke einen Berechtigungsbrief vorlegen müssen. Alleine die Verteilung der Masken an Risikopatienten richtet sich an rund 34 Millionen Menschen in Deutschland. Rechnet man die Kosten aller drei Abgabewellen zusammen, kommt man auf einen Betrag von deutlich mehr als 2 Milliarden Euro.

Spahn drängte auf einen Änderungsantrag 

Für die Höhe der Vergütung war Spahn bereits vor mehreren Wochen heftig kritisiert worden, weil die Maskenpreise inzwischen gesunken waren. Der Minister reagierte und senkte die Vergütung von 6 Euro auf nunmehr 3,90 Euro. Und trotzdem steht der Minister weiter am Pranger für sein Vorgehen. Ein Recherche-Team von Journalisten der »Süddeutschen Zeitung« sowie von »WDR« und »NDR« veröffentlichte am gestrigen Mittwochabend berichte über BMG-interne Unterlagen, aus denen hervorgehen soll, dass Spahn schon früher von seinen Ministeriumsexperten darauf hingewiesen worden war, dass die 6-Euro-Vergütung »gravierende Finanzwirkungen« nach sich ziehen könnte.

Den Berichten zufolge haben die Berater den Minister bereits vor Inkrafttreten der Verordnung  darauf aufmerksam gemacht, dass viele der Anspruchsberechtigten selbst in der Lage seien, die Masken zu finanzieren. Insgesamt neun Referate haben demnach ein Papier unterzeichnet, in dem sie sich für einen »Verzicht auf die Verordnungsfähigkeit von FFP2-Schutzmasken« aussprechen. Wie viele Referate insgesamt in die Beratungen einbezogen wurden, ist nicht bekannt. Spahn soll den Berichten zufolge trotz der Widerstände handschriftlich auf dem Papier notiert haben: »Nein, bitte um kurzfristige Erarbeitung eines Änderungsantrages.«

Schon im Bundestag hatte das BMG vor einigen Wochen erklärt, warum die Apotheken beauftragt wurden und wie die Höhe der Vergütung zustande kam. Auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hatte das Ministerium erklärt, eine Markterhebung im Herbst habe ergeben , dass der Durchschnittspreis für FFP2-Masken damals bei 4,29 Euro gelegen habe. Was die Beauftragung der Apotheker betrifft, hatte das BMG auf das Logistik-Netzwerk der Apotheker und Großhändler sowie auf das Engagement der Pharmazeuten während der Coronavirus-Pandemie hingewiesen. In der aktuellen Recherche von »SZ«, »WDR« und »NDR« wird auf diese Markterhebung näher eingegangen. Aus den BMG-Unterlagen geht demnach hervor, dass das Ministerium im Herbst die Unternehmensberatung Ernst & Young beauftragt hatte. Diese wiederum hatte sich die Preise auf Internetportalen wie »geizhals.de« oder »Idealo« angeschaut und als Referenz genommen.

ABDA: Großer Aufwand in den Apotheken

Die ABDA wies in einem Statement darauf hin, dass die Apotheken sehr kurzfristig und „«quasi über Nacht« mit der schwierigen Aufgabe der Masken-Ausgabe betraut worden seien. »Verlässliche alternative Versorgungswege standen nicht zur Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt waren Schutzmasken am Markt nur begrenzt zu bekommen, und die Preise waren höher als heute und zudem stark schwankend. Die Apotheken hatten erheblichen Aufwand damit, die Masken rechtzeitig zu besorgen, Angebote zu sichten und die Qualität der Masken zu beurteilen. Sie haben den Einkauf von zum Teil großen Kontingenten vorfinanziert und dafür teilweise Kredite aufgenommen. Sie mussten Masken aus größeren Gebinden umverpacken und die Anspruchsberechtigung der Patienten überprüfen. Viele Betriebe haben zusätzliches Personal mobilisiert und bauliche Veränderungen vorgenommen, um dem Ansturm der Patienten Herr zu werden und auch mit denjenigen zu sprechen, für die nicht sofort Masken verfügbar waren«, erklärte die Bundesvereinigung.

Was die Vergütungshöhe betrifft, weist die ABDA erneut darauf hin, dass das BMG die Höhe selbst per Verordnung bestimmt und im Februar wie oben erwähnt abgesenkt habe. »Die Apotheken müssen aus dieser Vergütung nicht nur den Einkauf der Masken, sondern auch alle übrigen Kosten für Vorfinanzierung und Personal bestreiten. Die Vergütung war deshalb keinesfalls überhöht«, so die Schlussfolgerung der Standesvertretung.

Darüber hinaus verweist die ABDA darauf, dass die Apotheken unterschiedliche Kostenstrukturen haben. »Insofern kann es sein, dass die Vergütung für eine sehr günstig wirtschaftende Apotheke auskömmlicher war als für andere.« Die Standesvertretung kritisiert auch solche Apotheker, die die Masken-Aktion »offensichtlich für individuelle Marketingzwecke eingesetzt haben«. Dadurch entstehe der falsche Eindruck, dass die Betriebe »unangemessene Gewinne« erzielt hätten.

Das BMG verteidigt die Entscheidung aus dem Dezember offiziell. Diese sei auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz von Mitte November zurückgegangen, insgesamt 15 Schutzmasken an vulnerable Gruppen zu verteilen, erklärte das Ministerium auf Nachfrage. Die Apotheken seien in der Lage gewesen, »die Beschaffung der Masken, deren Prüfung und die Beratung der Anspruchsberechtigten zu sichern«. Daher habe man diesen Weg gewählt. Auch die Höhe der Honorierung war aus Sicht des BMG richtig gewählt, um Betriebskosten und die Ausgaben für Beschaffung, Beratung und das wirtschaftliche Risiko der Apotheker aufzufangen. Zudem habe auch das Bundesfinanzministerium der Vergütung ausdrücklich zugestimmt, so das BMG. Nachfragen zur internen Entscheidungsfindung über die Maskenaktion wollte das Gesundheitsministerium nicht beantworten. 

Grüne kritisieren »denkbar teuersten Weg«

Alarmiert zeigten sich die Vize-Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Maria Klein-Schmeink und Anja Hajduk. Das schlechte Krisenmanagement des Ministers werde zu einer finanziellen Belastung für den Staat, erklärten beide in einer gemeinsamen Pressemitteilung. »Seine intransparente Maskenvergabe unter Einbeziehung der Apotheken hat voraussichtlich 2 Milliarden Euro Steuermittel verschwendet.« Bereits im Februar hatten die Grünen massive Kritik an der Vergütung der Maskenaktion geübt und Spahn damit maßgeblich zur Kürzung der Honorierung gedrängt. Zwar sei es wichtig, allen Menschen Zugang zu sicheren Atemschutzmasken zu gewähren und die Entscheidung des Ministers im Dezember daher überfällig gewesen, so Hajduk und Klein-Schmeink. Dennoch habe Spahn »ohne Plan und klaren Kompass« gehandelt. Alternativen habe er nicht geprüft und mit den Apotheken stattdessen den denkbar teuersten Weg gewählt, heißt es. »Das Ergebnis ist erneut ein finanzielles Fiasko und viel verbranntes Geld, das an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden könnte.« Eine solche Verschwendung dürfe sich bei der Abgabe der Schnelltests keinesfalls wiederholen, betonen die Grünen.

 

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