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Kinderkrankheiten

Harmloser Infekt oder Wolf im Schafspelz?

Bakterielle und virale Infektionen bei Babys und Kleinkindern werden oft als »Kinderkrankheiten« verharmlost. Doch Masern, Mumps, Windpocken oder Pertussis können schwer verlaufen und Folgeschäden auslösen. Was sollten Apotheker über Therapie und vor allem Prävention wissen?
Barbara Staufenbiel
18.03.2021  11:00 Uhr

Keime werden auf verschiedenen Wegen übertragen und sind unterschiedlich infektiös. So gelangen beispielsweise die Erreger von Windpocken, Masern oder grippalen Infekten durch Husten, Niesen oder Sprechen in die Atemluft und werden via Tröpfcheninfektion übertragen. Bei einer Schmierinfektion, zum Beispiel mit Noro- oder Rotaviren, haftet der Erreger an Handflächen oder Gegenständen und wird durch die Berührung auf andere Menschen übertragen. Diese Viren können auch an Lebensmitteln haften; manche Bakterien bilden darin Toxine. Zur Infektion kommt es durch den Verzehr des kontaminierten Produkts.

Gegen viele »Kinderkrankheiten« kann heute effizient geimpft werden. Allerdings befürchten manche Eltern, ihre Kleinen mit Impfungen zu überfordern oder ihnen damit zu schaden. Das Apothekenpersonal sollte sie sachlich über die Sinnhaftigkeit und potenziellen Nebenwirkungen von Impfungen, aber auch über die Risiken der impfpräventablen Infektionskrankheiten aufklären. Dieser Titelbeitrag gibt einen Überblick über einige systemische Infektionskrankheiten im Baby- und Kleinkindalter, deren Behandlung und mögliche Impfprophylaxe.

Grundsätzlich zu unterscheiden sind viral bedingte Erkrankungen wie Masern, Mumps und Röteln von bakteriell ausgelösten Infektionen wie Scharlach, Keuchhusten und Diphtherie. Zunächst zu den Viren.

Viral bedingtes Dreitagefieber

Das Dreitagefieber (Exanthema subitum, Roseola infantum) betrifft überwiegend Kinder im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren und wird vom humanen Herpesvirus Typ 6 (HHV-6) ausgelöst. Die hoch ansteckende Erkrankung wird per Tröpfcheninfektion übertragen und führt zu lebenslanger Immunität.

Nach der Inkubationszeit von etwa 7 bis 15 Tagen setzt meist hohes Fieber (39,5 bis 40,5 °C) ein, begleitet in seltenen, entsprechend disponierten Fällen von einem Fieberkrampf. Erkältungssymptome, Durchfall oder Erbrechen sind Begleitsymptome. Charakteristisch ist der plötzliche Fieberabfall nach drei bis vier Tagen, gefolgt von einem ein bis zwei Tage dauernden, meist beschwerdefreien Ausschlag mit kleinen roten Flecken am ganzen Körper. Die Ansteckungsgefahr ist jetzt vorbei.

Das Dreitagefieber ist an sich eine harmlose Erkrankung. Hohes Fieber führt jedoch zu starkem Flüssigkeitsverlust, der ausgeglichen werden muss. Vor allem bei Kindern, die mit Fieberkrämpfen reagieren, ist eine frühzeitige Fiebersenkung sinnvoll. Das Apothekenpersonal sollte die richtige Dosierung der Antipyretika und die richtige Applikation von Fieberzäpfchen (Kasten) erklären. Es gibt keine Schutzimpfung.

Hoch ansteckende Masern

Paramyxoviren sind hoch infektiös und werden durch Tröpfcheninfektion oder Sekretkontakt übertragen. Die Inkubationszeit bei Masern (Morbilli) beträgt acht bis zehn Tage.

Auf ein wenig charakteristisches Prodromalstadium mit Entzündung der mittleren und oberen Schleimhäute, Schnupfen, Husten, Halsschmerzen, weißen Belägen der Mundschleimhaut (Koplik-Flecken) oder Konjunktivitis folgt das über vier bis fünf Tage anhaltende typische Exanthem-Stadium. Innerhalb von 24 Stunden breitet sich ein großfleckiger Ausschlag, der hinter den Ohren beginnt, über den ganzen Körper aus. Fieber bis 41 °C verläuft in zwei Wellen, deren Gipfel die beiden Krankheitsstadien kennzeichnen. Masernkranke sind drei bis fünf Tage vor Ausbruch des Hautausschlags und bis vier Tage danach ansteckend.

Die symptomatische Therapie umfasst Antitussiva, Antipyretika, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Bettruhe, bei Augenbeteiligung in abgedunkelten Räumen. Bei schmerzhaften Läsionen der Mundschleimhaut erleichtern in kleinen Mengen aufgetragene Lokalanästhetika (Cremes, Gele) die Nahrungsaufnahme.

Eine Masern-Infektion kann durch erhöhte Zytokinspiegel und den Befall der T-Lymphozyten eine starke Schwächung des Immunsystems auslösen, die über einige Monate anhalten kann. Dies ist gefährlich, denn der Körper ist anfälliger für bakterielle Sekundärinfektionen wie eine Pneumonie oder Otitis media. Diese werden antibiotisch behandelt.

Die Meningoenzephalitis (Entzündung der Gehirnhäute) mit einer Letalität von 10 Prozent und die seltene, erst Jahre später auftretende und immer tödlich verlaufende subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE, Entzündung des Gehirns) sind schwere Komplikationen.

Die Schutzimpfung mit zwei Impfungen im Abstand von drei Monaten (Masern-Mumps-Röteln mit/ohne Varizellen, MMR oder MMRV) ist die einzig wirksame Prophylaxe; dies sollte das Apothekenpersonal deutlich machen. Die Masernimpfung ist eine Lebendimpfung. Seit Anfang 2020 besteht eine Impfpflicht (Masernschutzgesetz). In Deutschland ist kein Einzelimpfstoff im Handel; dieser kann von der Apotheke aber besorgt werden.

Üblicherweise erfolgt die erste Impfung der Grundimmunisierung im elften Monat, die zweite im 15. Monat (Tabelle 1). Vor dem Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung können Säuglinge auch schon ab dem neunten Monat geimpft werden. Die zweite Dosis sollte dann im zwölften Monat folgen.

Erkrankung Erreger Infektionsweg/Kontagiosität (in Prozent) Behandlung Impfkalender des RKI*
Dreitagefieber humane Herpesviren Typ 6 (HHV-6) Tröpfchen Antipyretika kein Impfschutz
Masern Paramyxoviren (Genus Morbillivirus) Tröpfchen/95 Antipyretika, Antitussiva, bei bakterieller Superinfektion Antibiotika 1. Impfung ab 11. und 2. Impfung ab 15. Lebensmonat
Mumps Mumpsvirus Tröpfchen/80 Antipyretika, Analgetika, Corticoide 2. Impfung ab 11. und 2. Impfung ab 15. Lebensmonat
Röteln Rötelnvirus Tröpfchen/50 Analgetika, Antipyretika 3. Impfung ab 11. und 2. Impfung ab 15. Lebensmonat
Windpocken Varicella-zoster-Virus (VZV) Tröpfchen/90 Antipyretika, bei Bedarf Virustatika (Aciclovir, Brivudin), Antipruriginosa 4. Impfung ab 11. und 2. Impfung ab 15. Lebensmonat
Ringelröteln Parvovirus B19 Tröpfchen Antipyretika, Analgetika, Antipruriginosa kein Impfschutz
Gastroenteritiden Noroviren Schmier- und Tröpfcheninfektion orale Elektrolyte, Antipyretika, Antiemetika kein Impfschutz
Gastroenteritiden Rotaviren Schmierinfektion orale Elektrolyte, Antipyretika, Antiemetika Schluckimpfung nach Impfschema
Tabelle 1: Übersicht über die wichtigsten, viral bedingten systemischen Infektionskrankheiten im Kindesalter; bis auf Dreitagefieber und Ringelröteln sind alle Infektionen meldepflichtig.

Mumps: Gefahr für die Fertilität

Mumps (Ziegenpeter, Bauernwetzel, Wochentölpel, Parotitis epidemica) wird verursacht durch das Mumpsvirus, ein behülltes einzelsträngiges Negativstrang-RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviridae (Tabelle 1). Es ist eine ansteckende Kinderkrankheit (Tröpfcheninfektion), die zu lebenslanger Immunität führt.

Nach der Inkubationszeit von 12 bis 25 Tagen kommt es zu Allgemeinsymptomen wie Übelkeit, Fieber, Hals- und Ohrenschmerzen. Hauptsymptom ist die meist einseitige Schwellung der Ohrspeicheldrüse (Hamsterbacke). Jede Bewegung des Mundes führt zu starken Schmerzen. Ansteckungsgefahr besteht jeweils eine Woche vor und nach der Schwellung.

Virusbedingte Komplikationen sind vor allem die Hirnhautentzündung (Mumps-Meningitis) und die Schädigung des Hörnervs mit ein- oder beidseitiger Ertaubung. Bei Jungen kann es zur Hodenentzündung (Orchitis) und damit verbundenem Risiko der Unfruchtbarkeit kommen, bei Mädchen zur Eierstockentzündung. Die Viruserkrankung wird symptomatisch mit Analgetika und Antipyretika behandelt, Corticoide sind bei Komplikationen indiziert.

Die einzig wirksame Vorbeugung der meldepflichtigen Erkrankung ist die Schutzimpfung mit zwei Einheiten im Abstand von drei Monaten (MMR oder MMRV).

Virale Infektionskrankheiten: geschwollene Ohrspeicheldrüse bei Mumps … / Foto: Prof. Dr. Dr. F. C. Sitzmann, DGK
… sowie Hautausschläge bei Masern … / Foto: Prof. Dr. Dr. F. C. Sitzmann, DGK
… und Röteln / Foto: Prof. Dr. Dr. F. C. Sitzmann, DGK

Röteln: Vorsicht in der Schwangerschaft

Röteln sind eine hoch ansteckende Infektionserkrankung, die durch das Rötelnvirus, ein genetisch stabiles RNA-Virus aus der Familie der Togaviridae, hervorgerufen und vorwiegend über Tröpfcheninfektion verbreitet wird. Nach einer Inkubationszeit von 14 bis 21 Tagen zeigen sich zunächst allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, schmerzhaft geschwollene Lymphknoten und vergrößerte Milz, gefolgt von einem drei bis vier Tage anhaltenden Masern-ähnlichen Hautausschlag, der leicht mit anderen Exanthemen verwechselt werden kann. Jeweils eine Woche vor und nach diesen Hautzeichen besteht hohe Ansteckungsgefahr.

Der Krankheitsverlauf kann sehr unterschiedlich sein, manche Infizierte zeigen keinerlei Symptome. Die Behandlung erfolgt mit Analgetika oder Antipyretika. Gelenkentzündungen, Bronchitis, Myo- und Perikarditis oder Otitis media sind mögliche Komplikationen.

Die Röteln-Infektion während einer Schwangerschaft ist gefürchtet, da es zu Fehlbildungen des Embryos kommen kann. Daher sollten Mädchen spätestens mit Erreichen des Fortpflanzungsalters geimpft sein. Die zweimalige Impfung im Abstand von drei Monaten (MMR oder MMRV) schützt und erfolgt normalerweise bei beiden Geschlechtern schon im Kleinkindalter (Tabelle 1).

Windpocken: Juckreiz behandeln

Windpocken (Wasserpocken, Spitzblattern, Varizellen) werden durch das Varicella-zoster-Virus (VZV) verursacht. Die Inkubationszeit beträgt 12 bis 28 Tage. Typische Symptome sind stark juckende rote Flecken an Kopf, Körper und Schleimhäuten (Mundhöhle, Auge, Genitalbereich) sowie Fieber. Die Flecken wandeln sich schnell in Bläschen und Pusteln um, die verkrusten und eintrocknen. Ansteckungsgefahr besteht zwei Tage vor bis sieben Tage nach Auftreten der Exantheme.

Das Apothekenpersonal sollte darauf hinweisen, dass Kratzen zu bakteriellen Superinfektionen und Narben führen kann. Im Vordergrund steht die Behandlung des Juckreizes lokal mit Zinkoxid (austrocknende wundheilende Wirkung) und Lidocain (anästhetisch wirksam) oder oral mit Antihistaminika. Die antivirale Behandlung mit Aciclovir oder Brivudin ist bei nur schweren Verläufen indiziert.

Das Varicella-zoster-Virus verbleibt lebenslang in den Spinalganglien des Rückenmarks. Die Reaktivierung führt im Erwachsenenalter zur Gürtelrose (Herpes zoster). Komplikationen wie Hirnhaut- oder Lungenentzündung sind möglich, vor allem wenn sich Erwachsene anstecken. Gefährlich ist die Infektion während der Schwangerschaft mit dem Risiko von Fehlbildungen beim Embryo und der lebensbedrohlichen Gefährdung von Mutter und Neugeborenem.

Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die zweimalige Impfung mit dem Kombinationsimpfstoff MMRV. Personen, die noch keine Windpocken durchgemacht haben oder nicht nach dem STIKO-Kalender geimpft wurden, sollten im Alter zwischen 9 und 17 Jahren die Impfung nachholen. Die Varizellen-Impfung im Kindes- oder Jugendalter bietet auch einen individuellen Schutz gegenüber einer schwereren Verlaufsform eines Herpes zoster.

Magen-Darm-Infektionen durch Noro- oder Rotaviren

Die verschiedenen Genotypen des Norovirus sind weltweit verbreitet. Kinder unter fünf Jahren und ältere Personen über 70 sind besonders anfällig. Die Ansteckung erfolgt fäkal-oral oder durch virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen.

Nach einer Inkubationszeit von 6 bis 50 Stunden kommt es zu Gastroenteritiden mit heftigem Erbrechen, starken Durchfällen und erheblichem Flüssigkeitsdefizit. Ein starkes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit und Fieber hält über 12 bis 48 Stunden an. Leichtere Verläufe sind möglich.

Der Schwerpunkt der symptomatischen Therapie liegt auf dem Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten, denn Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen sind bei Dehydrierung besonders gefährdet. Fieber und Erbrechen werden mit Antipyretika oder Antiemetika behandelt. Da es bei Kindern unter drei Jahren zu schweren Nebenwirkungen (Krampfanfällen) bei der Behandlung mit Dimenhydrinat oder Diphenhydramin gekommen ist, sollten diese Antiemetika nur bei strenger Indikation und sorgfältiger Beachtung der Dosierung (Kinder bis drei Jahren maximal 5 mg/kg KG Dimenhydrinat pro Tag) angewandt werden. Das Apothekenpersonal sollte die korrekte Dosierung auf die Packung schreiben.

Kontaktpersonen können sich durch Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Anwendung von Desinfektionsmitteln mit nachgewiesener Wirksamkeit »begrenzt viruzid plus« oder »viruzid« schützen. Eine Impfprophylaxe gegen Noroviren ist noch nicht möglich.

Laut Robert-Koch-Institut soll die Schluckimpfung gegen Rotaviren in den ersten sechs Monaten vor allem die Jüngsten vor einem schweren Verlauf einer Rotavirus-Infektion schützen, denn diese verläuft bei den ganz Kleinen deutlich schwerer als bei älteren Kindern und als eine Infektion mit einem anderen Durchfallerreger. Bis zum dritten Lebensjahr haben tatsächlich 90 Prozent aller Kinder diese virale Infektion durchgemacht. Die Inkubationszeit (ein bis drei Tage) ist kurz. Die Symptome der Gastroenteritis sind blutige Durchfälle, Bauchschmerzen, Fieber und Erbrechen. Problematisch sind wie beim Norovirus die erheblichen Flüssigkeitsverluste. Die symptomatische Behandlung erfolgt hauptsächlich durch Maßnahmen zum Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich. Nur bei heftigeren Verläufen sind Antipyretika und Antiemetika indiziert.

Da es verschiedene Rotavirus-Subtypen gibt, können sich Kinder und Erwachsene mehrmals infizieren. Die Ansteckung erfolgt über Schmierinfektion fäkal-oral oder über kontaminierte Oberflächen. Mit den Durchfällen werden Unmengen an Viren ausgeschieden, sodass auch strenge Hygienemaßnahmen eine Infektion nicht immer verhindern.

Der Impfschutz verringert das Risiko für Neugeborene und Säuglinge und erfolgt je nach Präparat mit einer zwei- bis dreimaligen Schluckimpfung (oraler Lebendimpfstoff, Tabelle 1). Das Auftreten einer Invagination (Einstülpung eines Darmabschnitts) in den ersten sieben Tagen nach Gabe der ersten Dosis ist eine seltene, aber gefürchtete Nebenwirkung; daher sollte das empfohlene Impfschema strikt eingehalten werden. Da Antikörper in der Muttermilch den Lebendimpfstoff möglicherweise inaktivieren, empfiehlt man den Müttern, eine Stillpause eine Stunde vor und nach der Schluckimpfung einzuhalten.

Bakterielle Krankheiten: Scharlach

Scharlach wird durch β-hämolysierende Streptokokken verursacht, die über Tröpfchen – also Niesen, Husten oder Speichel – sowie auch über verunreinigte Gegenstände übertragen werden und Toxine bilden.

Nach einer Inkubationszeit von einem bis drei Tagen beginnt die Erkrankung mit Fieber, Erbrechen und einer Rachenentzündung (Pharyngitis). Nach einem bis vier Tagen folgt ein charakteristisches Exanthem mit stecknadelkopfgroßen, roten, leicht erhabenen Flecken. Die Zunge ist glänzend rot (Himbeerzunge), das Gesicht bis auf den Nase-Kinn-Bereich gerötet (Milchbart). Das Exanthem verschwindet nach drei bis fünf Tagen. Ab der zweiten Krankheitswoche schuppt sich die Haut am ganzen Körper.

Die Infektion ist vom ersten Tag an bis zur Behandlung mit Antibiotika ansteckend. Erste Wahl sind zehn Tage Penicillin, Amoxicillin oder Ampicillin oder – bei Penicillin-Allergie – Makrolidantibiotika wie Erythromycin. Als zweite Wahl gilt die Fünf-Tage-Therapie mit einem Cephalosporin. Das Apothekenpersonal sollte darauf hinweisen, dass die Behandlung über zehn beziehungsweise fünf Tage erfolgen muss, auch wenn sich die Symptomatik bereits nach kurzer Zeit deutlich bessert.

Lokalanästhetika und Adstringenzien lindern Läsionen der Mundschleimhaut. Schwere Komplikationen mit akutem rheumatischen Fieber sowie Entzündungen an Herz, Nieren oder Gelenken sind möglich.

Aufgrund der Vielfalt der auslösenden A-Streptokokken richtet sich die Immunität nur gegen das bei einer durchgemachten Infektion vorherrschende Toxin. Daher kann man sich mehrfach mit Scharlach infizieren. Eine Impfung ist nicht möglich.

Keuchhusten oder Pseudokrupp?

Keuchhusten wird durch Bordetella pertussis verursacht, ein Bakterium, das eine Vielzahl von Toxinen bildet. Säuglinge sind besonders gefährdet. Die Ansteckung erfolgt über Tröpfcheninfektion, die Inkubationszeit beträgt neun bis zehn Tage. Bei nicht geimpften Personen verläuft die Erkrankung in drei Stadien:

  • Stadium catarrhale (Dauer eine bis zwei Wochen) mit Erkältungssymptomen und leichtem Fieber;
  • Stadium convulsivum (vier bis sechs Wochen) mit typischen, meist nächtlichen Stakkato-ähnlichen Hustenanfällen und anschließendem Keuchen (inspiratorisches Ziehen), Erbrechen und leichtem Fieber;
  • Stadium decrementi (sechs bis zehn Wochen) mit langsamem Abklingen der Hustenanfälle.

Säuglinge und ältere Menschen haben das höchste Risiko für schwere Komplikationen wie Atemstillstand, Pneumonien, Otitis media oder Sinusitis. Die Schutzimpfung erfolgt mit azellulärer Pertussis-Vakzine, in der Regel in Kombinationsimpfstoffen (Tabelle 2).

Der Erreger wird mittels PCR-Test nachgewiesen. Die antibiotische Therapie sollte so früh wie möglich beginnen, idealerweise in den ersten beiden Wochen ab Beginn des Hustens. Mittel der Wahl sind die Makrolide Erythromycin, Azithromycin und Clarithromycin. Die Immunität nach Erkrankung oder Impfung ist mäßig. Mit Keuchhusten kann man sich mehrfach infizieren, allerdings ist der Krankheitsverlauf dann deutlich milder. Wegen der besonderen Gefährdung der Säuglinge empfiehlt die STIKO seit März 2020 schwangeren Frauen die Pertussis-Impfung zu Beginn des dritten Trimenons.

Erkrankung Erreger Infektionsweg Behandlung Impfkalender des RKI*
Scharlach β-hämolysierende Streptokokken (Streptococcus pyogenes) Tröpfchen und Kontakt Antibiotika: 1. Wahl Penicillin, 2. Wahl Cephalosporine keine Impfung
Keuchhusten Bordetella pertussis Tröpfchen Makrolidantibiotika wie Erythromycin, Azithromycin, Clarithromycin Grundimmunisierung im Alter von 2, 4 und 11 Monaten, Auffrischungen in Kombination mit Tetanus und Diphtherie im Alter von 5 bis 6 und 9 bis 16 Jahren, eine Auffrischung ab dem 18. Lebensjahr bei der nächstfälligen TD-Auffrischung
Diphtherie Corynebacterium diphtheriae Tröpfchen und Kontakt Penicillin, Makrolidantibiotika wie Erythromycin, Azithromycin, Clarithromycin Grundimmunisierung im Alter von 2, 4 und 11 Monaten, Auffrischungen in Kombination mit Tetanus im Alter von 5 bis 6 und 9 bis 16 Jahren, im Erwachsenenalter alle 10 Jahre
Tabelle 2: Übersicht über die wichtigsten, bakteriell bedingten systemischen Infektionskrankheiten im Kindesalter; Keuchhusten und Diphtherie sind meldepflichtig.

Nicht zu verwechseln ist Keuchhusten mit Pseudokrupp (Krupphusten, subglottische stenosierende Laryngitis), einer durch Viren (Respiratory-syncytial-, Adeno- oder Parainfluenzaviren) ausgelösten Kehlkopfentzündung. Dabei schwellen die Schleimhäute der Luftwege an. Typische Symptome, besonders in der Nacht, sind trockener bellender Husten, pfeifende Geräusche beim Einatmen (Stridor) und leichtes Fieber. Für die Eltern gilt es, Ruhe zu bewahren. Frische kalte Luft lindert die Beschwerden.

Zur Differenzialdiagnose (Diphtherie) oder bei ausbleibender Besserung muss der Arzt oder die Klinik aufgesucht werden. Der Arzt verordnet Corticoid-haltige Zäpfchen zur Abschwellung der Schleimhaut.

Lebensbedrohliche Diphtherie

Diphtherie wird durch Diphtherie-Toxin-produzierende Stämme von Corynebacterium diphtheriae verursacht. Es werden zwei Formen unterschieden: respiratorische Diphtherie und Hautdiphtherie.

Die respiratorische Form ist gekennzeichnet durch starke Halsschmerzen mit grau-weißen oder bräunlichen Belägen der Tonsillen und Fieber (39 °C). Durch Schwellung des Kehlkopfs kann es zum Erstickungstod kommen. Auch in Hautschäden (kleinere Verletzungen) kann sich der Erreger vermehren und eine Hautdiphtherie auslösen. Tritt das Toxin ins Blut über, sind Komplikationen wie Herzmuskelentzündung oder Lähmung möglich.

Die Therapie mit Diphtherie-Antitoxin und Antibiotika (Penicillin, Erythromycin, Azithromycin oder Clarithromycin) verringert die Toxinbildung. Die WHO strebt eine hohe Durchimpfungsrate an, um Epidemien zu verhindern. Jedoch kommt es durch Impflücken weltweit immer wieder zu lokalen Ausbrüchen.

Wie wichtig ist die Grundimmunisierung?

Zur Prophylaxe der durch »Kinderkrankheiten« verursachten Komplikationen ist die Impfung die beste Maßnahme. Impfreaktionen und Nebenwirkungen sind heutzutage äußerst selten. Ist die Impfquote hoch, können einzelne Erreger sogar regional eliminiert werden, wie das Beispiel der Kinderlähmung zeigt. Europa wurde 2002 für Polio-frei erklärt, Afrika Mitte 2020. Die Pocken gelten weltweit als ausgerottet.

Die WHO will auch die Erreger von Masern, Mumps und Röteln europaweit ausrotten. Dies scheitert an der zu niedrigen Durchimpfungsrate einiger Länder, darunter auch Deutschland. Hier ist das Apothekenpersonal gefordert, sachlich und kompetent aufzuklären und Fehlmeinungen entgegenzutreten.

Argument 1: Die meisten Krankheiten, gegen die geimpft wird, treten in Deutschland gar nicht mehr auf.

Antwort: Obwohl Deutschland als Polio-frei gilt, sollte nicht auf eine Impfung verzichtet werden. Es gibt etliche Länder, in denen die Kinderlähmung noch wütet und es auch zu Diphtherie-Ausbrüchen kommt. Die Erreger können durch den globalen Reiseverkehr leicht nach Europa gelangen und wieder Fuß fassen, sobald Impflücken entstehen. Da Polio-Erkrankungen heute zunehmend auf eine Virusmutante, sogenannte zirkulierende Vakzine-abgeleitete Polioviren (cVDPV), zurückzuführen sind, hat die WHO eine Notfallzulassung für einen neuen oralen Impfstoff gegen Typ 2 des Poliovirus erteilt. Diese gilt zum Beispiel für Länder in Afrika oder Südostasien, aber nicht in Deutschland.

Argument 2: Die Nebenwirkungen und Risiken von Impfungen sind unkalkulierbar.

Antwort: Immer wieder tauchen Berichte auf, die einen Zusammenhang von Impfungen im Kindesalter mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen wie Autismus, Multiple Sklerose, Darmerkrankungen, plötzlicher Kindstod, Allergien oder Diabetes postulieren. Es fehlt allerdings der eindeutige Nachweis. Keine Studie konnte diesen Zusammenhang bislang belegen. In einzelnen Fällen kann es zu einem unglücklichen Zusammentreffen einer Impfung und dem Ausbruch einer Erkrankung kommen, was aber keinen kausalen Zusammenhang beweist.

Tatsache ist, dass auch Impfungen Nebenwirkungen haben können. Verdachtsmomente sollte das Apothekenpersonal über die bekannten Pharmakovigilanz-Wege melden. Auch die Familie kann unter www.nebenwirkungen.bund.de eigene Angaben machen. Das RKI führt alle Informationen zusammen und wertet sie aus.

Argument 3: Durch die vielen Impfungen und Mehrfachimpfstoffe wird das Immunsystem des kleinen Kindes überlastet.

Antwort: Bei Säuglingen reift das Immunsystem durch die tägliche Auseinandersetzung des Körpers mit einer sehr hohen Zahl an Antigenen im natürlichen Umfeld. Hochgereinigte moderne Impfstoffe führen dem Säugling und Kleinkind auch bei Mehrfachimpfungen eine immer geringere Zahl an Antigenen zu. Bei dem Sechsfach-Impfstoff sind Antigenkomponenten von Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Haemophilus influenzae, Polio und Hepatitis B kombiniert. Es gibt keinen Hinweis, dass das kindliche Immunsystem dadurch überlastet wird; vorteilhaft ist dagegen, dass die Anzahl der Impfungen reduziert wird.

Hepatitis-B-Viren werden vorwiegend durch Blut- oder Sexualkontakte übertragen, die Gefahr einer Ansteckung ist für Säuglinge gering. Da es aber im Kleinkindalter zu chronischen Verlaufsformen der Leberentzündung kommen kann und die Impfquote im Jugendalter gering ist, empfehlen RKI und WHO, bereits Kleinkinder gegen Hepatitis B zu immunisieren.

Argument 4: Ein Baby bekommt von der Mutter genügend Abwehrstoffe. Dieser natürliche Schutz reicht doch aus.

Antwort: Hat die Mutter durch Impfung oder durchgemachte Erkrankung genügend Antikörper gegen spezielle Erreger gebildet, werden einzelne Immunglobuline schon zu Beginn der zwölften Schwangerschaftswoche auf den Embryo übertragen. Dieser sognannte Nestschutz ist schwach ausgebildet und richtet sich nicht gegen alle möglichen Erreger, sondern hängt von der Immunität der Mutter ab, die sie dem Säugling quasi leiht. Dieser Schutz ist kurzzeitig und kein Ersatz für eine Impfung. Im Lauf der ersten Lebenswochen schwindet der Nestschutz, da die mütterlichen Antikörper abgebaut werden. Die Muttermilch, besonders das Kolostrum in den Anfangstagen, führt dem Säugling beim Stillen weitere Abwehrstoffe zu, vor allem sIgA-Antikörper, die vor Magen-Darm-Infektionen schützen. Diese bieten keinen Schutz vor anderen Infektionskrankheiten.

Argument 5: Impfungen verursachen die Erkrankung, gegen die sie schützen sollen.

Antwort: Man unterscheidet Lebend- und Totimpfstoffe. Bei Lebendimpfstoffen (Masern, Mumps, Röteln) kann es in einzelnen Fällen zu einer der Erkrankung ähnlichen Symptomatik mit Ausschlag oder leichtem Fieber kommen. Dies zeigt die Auseinandersetzung des Immunsystems an und verläuft in der Regel komplikationslos. Die meisten Impfstoffe sind Totimpfstoffe oder azelluläre Vakzinen, die infolge der Reaktion des Immunsystems geringe Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder leichtes Fieber hervorrufen können.

Fazit

Da die Spätfolgen der sogenannten Kinderkrankheiten in der Bevölkerung oft nicht ausreichend bekannt sind, kommt der Apotheke die wichtige Aufgabe zu, die Eltern immer wieder auf die von der STIKO und dem RKI aktualisierten Impfempfehlungen aufmerksam zu machen. Es ist wichtig, in der Schwangerschaft Mutter und Kind zu schützen sowie Impflücken und lokale Krankheitsausbrüche zu vermeiden, die leider immer wieder mit schweren Komplikationen verbunden sind. Durch die Globalisierung können in Europa selten gewordene Erreger wie Diphtherie oder Polio aus anderen Ländern und Kontinenten wieder eingeschleppt werden.

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