Gute Empfehlungen für Mutter und Kind |
Annette Rößler |
28.05.2025 08:30 Uhr |
Eine abwechslungsreiche Ernährung während der Schwangerschaft ist nicht nur wichtig für die gesunde Entwicklung des Fetus. Auch hinsichtlich dessen, was das Kind später gerne isst, spielt die Ernährung in der Schwangerschaft eine Rolle. / © Adobe Stock/Anna Om
Was Schwangere essen und trinken, bekommt ihr ungeborenes Kind ganz genau mit. »Die Geschmacksprägung findet schon im Mutterleib statt«, sagte Professor Dr. Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran. Untersuchungen zufolge verzögen Feten das Gesicht, wenn ihre Mütter Bitterstoff-haltige Nahrungsmittel wie Kohl zu sich nehmen, und lächelten, wenn die Mütter stattdessen Karotten essen.
Die Geschmacksprägung, aber auch eine epigenetische Prägung des Kindes setzten dabei nicht erst in der Spätschwangerschaft ein, sondern früher. »Man spricht von einem goldenen Fenster der ersten 1000 Tage. Diese beziehen sich auf den Zeitraum von der Befruchtung der Eizelle bis zum zweiten Geburtstag des Kindes«, informierte der Apotheker und Ernährungswissenschaftler. In dieser frühsten Lebensphase finde eine entscheidende Weichenstellung statt. Gegen eine ungünstige Prägung etwa mit Blick auf metabolische Erkrankungen werde das Kind zeitlebens ankämpfen müssen.
Schwangere sollten sich möglichst vielfältig ernähren. Denn je verschiedener die Geschmacksempfindungen sind, mit denen bereits der Fetus konfrontiert wurde, umso einfacher sei es später, unterschiedliche Nahrungsmittel als Beikost einzuführen. Entgegen früherer Empfehlungen sollten Schwangere auch keine potenziellen Allergene meiden, um das Allergierisiko des Kindes zu senken – im Gegenteil.
Definitiv tabu sind für Schwangere jedoch Lebensmittel, die mit Listerien kontaminiert sein können, da eine Infektion mit diesen Erregern fruchtschädigend sein kann. Die entsprechende Empfehlung sei einfach, so Smollich: »Rohe Lebensmittel meiden.« Also keine rohe Milch, Wurst, Fisch, Muscheln und kein vorgeschnittener Salat. »Frischen Salat selbst zuzubereiten, ist aber bei normaler Küchenhygiene absolut unkritisch«, betonte der Referent.
Professor Dr. Martin Smollich / © PZ/Alois Müller
In der Schwangerschaft ist der Bedarf an bestimmten Mikronährstoffen deutlich erhöht. Dies sind Folsäure, Jod, Eisen, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren, die Smollich als »Big Five« bezeichnete. Sie in ausreichender Menge über die normale Ernährung zuzuführen, sei kaum möglich, weshalb Nahrungsergänzungsmittel in der Schwangerschaft eine absolut sinnvolle Empfehlung seien.
Folsäure ist vor allem in grünem Gemüse enthalten – das meistens nicht in ausreichender Menge gegessen wird. Deshalb sei die Lücke zwischen der tatsächlichen Aufnahme und dem Mehrbedarf in der Schwangerschaft riesig. Bereits präkonzeptionell sollten daher 400 I.E. pro Tag supplementiert werden und dann während der gesamten Schwangerschaft, mindestens jedoch bis Ende der der zwölften Schwangerschaftswoche 600 I.E. pro Tag.
Auch mit Jod sind im Jodmangelland Deutschland sehr viele Schwangere unterversorgt. »30 Prozent der Frauen erreichen die Zufuhrempfehlung nicht«, berichtete Smollich. Eine Supplementation solle bedarfsgerecht erfolgen: Der Frauenarzt legt also die erforderliche Dosis fest, nachdem er den Jodstatus erhoben hat.
Eine Supplementation von Eisen solle ebenfalls erst nach einer Labordiagnostik erfolgen. »Der Bedarf ist in der Schwangerschaft zwar erhöht und viele Frauen haben einen Eisenmangel. Doch die biologische Varianz ist bei diesem Nährstoff sehr groß«, sagte der Referent. Individuell zu ermitteln sei auch der Bedarf an Vitamin D, während Omega-3-Fettsäuren wie Docosahexaensäure (DHA) pauschal mit mindestens 200 mg pro Tag dosiert werden sollten.
Wem diese Empfehlungen altbekannt vorkamen, für den hatte Smollich eine Mahnung: »Werden Sie nicht müde, darauf hinzuweisen.« Das Unwissen über die Notwendigkeit einer Mikronährstoffsupplementation in der Schwangerschaft sei erstaunlich groß. So würden Folsäure und Jod laut einer Erhebung in Deutschland nur von der Hälfte der Schwangeren in ausreichender Höhe supplementiert.