Große Unterschiede zwischen den Ländern |
Anna Pannen |
19.10.2018 11:16 Uhr |
Sie sind die Hoffnung vieler Krebspatienten: Neue, innovative Zytostatika, von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA auf Herz und Nieren geprüft und schließlich zugelassen. Doch nicht bei allen Patienten in Europa kommen die Mittel gleich schnell an, wie eine Studie zeigt, die Wissenschaftler am Universitätskrankenhaus Zürich am Freitag beim ESMO-Kongress präsentierten.
Die Studienmacher verglichen, wie schnell Krebsmedikamente nach ihrer Zulassung durch die EMA in Deutschland, Frankreich, England und Schottland das jeweilige nationale Zulassungsverfahren durchlaufen und schließlich auf den Markt kommen und von den Krankenkassen bezahlt werden. Dafür schauten sie sich Daten aller seit Januar 2007 und Dezember 2016 von der EMA zugelassenen neuen Krebsmedikamente an. Es handelte sich um insgesamt 47 Präparate für 77 unterschiedliche Krebsindikationen.
Die Forscher fanden heraus: Während Krebspatienten in Frankreich die neuen Mittel im Schnitt 118 Tage nach der EMA-Zulassung zur Verfügung standen, dauerte es in England mit 405 Tagen mehr als dreimal so lange. In Deutschland lagen durchschnittlich 209 Tage dazwischen, in Schottland waren es 384 Tage.
Erfreulich: Je höher die EMA den Nutzen eines Zytostatikums bewertet hatte, desto schneller kam das Medikament in allen vier Ländern auf den Markt. Bei Medikamenten, die im Versuch die Lebenszeit der Patienten über einen großen Zeitraum verlängert hatten und somit den sogenannten »highest benefit« erreichten, ging es in allen Staaten schneller als bei Präparaten mit »lowest benefit«. Trotzdem dauerte es auch bei den »highest benefit«-Medikamenten in England mit durchschnittlich 302 Tagen doppelt so lange wie in Frankreich (154 Tage) und ein Drittel länger wie in Deutschland (203 Tage), bis das Produkt auf dem Markt war.
Die Studienautoren nennen es zwar »beruhigend« dass die Präparate mit dem höchsten klinischen Nutzen auch am schnellsten auf den heimischen Märkte zur Verfügung stehen. Dennoch kritisieren sie die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. Sie machen deutlich, dass die Länder unterschiedlich viele personelle und bürokratische Ressourcen einsetzen, um Medikamente schnell zugänglich zu machen. »Wir bedauern all die Leben, die wir aufgrund dieser inkonsequenten Markteinführung verloren haben«, sagte Bettina Ryll, Gründerin des Europäischen Patientennetzwerks Melanoma. Die Staaten seien in der Verantwortung, genügend behördliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, sodass nationale Nutzenbewertungen, die schließlich zum Wohle der Bürger geschaffen wurden, sich nicht nachteilig auf deren Versorgung auswirken.
Bei der Frage, wie viele der »highest benefit«-Präparate den Patienten schließlich vollständig erstattet werden, liegt übrigens Deutschland an der Spitze: Hierzulande bekamen die Patienten 100 Prozent der von der EMA mit diesem Merkmal versehenen Medikamente bezahlt. Aber auch in den anderen Ländern waren es 95 (England), 92 (Schottland) beziehungsweise 90 (Frankreich) Prozent. /
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