Grippeimpfung von Schwangeren schützt den Säugling |
Theo Dingermann |
03.01.2024 12:30 Uhr |
Schwangeren wird die Grippeimpfung im Herbst ausdrücklich empfohlen, da sie selbst ein erhöhtes Risiko für schwere Influenza-Verläufe haben. Sie geben die Antikörper aber über die Plazenta auch an ihr Baby weiter und sorgen so für einen Nestschutz in den ersten Monaten nach der Geburt. / Foto: Getty Images/aire images
Säuglinge können von einem verstärkten Nestschutz für Infektionskrankheiten geschützt werden, wenn die angehenden Mütter während der Schwangerschaft geimpft werden. Beispiele sind ein Nestschutz vor Keuchhusten, schweren Covid-19-Verläufen und neuerdings auch RSV. Es liegt nahe, dass ein solcher Schutz auch für Influenza-Infektionen etabliert werden kann. Allerdings fehlten bisher überzeugende Daten für Länder mit hohen Einkommen.
Zwei aktuelle Studien, beides sogenannte testnegative Fall-Kontroll-Studien, beseitigen jetzt diese Evidenzlücke. Testnegative Fall-Kontroll-Studien werden oft zur Bewertung der Wirksamkeit von Impfungen gewählt. Dabei werden Patienten, die mit einer bestimmten Krankheit (wie Covid-19 oder Influenza) diagnostiziert wurden, mit Patienten verglichen, die ähnliche Symptome hatten, die aber für die Krankheit negativ getestet wurden.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt jeder Schwangeren ab dem zweiten Trimenon ausdrücklich die saisonale Influenza-Impfung; bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung der Schwangeren selbst auch schon im ersten Trimenon. Schwangere selbst haben bei einer Influenza-Infektion ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe, begründet das Robert-Koch-Institut in seinem FAQ zur Influenza-Impfung. Das erhöhte Komplikationsrisiko hänge mit verschiedenen physiologischen und immunologischen Veränderungen während der Schwangerschaft zusammen. Zudem betont das RKI: »Die Sicherheit der Impfstoffe wurde sowohl für Schwangere als auch für Ungeborene bestätigt.«
In der ersten Studie, die im Fachjournal »JAMA Pediatics« publiziert wurde, analysieren Professor Dr. Leila C. Sahni und Kollegen vom Department of Pediatrics, Baylor College of Medicine und Texas Children’s Hospital in Houston, Daten aus dem New Vaccine Surveillance Network (NVSN). Notfallkonsultationen und Krankenhauseinweisungen wegen akuter Atemwegserkrankung von Säuglingen unter sechs Monaten aus den Influenzasaisons 2016/2017 bis 2019/2020 wurden für sieben pädiatrisch medizinische Einrichtungen im NVSN analysiert. Die Kontrollkohorte bildeten Säuglinge mit einem Influenza-negativen Test.
Die Forschenden verglichen die Odds Ratio der Influenza-Impfung der Mutter 14 Tage oder länger vor der Entbindung bei an Influenza erkrankten Säuglingen im Vergleich zu den Säuglingen in der Kontrollkohorte. Die Modelle wurden für das Alter des Säuglings (nach Monat), die NVSN-Einrichtung und das Krankheitsdatum (Monat) angepasst.
Von 3764 Säuglingen (223 mit Influenza und 3541 Kontroll-Säuglinge) wurden 2007 (53 Prozent) von Müttern geboren, die während der Schwangerschaft geimpft wurden. Die Gesamtwirksamkeit der Impfung der Mutter gegen Influenza-assoziierte Notfallkonsultationen oder Krankenhausaufenthalte bei Säuglingen unter sechs Monaten betrug 34 Prozent.
Waren die Mütter im ersten oder zweiten Trimenon geimpft worden, resultierte eine Schutzwirkung von 17 Prozent. War die Impfung im dritten Trimenon erfolgt erwies sich die Impfung zu 52 Prozent wirksam.
Bezogen auf die Notwendigkeit für Notfallkonsultationen betrug die Wirksamkeit der Impfung für die Säuglinge 19 Prozent. Für Krankenhausaufenthalte betrug die Wirksamkeit 39 Prozent. Bei Säuglingen unter drei Monaten betrug die Gesamtwirksamkeit 53 Prozent.
Zusammenfassend schließen die Forschenden, dass eine Impfung der Mutter deutlich mit einer Risikominimierung für Influenza-assoziierten Krankenhausaufenthalten und Notfallkonsultationen bei Säuglingen unter sechs Monaten assoziiert war. Die Wirksamkeit war am größten bei Säuglingen unter drei Monaten und dann, wenn die Mütter im dritten Schwangerschaftsdrittel geimpft worden waren.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine zweite Publikation, die im »Journal of Infectious Diseases« veröffentlicht wurde. In dieser Arbeit untersuchten Professor Dr. Deshayne Fell von der School of Epidemiology and Public Health an der University of Ottawa, Kanada, die Wirksamkeit der Grippeimpfung während der Schwangerschaft gegen laborbestätigte Influenza-Infektionen und Hospitalisierungen bei Säuglingen unter sechs Monaten in Ontario, Kanada.
Sie werteten dazu alle Atemwegsproben von Säuglingen unter sechs Monaten aus, die in den neun Grippesaisons 2010 bis 2019 getestet worden waren. Impfung während der Schwangerschaft wurde anhand von Abrechnungsdaten ermittelt. Die Impfwirksamkeit wurde auch in dieser Studie aus der Odds Ratio für die Impfung während der Schwangerschaft bei positiv auf Influenza Getesteten im Vergleich zu Kontrollen, bei denen zwar Symptome diagnostiziert, aber eine Influenza durch einen negativen Test ausgeschlossen wurde, berechnet.
Von 23.806 getesteten Säuglingen waren 1783 (7,5 Prozent) positiv für Influenza und 1708 (7,2 Prozent) wurden von Müttern geboren, die während der Schwangerschaft gegen Influenza geimpft worden waren. Die Impfwirksamkeit gegen laborbestätigte Influenza-Infektionen betrug 64 Prozent. Die Impfwirksamkeit gegen Influenza-Hospitalisierung betrug 67 Prozent.
Auch diese Forschenden schließen, dass eine Grippeimpfung der Mutter während der Schwangerschaft eine deutliche Risikoreduktion für Säuglinge unter sechs Monaten bietet. Dies sind relevante Ergebnisse, da derzeit keine Impfstoffe für so junge Säuglinge verfügbar sind.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.