GKV pocht auf Versandhandel und Höchstpreise |
Unwirtschaftlich, intransparent und ungleich verteilt – die Krankenkassen rütteln erneut am aktuellen Vergütungsmodell für Apotheken. / Foto: Fotolia/Gina Sanders
»In Zeiten zunehmender Digitalisierung müssen neue Wege in der pharmazeutischen Versorgung erschlossen werden«, schreibt das Kassengremium in seinem Geschäftsbericht 2018. Mit Blick auf die »zukunftsorientierte Ausrichtung der Arzneimittelversorgung« hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands einen Vorschlag zur Neuordnung der Apothekenstrukturen und -vergütung erarbeitet.
Als Lösung für die aktuelle Schieflage im Apothekenmarkt sieht der Verband das Einführen von Höchstpreisen. »Um nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2016 einen angemessenen Wettbewerbsrahmen zwischen dem Versandhandel und niedergelassenen Apotheken zu gewährleisten, ist die Arzneimittelpreisverordnung für Versandarzneimittel auf ein Höchstpreismodell umzustellen.« Zudem sollen Kassen und Versender vertraglich niedrigere Preise vereinbaren können. »Dies würde den geforderten Preiswettbewerb europarechtskonform umsetzen und mögliche Fehlanreize in der Patientenversorgung abfangen.«
Online-Apotheken hätten bewiesen, dass auch sie eine sichere Versorgung gewährleisten kann. Davon könnten der GKV zufolge vor allem Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte und Patienten mit eingeschränkter Mobilität profitieren. »Der Versandhandel bietet in diesen Fällen erhebliche Vorteile und leistet damit einen wichtigen ergänzenden Beitrag zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung«, betonen die Kassen. Der Wettbewerb fördere zudem eine intensive Beratung durch die Vor-Ort-Apotheken, die letztlich den Patienten zugutekäme.
Was das Apothekenhonorar betrifft, fordert der GKV-Spitzenverband mehr Transparenz. »Die Vergütung muss kostendeckend und leistungsgerecht sein und Anreize setzen, sich wieder mehr auf die apothekerlichen Kerntätigkeiten zu konzentrieren«, führt er aus. »Insbesondere bei der Arzneimittelabgabe muss die Patientenberatung in den Fokus rücken.« Dank des 2HM-Gutachtens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie lägen nun erstmals Zahlen über die Apothekenvergütung vor. »Diese seit Langem notwendige Transparenz legt die bestehenden Defizite der Vergütungssystematik offen: Die Honorare der Apothekerschaft sind ungleich verteilt, es gibt erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven und in vielen Regionen besteht eine unwirtschaftliche Überversorgung«, analysiert das Gremium.
Besonderes Augenmerk legen die Kassen auf Bereiche mit überdurchschnittlich hohem Einsparpotenzial. »Dies gilt vor allem für die deutlich überfinanzierte Vergütung individuell hergestellter parenteraler Zubereitungen.« Weitere Mehrausgaben für die Arzneimittelversorgung durch Apotheken seien mit Blick auf die aufgedeckten Wirtschaftlichkeitsreserven nicht länger zu rechtfertigen.
Der Apothekenmarkt in Deutschland zeichne sich »durch eine starke Regulierung aus, die vor allem dem Leitgedanken folgt, bestehende, historisch gewachsene Privilegien und Strukturen zu bewahren«. Aus Sicht der GKV stehen dabei nicht die Patienten im Fokus, sondern vielmehr die Vergütung der Pharmazeuten. Daher dringen die Krankenkassen darauf, das aktuelle System nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern auch in Bezug auf die Patientenversorgung zu überprüfen und anzupassen. »So erscheinen starre Vorgaben für Öffnungszeiten in schwach besiedelten Regionen mit geringer Kundenfrequenz nicht sachgerecht«, heißt es im Geschäftsbericht. Stattdessen gelte es, verstärkt auf mobile Versorgung zu setzen.
Durch die Digitalisierung ergeben sich dem Gremium zufolge weitere Ansatzpunkte zur Verbesserung der Versorgung vor allem in ländlichen Regionen. »Ein möglicher Ansatz könnte – in Analogie zur Telemedizin – eine telepharmazeutische Sprechstunde sein.« Denkbar wären demnach auch durch Teleassistenz unterstützte Kooperationen zwischen Haupt- und Filialapotheken, um Synergieeffekte zu schaffen.