Gibt es bald Drug-Checking als Apothekenleistung? |
Cornelia Dölger |
14.06.2022 09:00 Uhr |
Drug-Checking-Projekte, an denen auch Apotheken beteiligt werden könnten, sollen ausgebaut werden. Hierbei stockt es aber. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (Bild), betonte im PZ-Interview, dass die Ampel Lösungen erarbeiten werde. / Foto: BMG/Thomas Ecke Berlin
PZ: Herr Blienert, Sie gelten als Vorkämpfer für eine Cannabis-Legalisierung und sind seit Januar 2022 Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. Zu dessen Profil zählte stets die strikte Ablehnung von Cannabiskonsum. Mit der Ampelkoalition aber ist die Cannabis-Legalisierung politisch gewollt. Wie kam es zu diesem Umdenken?
Blienert: Diese Position ist richtigerweise Vergangenheit. Sie ist ein Relikt aus den unionsgeführten Regierungszeiten. Wir als Ampel gestalten die Sucht- und Drogenpolitik – nicht nur beim Thema Cannabis – neu und frei von Stigmata. Dahinter stehen natürlich auch lange Debatten und Abwägungen darüber, was am Ende das Beste für den Gesundheits- und Jugendschutz ist.
PZ: Und was ist das Beste?
Blienert: Wir sind uns als Ampel absolut einig, dass eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene der sinnvollste und humanste Weg ist, die Herausforderungen beim Thema Cannabis anzugehen. Und zwar auf allen Ebenen. Durch die Koalitionsvereinbarungen haben wir gemeinsam Nägel mit Köpfen gemacht.
PZ: Zur Cannabis-Legalisierung soll laut Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) in der zweiten Jahreshälfte ein Gesetzentwurf stehen. Allerdings hat gerade erst die Sondierungsphase begonnen und die wichtigen Expertenkonsultationen starten frühestens im Sommer. Wie realistisch ist also der Zeitplan?
Blienert: Die Konsultationen starten bereits Mitte Juni. Es ist beschlossene Sache, dass die kontrollierte Abgabe in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Daran soll sich, auch wenn die Zeit knapp ist und die Aufgaben an die Regierung sehr umfangreich sind, nichts ändern.
PZ: Bis zum Herbst soll mit Expertinnen und Experten etwa über Fragen zum Gesundheitsschutz, zu Anbau, Lieferketten und zur Besteuerung von Cannabis zu Genusszwecken diskutiert werden. Werden zum Thema Gesundheitsschutz auch Apothekerinnen und Apotheker in die Fachgespräche mit einbezogen?
Blienert: Wir werden zum Konsultationsprozess auch Vertreterinnen und Vertreter der ABDA einladen. Sie können bei der Debatte um mögliche Abgabestellen nicht außen vorgelassen werden.
PZ: Als Verkaufsstätten für Genusscannabis kommen laut Koalitionsvertrag Lizenzgeschäfte infrage, zu denen auch Apotheken zählen könnten. Sollten Apotheken sich um solche staatlichen Lizenzen bewerben?
Blienert: Zur Beantwortung dieser und vieler weiterer relevanter Punkte dient ja der kommende Konsultationsprozess.
PZ: Die Apothekerschaft ist in dieser Frage uneins und sieht sich in einem heilberuflichen Konflikt. Gibt es da Ihrer Meinung nach eine Lösung?
Blienert: Apothekerinnen und Apotheker sind versiert im Umgang mit verschreibungspflichtigen Medikamenten und leisten einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz in Deutschland. Niemand sollte aber gezwungen werden, Cannabis zu Freizeitzwecken abzugeben, wenn er oder sie das nicht möchte. Ich denke, wir werden am Ende des Konsultationsprozesses wissen, ob sich die Vorbehalte aus dem Weg räumen lassen oder ob sie weiterhin aktuell sind.
PZ: Wie bewerten Sie die ABDA-Forderung nach einer Apothekenpflicht für Cannabis, falls Apotheken als Abgabeorte infrage kommen?
Blienert: Ich kann diese Forderung gut nachvollziehen. Schließlich reden wir immer noch von einer psychoaktiven Substanz, die reguliert und nicht freiverkäuflich an Minderjährige abgegeben werden soll. Somit ist das ein wirklich wichtiger Punkt. Dennoch müssen wir sehen, wie wir mit allen Argumenten, auch diesem, umgehen.
PZ: Die Bundespsychotherapeutenkammer forderte vergangene Woche, bei Cannabis liberaler vorzugehen und gleichzeitig Alkohol stärker zu reglementieren. Stimmen Sie dem zu?
Blienert: Unser Weg muss weg von der Repression, hin zu Schutz und Hilfe führen. Es geht im Koalitionsvertrag im Kern darum, endlich beide Substanzen als das zu akzeptieren, was sie sind: Rauschmittel, die insbesondere bei übermäßigem und regelmäßigem Konsum gesundheitliche Schäden verursachen. Für beides gilt: Sowohl Cannabis als auch Alkohol sind Rauschmittel, die in den Händen von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen haben!
PZ: Im Ampel-Koalitionsvertrag ist zudem der Ausbau so genannter Drug-Checking-Modelle klar festgehalten. Was will die Bundesregierung hier konkret unternehmen und wie sieht hierfür der Zeitplan aus?
Blienert: Drug-Checking ist eine der wesentlichen Maßnahmen, wenn es darum geht, Menschen vor verunreinigten Substanzen zu schützen. Ich bin sehr dafür! Aktuell gibt es dafür keine Rechtssicherheit. Als Bund müssen wir das Betäubungsmittelrecht anpassen, damit ein Transport, Besitz oder die Übergabe von illegalen Substanzen wie zum Beispiel Methamphetaminen oder Kokain an den Sozialarbeiter oder den Laboranten keine Straftat mehr ist. Dies geht aber auch nicht eben mal so. Es ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Dennoch stehen wir als Ampel in der Pflicht, hierzu einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dies werden wir machen, versprochen!
PZ: Ist es angedacht, dass auch Apothekerinnen und Apotheker in die Vorhaben, vor allem bei der Substanzanalyse, eingeplant werden?
Blienert: Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass eine enge Anbindung beim Drug-Checking an die Behörden (Gerichtsmedizin, Polizei etc.) sehr sinnvoll ist. Ob die Apotheken die Kapazitäten haben – gerade in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt –, kann ich nicht abschätzen. Aber ich freue mich natürlich, wenn die Apothekerinnen und Apotheker sich bereit erklären, dass Projekt Drug-Checking zu unterstützen!
PZ: Die pharmazeutischen Dienstleistungen in der Apotheke werden ausgebaut. Könnte Drug-Checking demnächst dazugehören?
Blienert: Wenn die Bereitschaft da ist, die Rahmenbedingungen rechtssicher und im Sinne des Gesundheitsschutzes gegeben sind, warum nicht?
Von Charlotte Kurz / Unter Drug-Checking versteht man die chemische oder physikalische Analyse von Drogen, die für den privaten Konsum bestimmt sind. Es geht um die Untersuchung der quantitativen und/oder qualitativen Zusammensetzung. Durch diese Analyse sollen die gesundheitlichen Gefahren etwa durch unerwünschte Bestandteile oder auch ungewollte Überdosierungen minimiert werden. Die Drogenanalyse wird meist von einem Beratungsgespräch begleitet.
Drug-Checking in Apotheken ist in Deutschland theoretisch bereits rechtlich möglich. Laut Betäubungsmittelgesetz (BtMG) dürfen öffentliche Apotheken Drogen zur Untersuchung annehmen und machen sich damit nicht strafbar. Konkret dürfen sie laut Paragraf 4 Absatz 1 Satz 1e BtMG Betäubungsmittel zur Untersuchung, zur Weiterleitung an eine zur Untersuchung von Betäubungsmitteln berechtigte Stelle oder zur Vernichtung entgegennehmen, ohne dass sie eine entsprechende Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) benötigen. Dies gilt allerdings nur für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke oder Krankenhausapotheke und nicht für die Person eines Apothekers.
Die Ampel-Regierung hat sich vorgenommen, innerhalb der nächsten Jahre entsprechende Konzepte auszubauen. Apotheker seien fachlich und analytisch für diese Aufgabe ausgebildet, allerdings müsste es für Drug-Checking in der Apotheke entsprechende Rahmenbedingungen wie eine angemessene Vergütung oder Fördermöglichkeiten für die entsprechenden Testgeräte geben, findet die Präsidentin der Berliner Apothekerkammer, Kerstin Kemmritz. Denn: Die für Drug-Checking notwendigen Geräte (insbesondere HPLC-Geräte) sind sehr teuer, könnten aber etwa im Verbund von mehreren Apotheken angeschafft werden, so Kemmritz. Sie könnte sich zudem Modellprojekte vorstellen, in denen die Apotheken eng mit anderen Beteiligten etwa von der Drogen- und Suchtberatung zusammenarbeiten, aber selbst die Analytik und Annahme der Drogen übernehmen könnten. Auch der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) hatte in einem Positionspapier im Jahr 2020 die Einführung und Förderung von Drug-Checking-Angeboten gefordert.
Drug-Checking-Programme gab es seit den 1990er Jahren immer wieder in Deutschland, sie wurden allerdings oft aufgrund unsicherer Rechtslagen eingedampft. In anderen Ländern wie etwa Österreich, der Niederlande oder der Schweiz ist Drug-Checking bereits etabliert.