Gibt es bald Cannabis-Projekte in Apotheken? |
Wird es in Apotheken bald die kontrollierte Cannabis-Abgabe geben? / Foto: Imago Images / Panthermedia
Cannabis ist jetzt schon eine weit verbreitete Droge in Deutschland. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2018 hat jeder zehnte 12- bis 17-jährige Jugendliche schon einmal Cannabis konsumiert. In der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre haben sogar 42,5 Prozent mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis ausprobiert. Regelmäßiger Cannabiskonsum, also häufiger als zehnmal in den letzten 12 Monaten, ist bei 1,6 Prozent der Jugendlichen und 6,9 Prozent der jungen Erwachsenen gegeben. Trotzdem bleibt der Konsum zu Genusszwecken weiterhin verboten. Laut Betäubungsmittelgesetz sind Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung, sonstige Inverkehrbringung, Erwerb und Besitz von allen Pflanzenteilen des Cannabis strafbar.
In den vergangenen Jahren war es vor allem die Unionsfraktion, die eine (Teil-)Legalisierung verhindert hatte. Zunächst hatte zwar auch die SPD eine Abschaffung der Prohibition befürwortet, im Februar 2020 hatte die SPD-Bundestagsfraktion dann aber beschlossen, dass man sich für die legale, aber kontrollierte Abgabe stark machen werde. Mit Blick auf eine mögliche Ampel-Koalition könnte die Legalisierungsdebatte in den kommenden Monaten Tempo aufnehmen. Denn: FDP und Grüne sprechen sich schon seit Jahren für eine Öffnung aus und haben diese auch in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl klar formuliert.
Aus Apothekersicht stellt sich allerdings die Frage, wie eine solche (Teil-)Liberalisierung genau ausgestaltet sein könnte. Denn: Einig sind sich wohl alle politischen Kräfte darüber, dass die Droge nicht ohne jegliche Beschränkungen erhältlich sein soll. Die Frage wird also sein, unter welchen Bedingungen welche Bevölkerungsgruppen in welchen Bezugsstätten Cannabis kaufen können. Und bei diesen Punkten gehen die Vorstellungen der Sondierungsparteien auseinander.
Die Grünen haben in der vergangenen Legislaturperiode und im Wahlprogramm bereits sehr genau definiert, wie sie sich die Abgabe vorstellen könnten. Konkret will die Partei ein Cannabis-Kontrollgesetz einbringen. Bereits in der nun endenden Legislaturperiode hatten die Grünen einen solchen Antrag in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz sähe vor, dass der Staat Cannabis-Lizenzen an Fachgeschäfte vergibt und somit festlegen kann, welche Qualitätskriterien erfüllt werden müssen, damit solche lizenzierten Fachgeschäfte die Droge abgeben dürfen. Ebenfalls könnte der Staat auf diese Weise kontrollieren, welche Sorten von Cannabis (THC-Gehalt) abgegeben werden. Die Grünen würden wohl eine Abgabe nur an Erwachsene bevorzugen.
Auch die FDP nennt in ihrem Wahlprogramm lizenzierte Fachgeschäfte als mögliche Abgabestätte. Die Liberalen sehen in einer möglichen Cannabis-Steuer zudem weitere Einnahmen für den Fiskus. Die Fachpolitiker der FDP haben in den vergangenen Jahren allerdings immer wieder die Apotheken als mögliche Lizenzinhaber ins Spiel gebracht. Erst im März dieses Jahres hatte die FDP-Bundestagsfraktion vorgeschlagen, dass die maximale Bezugsmenge bei 15 Gramm liegen solle. Über die Apotheken und lizenzierten Fachgeschäfte würde dann auch die von den Liberalen vorgeschlagene Steuer in Höhe von 10 Euro pro 100 Milligramm THC eingetrieben werden.
Die SPD hat sich zur konkreten Ausgestaltung der Cannabis-Freigabe bislang nicht klar geäußert. Im Fraktionsbeschluss vom Februar 2020 waren lediglich Modellprojekte genannt worden. Inzwischen gibt es aber immer mehr Hinweise, wo es bei den Sozialdemokraten hingehen könnte. Der SPD-Politiker und ehemalige Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert machte sich in einer Diskussionsrunde beispielsweise für die Wiederaufnahme des Grünen-Cannabiskontrollgesetzes in der aktuellen Legislaturperiode stark. Und SPD-Vizechef Kevin Kühnert hat erst kürzlich dafür plädiert, dass die kontrollierte Abgabe an Erwachsene über die Apotheken ablaufen solle. In einem Medienbericht erklärte SPD-Sucht- und Drogenexperte Dirk Heidenblut vor wenigen Tagen hingegen, dass die Abgabe über Fachgeschäfte und Apotheken sehr viel Zeit benötige, um die dort Beschäftigten in der Abgabe zu schulen. Bis die Lizenzen erstmals vergeben und das Personal ausgebildet sei, könnten drei Jahre vergehen, so Heidenblut. Sein Vorschlag ist daher, erst einmal nur den Besitz von Cannabis zu entkriminalisieren. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der derzeit als möglicher nächster Bundesgesundheitsminister gehandelt wird, hatte eine erst kürzlich ebenfalls eine Legalisierung befürwortet. Er verwies darauf, dass illegal verkauftem Cannabis immer häufiger neuartiges Heroin beigemischt werde, das sich rauchen lasse.
Fachleute hatten zudem im Gesundheitsausschuss des Bundestags vor einigen Monaten betont, dass sie die derzeitige Cannabis-Verbotspolitik für gescheitert ansehen. Sie würde keinen Nutzen bringen, sondern sei im gesundheitlichen, rechtlichen und sozialen Sinne sogar schädigend. Außerhalb der Politik gibt es allerdings weiterhin auch Experten, die gegen eine mögliche Abgabe in der Apotheke sind – insbesondere die Suchtexperten der Polizei. Der kommissarische Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow, erklärte beispielsweise gegenüber dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland«, dass man geschulte Fachleute brauche, die die Konsumenten in den Abgabestellen aufklären. Apotheken seien dafür nicht geeignet, da dort keine ausführliche Drogenprävention erfolgen könne.
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