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Lieferengpässe

Gewerkschaft fordert »strategische Arzneimittelreserve«

Die Lieferengpässe in den vergangenen Monaten haben die Chemie-Gewerkschaft IG BCE dazu bewogen, eine strategische Arzneimittelreserve für Europa und eigene Notbestände zentraler Pharmaprodukte zu fordern. 
dpa
16.01.2023  16:00 Uhr
Gewerkschaft fordert »strategische Arzneimittelreserve«

Aufgrund von Versorgungsproblemen bei vielen wichtigen Medikamenten fordert die Chemie-Gewerkschaft IG BCE den Aufbau einer »strategischen Arzneimittelreserve« für Europa. »Deutschland war einmal die Apotheke der Welt, das sind wir nicht mehr«, sagte der Vorsitzende Michael Vassiliadis am Montag in Hannover und forderte eigene Notbestände zentraler Pharmaprodukte. »Das muss man jetzt gemeinsam besprechen.«

Notwendig sei auch eine mehrfach abgesicherte Produktion »versorgungskritischer Wirkstoffe«, für die es bisher mitunter nur eine einzige Anlage weltweit gebe. Bei einigen Grundarzneien wie Schmerzmitteln und Fiebersäften für Kinder, aber stellenweise auch bei Krebsmedikamenten gab es zuletzt erhebliche Engpässe. Vor allem Basissubstanzen kommen inzwischen aus Indien oder China.

Kernkriterium Versorgungssicherheit

Vassiliadis sagte, auf diesem »strategischen Feld« sei ein Frühwarnsystem hilfreich. Versorgungssicherheit müsse künftig Kernkriterium sein. Dazu gehöre ebenfalls, dass Preismodelle bei Bedarf angepasst werden können. Der IG-BCE-Chef sprach sich in diesem Zusammenhang für ein »anders organisiertes Verhältnis« von forschenden Pharmakonzernen und Herstellern von Nachahmerpräparaten aus - das Preissystem müsse sich je nach Versorgungslage »flexibilisieren« lassen. Originalwirkstoffe, für die zunächst langjähriger Patentschutz besteht, sind oft teurer.

Die Pharmabranche und auch die Chemie insgesamt als drittgrößter deutscher Industriesektor bräuchten eine verlässlichere Planung, auf welche Technologien in den kommenden Jahren vorrangig gesetzt werden solle. Enorm steigende Gas- und Stromrechnungen hatten viele Betriebe unter Druck gesetzt, die Politik müsse die Zukunft des Wirtschaftszweiges auf höchster Ebene besprechen. »Deswegen erwarten wir auch von Kanzler Scholz, dass wir uns perspektivisch treffen«, sagte Vassiliadis. »Dabei geht es nicht nur um Krisenbewältigung, sondern um die Frage: Wo wollen wir hin mit dieser Industrie?«

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