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Gesund altern – was kann die Apotheke beitragen?

Die meisten Menschen sterben nicht an Altersschwäche, sondern an und mit Krankheiten. Daher stellt sich die Frage: Ist Altern eine Krankheit? »Sicher nicht«, sagte Professor Dr. Theo Dingermann bei der Pharmaworld. Vorbeugen lässt sich schon.
Brigitte M. Gensthaler
19.09.2022  16:00 Uhr

Dennoch stellt sich die Frage, ob man Alterungsprozesse aufhalten oder verlangsamen kann. Gerontologen untersuchen solche Prozesse, um gemeinsame molekulare Grundlagen und damit potenzielle Therapieansätze zu finden. Von neun Merkmalen des Alterns stellte PZ-Senior-Editor Dingermann drei vor: die zelluläre Seneszenz, die epigenetische Alterung und die Immunseneszenz.

Ein sehr interessanter Ansatz, die Alterung zu bremsen, sei die Ausschaltung von seneszenten Zellen. Diese können sich nicht mehr teilen, bilden aber einen »Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp« (SASP) aus: Sie produzieren proentzündliche Zytokine und Chemokine, die entscheidend zur Entstehung von Krankheiten beitragen. Als SASP-Inhibitoren wirken beispielsweise Metformin, Rapamycin, Corticosteroide und Dasatinib.

Was tun, wenn das Gedächtnis nachlässt?

Auf die Demenz als wichtige altersassoziierte Erkrankung ging der Neurologe Dr. Axel Cicha, Waldkraiburg, ein. Obligat für die Diagnose sei – neben Wortfindungs- und Gedächtnisstörungen – der Verlust der Alltagskompetenz, wobei die Symptome über mindestens sechs Monate bestehen müssen.

Diagnostisch rückt das Frühstadium MCI (mild cognitive impairment, milde kognitive Störungen) zunehmend in den Mittelpunkt. Die aktualisierte S3-Leitlinie zur Demenz, die für 2023 erwartet wird, werde hierauf fokussieren, berichtete Cicha. Das MCI sei ein Stadium zwischen gesundem Altern und beginnender Demenz. Kennzeichnend sind objektivierbare kognitive Beeinträchtigungen bei intakter Alltagskompetenz. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für eine Demenz. Anhand von Biomarkern wie Beta-Amyloid 1-42 und Tauprotein lässt sich das Risiko heute quantifizieren.

Cicha warb für eine frühzeitige Intervention mit viel Bewegung, sozialer und kognitiver Aktivierung, um den Verlauf zu bremsen. Apotheker sollten auf Veränderungen bei ihren Stammkunden achten, um Frühzeichen eines MCI zu erkennen. Medikamentös sei nur Ginkgo biloba EGb761 für MCI und hirnorganische Leistungseinbußen zugelassen. Die Therapie müsse frühzeitig beginnen mit einmal täglich 240 mg/d.

Eisen schrittweise substituieren

Häufige Leiden älterer Kunden in der Apotheke sind Herzinsuffizienz und Venenleiden, erläuterte Dr. Christian Ude, Stern-Apotheke in Darmstadt. »Der Nutzen von Crataegus-Präparaten bei Herzinsuffizienz hat sich durch die SPICE-Studie etwas relativiert«, erläuterte der Fachapotheker für Arzneimittelinformation. Diese konnte an 2681 Probanden keinen Einfluss von Weißdorn auf die Sterblichkeit nachweisen.

Unterschätzt werde dagegen das Herzinsuffizienz-Risiko durch eine Eisenmangelanämie. Wer Eisen substituiert, solle sich an die Regel halten: Weniger ist mehr. »Zudem sollten größere Abstände zwischen den Einzeldosen liegen, da der Körper sehr empfindlich auf zu hohe Eisenmengen reagiert«, erklärte Ude. Er empfiehlt beispielsweise 50 mg dreiwertiges Eisen alle zwei Tage

Bei Venenleiden verwies der Apotheker neben der medikamentösen Therapie, beispielsweise mit Weinlaub-Präparaten, auf die patientenindividuelle Anpassung von Kompressionsstrümpfen. »Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zu Sanitätshäusern, sondern vielmehr als Anbieter eines Gesamtpakets aus medikamentöser und physikalischer Therapie.«  

Medikamenteneinnahme erleichtern

Unterstützen kann die Apotheke ältere Patienten zudem mit Systemen, die die Medikamenteneinnahme erleichtern. »Wer selbst blistert, weiß, wie unterschiedlich und schwer die Blister manchmal zu öffnen sind«, sagte Ude. Ältere  hätten oft nicht das haptische Geschick oder die nötige Handkraft.

Das Repertoire an Abhilfen aus der Apotheke sei mittlerweile groß. Es reiche von bioabbaubaren Dosetten über Behältnisse für ganze Blister bis hin zu elektronischen Blistermaschinen für zuhause. Wie auch immer Apotheker älteren Menschen behilflich sind: »Am Schluss steht ein kontinuierliches Angebot für den Patienten und die Apotheke bleibt Ansprechpartner vor Ort«, resümierte Ude.

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