»Gekürzte Vergütung, explodierende Kosten: Die Lunte brennt« |
Melanie Höhn |
10.11.2022 11:30 Uhr |
Weiterhin kritisierte Rochell, dass mit dem GKV-FinStG das Finanzloch nur provisorisch gestopft sei. »Nach dem GKV-FinStG ist vor der Strukurreform«, so Rochell. Bei letzterer gehe es um eine Reform der Krankenhauslandschaft, in der mehr Leistungen ambulant erbracht werden sollen. »Abzuwarten bleibt, welche weiteren Maßnahmen geplant und inwieweit diese möglicherweise die Apotheken treffen werden. Man kann dazu keine Spekulationen anstellen«, sagte er. Eines sei jedoch klar: Die Apotheke vor Ort könne keine weitere Belastung und Zumutung verkraften. Die Politik werde sich gegenüber den Patientinnen und Patienten rechtfertigen müssen. Zudem erläuterte er, dass die Umsatzverteilung durch Apothekenschließungen ein Problem darstellen würden: Zwar sei der Gewinn vor Steuern einer durchschnittlichen Apotheke gestiegen, dies sei jedoch ein »willkommener Anlass der Politik, nichts an der Apothekenvergütung zu ändern«, so Rochell.
In Sachen Gedisa begründete er nochmals das Vorgehen der AVWL, seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Als einziger Landesapothekerverband war er der Digital-Gesellschaft nicht beigetreten. Durch eine vom AVWL-Vorstand und Gedisa ausgehandelte Rahmenvereinbarung konnten die Mitglieder bisher zwischen einer Voll- und einer Basisvariante wählen. Mitte Oktober seien sie jedoch über das Apothekenportal aufgefordert worden, sich für eine Variante zu entscheiden. »Diejenigen, die sämtliche Leistungen der Gedisa nutzen, können dies tun, ohne dass diejenigen finanziell belastet werden, die keine oder nur die Basisleistungen in Anspruch nehmen möchten«, erklärte Rochell.
Bei den Verhandlungen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen sei das System der Selbstverwaltung an seine Grenzen gekommen. »Wenn immer mehr Verfahren vor der Schiedsstelle enden, ist die Selbstverwaltung ad absurdum geführt«, so Rochell. Sinn der Selbstverwaltung könne es nicht sein, dass die Kassen den Apotheken ihre Kompromisse diktieren. Im Falle der pharmazeutischen Dienstleistungen sei es vorläufig doch noch gelungen, diese wie vom Gesetzgeber gewünscht in die Apotheke vor Ort zu bringen: Dies sei ein Paradigmenwechsel und ein weiterer wichtiger Schritt, aus den Apotheken noch viel mehr zu machen als »Arzneimittelabgabestellen«, sagte er. »Damit aus dieser Brücke allerdings eines Tages eine tragende Säule wird, müssen wir die aktuelle Chance auch wahrnehmen und der Politik deutlich machen, dass sie zumindest an dieser Stelle auf das richtige Pferd setzt. Scheuen Sie den Aufwand nicht, machen Sie sich auf den Weg, bieten Sie die Dienstleistungen an«, forderte Rochell die Verbandsmitglieder auf. »Wir müssen deutlich machen, dass wir die besseren und günstigeren Gesundheitskioske sind«. Das betonte auch Vorstandsmitglied Jan Harbecke: »Wenn wir Mehrwert zeigen, haben wir die Chance, am Ende eine höhere Honorierung zu bekommen«.
Als eine »Nichtachtung unseres Engagements und unserer Leistungen« bezeichnete Rochell die Tatsache, dass Karl Lauterbach der Apothekerschaft zwar weitere neue Dienstleistungen verspreche, »uns aber nicht einmal bei den aktuellen Aufgaben unterstützt, die wir doch auf den ausdrücklichen Wunsch der Politik übernommen haben« – denn in seinem Rundschreiben an Risikopatienten mit dem Hinweis auf den Impfschutz seien Apotheken mit keinem Wort erwähnt worden. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit und der erlittenen Undankbarkeit treffe auf Kolleginnen und Kollegen, die nach drei Jahren Pandemie ausgelaugt und müde sind. »Apotheken vor Ort haben einen wesentlichen Beitrag geleistet, die Corona-Pandemie einzudämmen. Viele sind über Grenzen der eigenen Belastbarkeit in der Pandemie hinausgegangen«, wie Rochell erklärte.