Gefahr fürs weibliche Herz |
Clara Wildenrath |
10.12.2023 08:00 Uhr |
Mehr als jede dritte Frau erleidet in den ersten fünf Jahren nach der erfolgreichen Akuttherapie einen erneuten und dann oft tödlichen Herzinfarkt. Bei Männern trifft dieses Schicksal nur knapp jeden fünften.
Um das Risiko zu senken, müssen Infarktpatientinnen und -patienten in der Regel dauerhaft Medikamente einnehmen. Dazu gehören meist Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS, Ticagrelor, Prasugrel oder Clopidogrel sowie Lipidsenker und Antihypertensiva. Deren Pharmakokinetik kann sich jedoch je nach Geschlecht unterscheiden: Sowohl bei der Absorption als auch bei der Verteilung im Körper und der Verstoffwechslung finden sich zum Teil erhebliche Differenzen. Das liegt einerseits an der Körperzusammensetzung: Bei Frauen ist der Körperfettanteil höher und der Wasseranteil niedriger, was das Verteilungsvolumen bei lipophilen oder hydrophilen Wirkstoffen verändert. Zum anderen beeinflussen die Sexualhormone auch die Aktivität der für den Arzneimittelmetabolismus wesentlichen Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber und in der Darmwand. Darüber hinaus sind die glomeruläre Filtrationsrate und die renale Clearance im weiblichen Organismus geringer. Das fördert die Akkumulation vieler Substanzen.
Zur Primär- und Sekundärprävention eines Herzinfarkts ist meist eine umfangreiche Medikation erforderlich. / Foto: Adobe Stock/ArTo
All dies kann sich auf die effektive Dosis und die Verträglichkeit auswirken. Studien belegen, dass Betablocker, ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptorblocker (Sartane) bei Frauen in deutlich geringeren Dosierungen wirksam sind als bei Männern. Oft würden bereits 40 bis 50 Prozent der empfohlenen Dosis ausreichen. Zudem leiden Frauen unter der Therapie häufiger an Nebenwirkungen, etwa Husten oder Müdigkeit.
Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Sotalol führen bei Frauen zu einer stärkeren Verlängerung der QT-Zeit im EKG und zu mehr Herzrhythmusstörungen (Torsade-de-Pointes-Tachykardien). Auch Digoxin wird bei Frauen häufiger überdosiert und die Behandlung ist mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert als bei Männern. Unter Clopidogrel und Heparin ist das Blutungsrisiko höher.
ASS ist bei Frauen zwar in der Primärprophylaxe des Schlaganfalls wirksam, nicht aber in der des Herzinfarkts. Bei Männern ist es umgekehrt. Die Fixkombination Sacubitril/Valsartan reduzierte kardiovaskuläre Ereignisse – im Vergleich zur Valsartan allein – bei Frauen mit chronischer Herzinsuffizienz stärker als bei Männern.
Die Krankheit des gebrochenen Herzens tritt fast ausschließlich bei Frauen nach der Menopause auf. Die Beschwerden und EKG-Veränderungen ähneln denen eines klassischen Herzinfarkts. Es findet sich jedoch kein verschlossenes Koronargefäß als Ursache.
In den meisten Fällen geht dem Anfall ein stark belastendes emotionales Ereignis voraus, das das Herz im übertragenen Sinn gebrochen hat. Als Auslöser der Erkrankung gelten Stresshormone, die zu einer Verengung feinster Herzkranzgefäße führen können. Ärzte sprechen deshalb auch von Stress-Kardiomyopathie. Bei den meisten Patientinnen heilt die Krankheit ohne Folgen aus. In der akuten Phase kann es aber– wie beim »richtigen« Herzinfarkt– zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie Herzversagen oder Rhythmusstörungen kommen.
Die fachsprachliche Bezeichnung Takotsubo-Kardiomyopathie geht auf die Form des Herzmuskels zurück, die er durch die Erkrankung einnimmt. Die linke Herzkammer zieht sich von der Mitte bis zur Spitze kaum noch zusammen und gleicht dadurch einer ovalen japanischen Tintenfischfalle (Tako-Tsubo).