Gefahr der Massenabmahnungen für Apotheker |
Melanie Höhn |
30.06.2022 12:00 Uhr |
Betroffene, die bereits per E-Mail kontaktiert wurden, sollten sich beraten lassen, wie sie mit Google Fonts umgehen. / Foto: picture alliance / Westend61
Die Fälle zum Thema Google Fonts bei Rechtsanwalt Marcus Beckmann aus Bielefeld, der bundesweit Unternehmen zu Datenschutzfragen berät, häufen sich. Betroffene werden per E-Mail angeschrieben und aufgefordert, eine bestimmte Geldsumme zu überweisen. »Man muss sich mit dem Thema beschäftigen, um Ärger zu vermeiden«, sagt Beckmann, denn die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei ein »scharfes Schwert«. Meistens seien es Trittbrettfahrer, die diese E-Mails verschicken – bei der PZ haben sich diesbezüglich schon mehrere Apothekerinnen und Apotheker gemeldet. Eine der betroffenen Apotheken hat nach Erhalt der E-Mail die sofortige Löschung der Google Services in Auftrag gegeben – der Datenschutzbeauftragte dieser Apotheke bejaht diesen Schritt und bezeichnet die Nutzung von Google Fonts als »tatsächlich kritisch«. Inwieweit der Absender tatsächlich für seine Datenschutzrechte kämpfe oder eher nur Geld verdienen möchte, könne er nicht vollständig einschätzen.
Was ist der Hintergrund? Im Januar 2022 erging ein Urteil am Landgericht München: Der Besucher einer Website, die Google Fonts verwendet, hat dann gegen den Websitebetreiber einen Unterlassungsanspruch aus den Paragrafen 1004, 823 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie einen Anspruch auf 100 Euro Schadensersatz aus Artikel 82 DSGVO, wenn eine Übermittlung von IP-Daten an Google erfolgt ist. Die unerlaubte Weitergabe der dynamischen IP-Adresse an Google stelle zudem laut Gericht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Paragraf 823 Absatz 1 BGB dar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beinhalte das Recht des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.
Betroffene, die bereits per E-Mail kontaktiert wurden, sollten sich beraten lassen, wie sie mit Google Fonts umgehen und es rechtskonform auf ihrer Website einbinden, sagt Beckmann. Er rät dazu, die Verwendung von Google Fonts in der Konfiguration der Website komplett zu deaktivieren. Alternativ könne man es lokal auf dem eigenen Server einbinden – dann erfolge keine Datenübermittlung an Google und man sei rechtlich auf der sicheren Seite. Eine vorherige Einwilligung müsse man der Website vorschalten, was laut Beckmann »nicht praktikabel« sei.
Die Schadenersatzforderungen seien laut Beckmann schwierig einzuschätzen: »Man muss abwarten, wohin die Reise geht und was die Kläger machen. Alles ist ein bisschen offen.« Wie der Bundesgerichtshof irgendwann dazu entscheide, sei ebenfalls unklar. Zudem müssen die Anspruchsteller die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch gerichtsfest beweisen – dies sei nicht immer einfach. Der Rechtsanwalt empfiehlt in jedem Fall, sich gegen die Kläger zu wehren und rechtliche Hilfestellung zu holen. Ein anwaltliches Schreiben könne viele Anspruchsteller von weiteren Schritten abhalten.