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Teratogene Arzneimittel

Gefährliche Arzneien in der Schwangerschaft

Insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft können teratogene Arzneimittel das ungeborene Kind schädigen. Über den Arzneimittelgebrauch in Schwangerschaft und Stillzeit sowie seriöse Informationsquellen berichtete der Arzt Dr. Wolfgang Paulus beim Heidelberger Web-Kongress der Landesapotheker Baden-Württemberg.
Laura Rudolph
22.11.2022  14:00 Uhr

Das Basisrisiko für größere angeborene Anomalien – also ohne Einfluss schädlicher Substanzen und Arzneimittel – betrage mindestens 3 bis 4 Prozent, berichtete Dr. Wolfgang Paulus, der die Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm leitet. Das Risiko für arzneimittelbedingte Entwicklungsstörungen sei insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel während der sogenannten Organogenese relevant.

Seit ein paar Jahren von Wissenschaftlern angezweifelt werde dagegen das Alles-oder-Nichts-Prinzip, berichtete Paulus. Dieses besagt, dass es in den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung zu einem Abort kommt, wenn die befruchtete Eizelle durch exogene Noxen zu stark geschädigt wurde. Die Schwangerschaft bleibe nach dieser Hypothese nur bestehen, wenn die geschädigten Zellen durch andere Zellen ersetzt werden können. Tierexperimente zeigten jedoch, dass Schadstoffe bereits kurz nach der Empfängnis die DNA-Methylierung beeinflussen können. Die Störung der embryonalen Entwicklung nehme dabei proportional zur Dosis des embryotoxischen Schad- oder Arzneistoffs zu.

Kritische Arzneimittel für Schwangere

Zu den teratogenen Arzneistoffen gehört das Antiepileptikum Valproat. Eine Tagesdosis von mehr als 1000 mg erhöhe das Risiko für kongenitale Anomalien signifikant. Das Risiko für angeborene Missbildungen betrage mehr als 10 Prozent und das für kindlichen Autismus sei verfünffacht, so Paulus. Oral eingenommene Retinoide wie Isotretinoin könnten zu kardiovaskulären oder zentralnervösen Defekten führen. Für topisch angewandte Retinoide gebe es dagegen bislang keine Hinweise auf eine teratogene Wirkung.

Methotrexat könne insbesondere zwischen der vierten und 12. Schwangerschaftswoche zu schweren Fehlbildungen wie Skelettanomalien oder zu geistiger Retardierung führen. Kritisch für die Kindesentwicklungen auch im zweiten und dritten Trimenon sei überdies die Einnahme von ACE-Hemmern, Sartanen, Warfarin oder Phenprocoumon, berichtete der Arzt.

Um sich über Arzneien für den Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit zu informieren, verwies Paulus auf das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin (Embryotox) und die Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit des Universitätsklinikums Ulm (Reprotox).

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