EuGH: Generalanwalt winkt Rabattaktionen durch |
Cornelia Dölger |
24.10.2024 16:20 Uhr |
Als Ergebnis formuliert er: »Das vorrangige Ziel der Rabattaktionen ist es, die Patienten dazu zu bewegen, sich für die Apotheke Doc Morris und nicht für eine andere Apotheke zu entscheiden. Sie sollen die Patienten nicht dazu verleiten, mehr Arzneimittel zu verbrauchen, als sie es sonst tun würden.« Vielmehr versuche der Versender, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, indem er einen stabilen Strom von Bestellungen generiere.
Es sei »nur natürlich, dass eine Apotheke versucht, ihr Geschäft zu fördern, und nicht etwa, ihre Kunden zum Verbrauch von Arzneimitteln zu animieren«. Die Richtlinie 2001/83 regele im Prinzip nur den letztgenannten Aspekt.
Der BGH hatte dem EuGH im Sommer 2023 drei zentrale Fragen zur Arzneimittelwerbung vorgelegt. Der BGH wollte vom EuGH grundsätzlich wissen, ob die sortimentsweite Werbung einer Apotheke für Rx-Arzneimittel den EU-Arzneimittelwerbevorschriften unterliegt.
Ferner wollte er wissen, wie § 7 Absatz 1 HWG auszulegen ist. Die HWG-Norm untersagt Werbung im Zusammenhang mit Arzneimitteln in Deutschland, beinhaltet aber etliche Ausnahmen. Zu klären sei, ob sich auf Grundlage dieser Vorgaben Gutscheine für den späteren Einkauf einerseits und unmittelbar wirkende Rabatte andererseits vom nationalen Gesetzgeber verbieten lassen.
Drittens sollte geklärt werden, ob ausländischen Versandapotheken im Falle solcher Vorgaben durch das EU-Recht die Werbung mit Gutscheinen oder Rabatten für rezeptpflichtige Medikamente untersagt werden darf. Es ging dabei also nicht mehr um die Frage, ob Doc Morris Preisnachlässe gewähren darf, sondern ob er für diese Preisnachlässe werben darf. Diesen Aspekt hatte der EuGH in seinem folgenschweren Urteil zur Rx-Preisbindung für EU-Versender im Jahr 2016 nicht beachtet.
Den BGH-Fragen und somit auch Spuznars heutigen Ausführungen zugrunde lagen andere Rechtsprechungen. Mit Bezug auf ein EuGH-Urteil zu Euroaptieka, einem Fall, in dem die lettische Apothekenkette Euroaptieka einen »Aktionsverkauf« beworben hatte, führte Spuznar aus, »dass der Begriff der Werbung für Arzneimittel nach der Richtlinie 2001/83 nicht auf die Werbung für einzelne Arzneimittel beschränkt ist«.
Vielmehr umfasse dieser Begriff auch Situationen, bei denen Informationen über unbestimmte Arzneimittel gegeben würden. Anders ausgedrückt: Auch sortimentsweite Rabattwerbung für Rx-Arzneimittel kann unter den Werbebegriff des Gemeinschaftskodex fallen und wäre nach EU-Recht somit verboten.
In der vorliegenden Rechtssache bezögen sich die Informationen auf alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus dem gesamten Sortiment einer Apotheke, was also der Anwendung dieser Richtlinie als solcher nicht entgegenstehe.
Zu prüfen sei allerdings, ob die sortimentsweite Werbung arzneimittel- oder apothekenbezogen sei. Im Fall Euroaptieka habe es sich um klare arzneimittelbezogene Werbung gehandelt; Euroaptieka wollte, dass die Kunden durch die Rabattaktion mehr (beliebige) Arzneimittel kaufen.
Anders lagen die Dinge demnach bei einem Werbegewinnspiel von Doc Morris, zu dem der EuGH 2021 geurteilt hatte. Die Aktion war demnach klar apothekenbezogen – und fiel somit nicht unter die Vorgaben der EU-Richtlinie.
Die von Doc Morris mit den Geschäftspraktiken vermittelte Botschaft ziele darauf ab, den Patienten zu veranlassen, sich für die Apotheke von Doc Morris (und keine andere) zu entscheiden. »Indem die Botschaft lautet ›Kommen Sie zu uns‹ und nicht ›Kaufen Sie diese (bestimmten oder unbestimmten) Arzneimittel‹, fokussiert sich Doc Morris auf den Verkauf an den Patienten und nicht auf den Verkauf von (bestimmten oder unbestimmten) Arzneimitteln«, unterstrich Spuznar.