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ADA-Chef Thomas Rochell

»Es ging auch um den sozialen Frieden in der Apotheke«

Rochell: Wir mussten alle Berufsgruppen mitziehen

PZ: In den vergangenen Verhandlungsrunden wurden in der Regel kleinere, prozentuale Anpassungen vereinbart. In dieser Runde gibt es nun größere Pauschalbeträge, die teilweise Sprünge von bis zu 12 Prozent im Monatslohn ausmachen. Warum diese drastischen Sprünge?

Rochell: Unser Ziel war es, die neuen Mindestlöhne zu erreichen. Die Ausgangsbasis waren also die ersten PKA-Berufsjahre, die deutlich angepasst werden mussten. Wir waren uns mit Adexa dann schnell einig, dass wir das mit einer Sockel-Anpassung machen wollen. Und wenn man einen einzelnen Bereich anfasst, muss man konsequent sein und auch die anderen Berufsgruppen mitziehen. Da geht es auch um den sozialen Frieden in der Apotheke. Es war uns wichtig, den Abstand zwischen angestellten Approbierten und PTA bzw. PKA zu wahren.

PZ: Das Vergütungsbild im Apothekenmarkt scheint jetzt schon recht heterogen zu sein. Viele Inhaberinnen und Inhaber zahlen jetzt schon über Tarif, um Fachkräfte anzuwerben. Wie groß ist dann eigentlich noch die Bedeutung Ihres Tarifabschlusses?

Rochell: Das stimmt. Durch den Fachkräftemangel sind viele Inhaberinnen und Inhaber jetzt schon dazu gezwungen, ihre Löhne drastisch zu erhöhen. Das war ein weiterer Faktor in den Verhandlungen. Wir haben uns gefragt, ob es eigentlich Sinn macht, wenn die außertarifliche Vergütung zum Regelfall wird. Insofern deckt der neue Tarif auch etwas mehr die Realität ab. Und bei einer entsprechenden Vertragsgestaltung lassen sich ja auch einige außertarifliche Zahlungen mit Hinweis auf den höheren Tarif nun auch reduzieren.

»Unser Abschluss wird nicht überall Freude entfachen«

PZ: Trotzdem sind das aufs Jahr gerechnet deutlich fünfstellige Summen, die pro Betriebstätte mehr anfallen.

Rochell: Uns ist sehr wohl bewusst, dass wir mit dem Abschluss nicht überall große Freude entfachen. Aber aus Sicht des ADA war es ein notwendiger Schritt, um den Kampf um Fachkräfte nicht zu verlieren. Wenn wir uns anschauen, dass immer mehr Fachkräfte in die Kliniken und die Industrie gehen, gilt es für uns, diesen Kampf um die Köpfe zu gewinnen – und dazu gehört auch die ordentliche Vergütung.

PZ: Es bleibt die Frage nach der Finanzierung. Wie sollen die Inhaber die Gehaltssteigerungen langfristig refinanzieren?

Rochell: In der Pandemie haben die Apotheken durch die Sonderaufgaben höhere Betriebsergebnisse erzielt. Auch 2022 dürften die Betriebsergebnisse durch Sondereffekte wie das Test-Honorar und die Impfstoff-Verteilung noch höher liegen als in den Jahren vor 2020. Hinzu kommt, dass sich der Gesamtumsatz im Markt durch die zunehmende Zahl an Apothekenschließungen auch auf die verbleibenden Betriebsstätten verteilt.

PZ: Das sind aber alles kurzfristige Sondereffekte. Wie sieht es mit den Jahren nach der Pandemie aus, wenn diese Honorare wegfallen? Das Apothekenhonorar ist extrem reguliert – Apotheken können nicht einfach ihre Preise erhöhen, um Lohnsteigerungen zu finanzieren.

Rochell: Richtig. Gewissermaßen sind unsere Vereinbarungen mit Adexa, die wir in der Mitgliederversammlung des ADA übrigens mit überwältigender Mehrheit beschlossen haben, auch eine Wette auf die Zukunft. Erstens hoffen wir nämlich, dass sich durch die pharmazeutischen Dienstleistungen deutlich spürbare Mehreinnahmen generieren lassen. Aber ich sage auch ganz klar, dass der Tarifabschluss ein Zeichen an die Berliner Gesundheitspolitik ist. Wir vergüten unsere Mitarbeiter angemessen – tut jetzt etwas für unser Fixhonorar!

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