Erster Antikörper gegen HIV |
Annette Rößler |
29.09.2020 07:00 Uhr |
Der Wirksamkeitsnachweis für Ibalizumab wurde in zwei klinischen Studien geführt: TMB-301 und TNX-355.03. Die erste Studie war einarmig und hatte 40 Teilnehmer, stark vorbehandelte Patienten mit multiresistenter HIV-Infektion. Die Studie begann mit einer Kontrollphase von sieben Tagen (Tage 0 bis 6), in der die Probanden entweder keine Therapie erhielten oder im Rahmen ihrer versagenden Therapie überwacht wurden. Im Anschluss an diese Beobachtungsphase, die zur Ermittlung der Basis-Viruslast diente, wurde den Teilnehmern Ibalizumab einmalig in der Aufsättigungsdosis von 2000 mg infundiert (Tag 7) und die zusätzliche antiretrovirale Therapie (ART) – falls vorhanden – unverändert fortgesetzt. Dieser Studienabschnitt, der ebenfalls sieben Tage dauerte, wurde als Phase mit funktioneller Monotherapie bezeichnet. An Tag 14 wurde die Viruslast bestimmt und anschließend die zusätzliche ART so optimiert, dass sie mindestens ein Arzneimittel enthielt, gegenüber dem das Virus des Patienten empfindlich war. Ab Tag 21 bis einschließlich Woche 25 erhielten die Patienten zudem alle zwei Wochen 800 mg Ibalizumab intravenös.
Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, die von Beginn bis Ende der Phase mit funktioneller Monotherapie eine Verringerung der Viruslast von ≥ 0,5 log10 erreichten (n = 33; 83 Prozent), verglichen mit dem Anteil der Patienten, die das von Beginn bis Ende der Kontrollphase erreichten (n = 1; 3 Prozent). Die Zahl der CD4+-Zellen stieg im Verlauf der Studie bis Woche 25 um durchschnittlich 62 pro mm3 an.
Die Studie TNX-355.03 war dreiarmig und hatte 82 Teilnehmer, die während der gesamten Studiendauer mit einem für sie individuell optimiertes ART-Schema behandelt wurden. Zusätzlich dazu erhielten sie randomisiert und doppelblind entweder
Bis Woche 16 betrug die mittlere Verringerung der Viruslast in Arm A 1,07 log10 Kopien/ml, in Arm B 1,33 log10 Kopien/ml und im Placeboarm 0,26 log10 Kopien/ml.
Die Anwendung von Ibalizumab während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen und soll in der Stillzeit unterbleiben. Trogarzo ist bei 2 bis 8 °C und im Umkarton zu lagern und zu transportieren. Nach der Verdünnung kann die fertige Infusionslösung bis zu vier Stunden lang unter 25 °C oder bis zu 24 Stunden lang bei 2 bis 8 °C aufbewahrt werden.
Eine klare Definition von multiresistenter HIV-Infektion gibt es nicht. In der Regel ist aber von jenen Patienten die Rede, bei denen mindestens eine Dreiklassen- oder gar eine Vierklassen-Resistenz aufgetreten ist. Glücklicherweise hat sich die HIV-Therapie in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, sodass die Inzidenz der HIV-Multiresistenz rückläufig und eine Vierklassen-Resistenz extrem selten ist. Oft handelt es sich im Falle einer Vierklassen-Resistenz um Patienten, die bereits viele Jahre infiziert sind und die früher mit einer – aus heutiger Sicht – insuffizienten Therapie behandelt wurden. Bei diesen Patienten ist es aber extrem wichtig, eine Virussuppression zu erreichen, um das Ausbrechen von Aids zu verhindern. Ibalizumab ist für diese Patienten als relevanter Therapiefortschritt zu werten. Der erste Antikörper für die HIV-Therapie ist als Sprunginnovation zu sehen.
Sogar eine Monotherapie mit Ibalizumab bringt eine Viruslast-Absenkung. Der Antikörper sollte aber kombiniert werden. Ärzte sollten abhängig davon, auf welche Substanzen der einzelne Patient noch anspricht, ein optimiertes Hintergrund-Regime zusammenstellen. Dann ist das Ansprechen deutlich besser und die Wahrscheinlichkeit einer Viruskontrolle erhöht.
Auch das Wirkprinzip von Ibalizumab, die Bindung nur an eine bestimmte Domäne des CD4-Rezeptors auf der Oberfläche von T-Zellen, ist interessant und unterstreicht den innovativen Charakter des neuen Präparats. Leider gibt es aber auch Patienten mit einer verminderten Empfindlichkeit gegenüber dem Antikörper. Dies hängt wahrscheinlich mit Verlust oder Verschiebung von Glykosylierungsstellen in einer variablen Region des HIV-Hüllproteins gp120 zusammen.
Sven Siebenand, Chefredakteur