Erste Ersatztherapie bei Leptinmangel-Erkrankung |
Patienten mit generalisierter Lipodystrophie haben am gesamten Körper kein Unterhautfettgewebe. Dadurch fehlt ihnen auch das vom Fettgewebe gebildete Hormon Leptin.
LD ist eine seltene Erkrankung, bei der es zu einem irreversiblen Verlust von Fettgewebe kommt. Die Betroffenen haben infolge des Mangels an Fettgewebe eine verringerte Leptinproduktion. Leptin ist ein natürlich vorkommendes Hormon, das vom Unterhautfettgewebe hergestellt wird und maßgeblich an der Steuerung der Energiehomöostase, des Fett- und Glucosestoffwechsels, der Reproduktionsfähigkeit und vieler weiterer physiologischer Funktionen beteiligt ist. Die Patienten entwickeln häufig eine schwere Insulinresistenz und leiden unter einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus oder einer schwer einstellbaren Hypertriglyceridämie, die wiederum zu Entzündungen des Pankreas führen kann.
Die Erkrankung kann angeboren (generalisierte Form) sein oder auf eine Immunerkrankung folgen (partielle Form). Bei der generalisierten Form fehlt das Fettgewebe im ganzen Körper. Bei der lokalen Form fehlt es meist in Armen, Beinen, am Kopf und Rumpf, während es sich in anderen Körperbereichen wie am Hals, Gesicht und intraabdominal ansammeln kann, wodurch lebenswichtige Organe wie Leber und Herz beeinträchtigt werden.
Metreleptin ist ein rekombinates Leptin-Analogon und ahmt die physiologische Wirkung von Leptin nach. Es bindet an den Leptinrezeptor und aktiviert ihn dadurch. In der Folge wird der Fettabbau in Blut, Muskeln und Leber erhöht und einige der Anomalien, einschließlich der Insulinresistenz behoben. Metreleptin stellt jedoch nicht das Fettgewebe unter der Haut wieder her.
Myalepta wird als tägliche Injektion unter die Haut des Bauchs, Oberschenkels oder Oberarms stets etwa zur selben Tageszeit gegeben. Die empfohlene tägliche Dosis ist abhängig vom Körpergewicht. Für Frauen und Männer bis 40 kg Körpergewicht beträgt sie 0,06 mg/kg, für Männer ab 40 kg Körpergewicht 2,5 mg (0,5 ml) und für Frauen ab 40 kg Körpergewicht 5 mg (1 ml). Der Arzt sollte dabei sicherheitshalber die entsprechende Dosis sowohl in mg als ml angegeben. Nach einer entsprechenden Einweisung können die Patienten das Arzneimittel selbst injizieren.
Unmittelbar nach der Anwendung können anaphylaktische Reaktionen auftreten. In diesem Fall muss Myalepta sofort und dauerhaft abgesetzt werden. Ein Nichteinhalten des Dosierungsplans oder ein abruptes Absetzen kann zu einer Verschlechterung der Hypertriglyceridämie und einer damit zusammenhängenden Pankreatitis führen.Tritt unter der Behandlung eine Pankreatitis auf, wird daher dennoch eine Fortsetzung empfohlen, da ein Absetzen die Erkrankung verschlimmern kann. Muss die Myalepta-Behandlung aus irgendeinem Grund abgebrochen werden, wird ein Ausschleichen über zwei Wochen inklusive einer fettarmen Diät empfohlen.
Bei Patienten, die mit der Enzymersatztherapie behandelt werden, besteht das Risiko einer Hypoglykämie, wenn sie mit Antidiabetika, insbesondere Insulin oder Sulfonylharnstoffen behandelt werden. In den ersten beiden Behandlungswochen können bei Insulin große Dosisreduktionen von 50 Prozent und mehr gegenüber dem Insulinbedarf vor Behandlungsbeginn erforderlich sein. Sobald sich der Insulinbedarf stabilisiert hat, können bei einigen Patienten zur Minimierung des Hypoglykämierisikos auch Dosisanpassungen bei anderen Antidiabetika erforderlich werden. Die Blutzuckerwerte dieser Patienten müssen engmaschig überwacht werden.
In den klinischen Studien traten T-Zell-Lymphome auf, wobei ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behandlung und der Entwicklung und/oder Progression von Lymphomen nicht festgestellt werden konnte. Nutzen und Risiko einer Behandlung sollten bei LD-Patienten mit signifikanten hämatologischen Anomalien sorgfältig abgewogen werden. Des Weiteren kam es sehr häufig zur Bildung von Anti-Drug-Antikörpern (88 Prozent) auf. Eine blockierende Aktivität der Reaktion zwischen Metreleptin und einem rekombinanten Leptinrezeptor wurde in vitro im Blut eines Großteils der Patienten beobachtet, wobei die Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Metreleptin nicht eindeutig festgestellt werden konnten.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Myalepta die Exposition gegenüber CYP3A4-Substraten durch Enzyminduktion verringert, kann die gleichzeitige Anwendung von hormonalen Kontrazeptiva verringert sein. Daher sollte während der Behandlung eine zusätzliche nicht hormonelle Verhütungsmethode erwogen werden. Die Wirkung von Metreleptin auf CYP450-Enzyme kann bei CYP450-Substraten mit enger therapeutischer Breite klinisch relevant sein. Daher sollte bei gleichzeitiger Anwendung entweder die Wirkung (zum Beispiel Warfarin) oder die Arzneimittelkonzentration (zum Beispiel Ciclosporin) überprüft werden.
Die Anwendung von Myalepta wird während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen. Es ist nicht bekannt, ob Metreleptin oder dessen Metabolite in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für Neugeborene/Säuglinge kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Zulassung basiert auf der offenen einarmigen Studie NIH 991265/20010769 an Kindern und Erwachsenen mit generalisierter oder partieller LD. Die Studie lief über 14 Jahre, wobei die beiden primären Endpunkte in Bezug auf den jeweiligen Ausgangswert 12 Monate vor Behandlungsbeginn bestimmt wurden. Als primäre Endpunkte waren die tatsächliche Änderung des HbA1c-Werts sowie die prozentuale Veränderung des Serumtriglyceridwerts im nüchternen Zustand definiert. Bei Patienten mit generalisierter LD wurde eine durchschnittliche Veränderung des HbA1c-Werts von -2,2 und eine durchschnittliche prozentuale Triglycerid-Veränderung von -32,1 Prozent beobachtet. Zudem waren 41 Prozent der ursprünglich auf Insulin angewiesenen Patienten nach der Behandlung insulinfrei, 22 Prozent konnten ihre oralen Antidiabetika und 24 Prozent ihre Lipidsenker absetzen. In der Gruppe mit partieller LD wurde eine durchschnittliche HbA1c-Veränderung von -0,9 sowie eine durchschnittliche Triglycerid-Veränderung von -37,4 Prozent beobachtet.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Hypoglykämie, Gewichtsabnahme, Reaktionen an der Injektionsstelle und Bildung neutralisierender Antikörper.
Die EMA hat Myalepta eine Zulassung unter »außergewöhnlichen Umständen« erteilt. Aegerion Pharmaceuticals ist damit verpflichtet, weitere Studien durchzuführen, die den Nutzen und die Risiken der neuen Ersatztherapie einschließlich einer möglichen Anregung zur Bildung von Antikörpern eingehender untersuchen.
Foto: 2017 Novelion Therapeutics
Von Sven Siebenand, stellvertretender Chefredakteur / Das Leptin-Analogon Metreleptin ist eine Sprunginnovation. In den USA ist der Wirkstoff schon seit einigen Jahren verfügbar. Er stellt das erste zugelassene Medikament für die Behandlung der Komplikationen bei angeborener oder erworbener generalisierter Lipodystrophie dar. Untersuchungen zeigen, dass Metreleptin durch Leptinmangel verursachte Störungen bei Betroffenen verbessern kann, etwa Blutfette und Insulinresistenz. Bislang ist Myalepta nur »unter außergewöhnlichen Umständen« zugelassen. Die Europäische Arzneimittelagentur wird neue Informationen zu dem Präparat regelmäßig begutachten. Unter anderem wird zu klären sein, inwiefern die Therapie durch eine Antikörperbildung beeinträchtigt wird. /