Erste Daten zum zweiten Booster |
Annette Rößler |
18.02.2022 14:00 Uhr |
In Israel wird bestimmten Personengruppen bereits seit Anfang des Jahres eine zweite Booster-Impfung gegen Covid-19 angeboten. / Foto: Adobe Stock/Melinda Nagy (Symbolbild)
Auch in Israel dominiert derzeit die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 das Infektionsgeschehen. Sie ist verglichen mit Vorgängervarianten des Coronavirus so stark mutiert, dass Experten wie Professor Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité sie mittlerweile als neuen Serotyp sehen. Das bedeutet, dass weder eine durchgemachte Infektion noch eine Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen besonders gut vor ihr schützen. An die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe werden derzeit entwickelt, sind aber laut ersten Tierversuchen nicht viel besser als die vorhandenen – und vor allem noch nicht fertig.
Dennoch ist es sinnvoll, Personen, die im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben, nach abgeschlossener Grundimmunisierung und Booster-Impfung mit den zugelassenen Impfstoffen ein zweites Mal zu boostern. Das zeigt eine Arbeit, die Forscher um Yinon M. Bar-On vom israelischen Weizmann-Institut für Wissenschaften am 1. Februar auf dem Preprint-Server »MedRxiv« einstellten (DOI: 10.1101/2022.02.01.22270232). Es handelt sich um eine Auswertung von Daten der nationalen Gesundheitsdatenbank Israels vom 15. bis 27. Januar 2022.
In diesem Zeitraum waren in der Datenbank 1.138.681 Über-60-Jährige erfasst, die mindestens vier Monate zuvor mit einer dritten Dosis eines mRNA-Impfstoffs geboostert worden waren und somit gemäß der in Israel geltenden Bestimmungen für eine zweite Booster-Impfung infrage kamen. Die Gruppe um Bar-On verglich die Raten von bestätigter Infektion und schwerer Erkrankung zwischen drei Gruppen: Personen, die mindestens zwölf Tage zuvor zum zweiten Mal geboostert worden waren, Personen, bei denen die zweite Booster-Impfung erst drei bis sieben Tage zurücklag, und Personen, die noch keinen zweiten Booster erhalten hatten. Verwendet wurde in allen Fällen der Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty®.
Zwölf Tage nach dem zweiten Booster waren die Probanden vor einer SARS-CoV-2-Infektion besser geschützt als noch nicht oder erst vor Kurzem geboosterte Personen: Sie steckten sich nur halb so oft an (Senkung der Infektionsrate um den Faktor 2,0 beziehungsweise 1,9). Der Unterschied im Schutz vor schwerem Covid-19 war doppelt so groß; in dieser Kategorie lag die Rate bei den nur einmal Geboosterten um den Faktor 4,3 und bei den erst kürzlich zum zweiten Mal Geboosterten um den Faktor 4,0 höher als bei denjenigen, die bereits mindestens zwölf Tage zuvor die vierte Impfung erhalten hatten.
Eine zweite Arbeit aus Israel, die am 15. Februar ebenfalls auf »MedRxiv« veröffentlicht wurde, unterstreicht, dass der zweite Booster die Immunantwort gegen die Omikron-Variante ankurbelt, der Schutz vor einer Infektion mit dieser Virusvariante aber lückenhaft bleibt (DOI: 10.1101/2022.02.15.22270948). Untersucht wurden hier von einem Autorenteam um Dr. Gili Regev-Yochay vom Sheba Medical Center und der Universität Tel Aviv 700 Beschäftigte im Gesundheitswesen, die zuvor bereits drei Dosen Comirnaty erhalten hatten, darauf aber vergleichsweise schwach reagiert hatten: Ihre IgG-Antikörpertiter lagen mit ≤700 BAU (Binding Antibody Units) auf der 40. Perzentile oder darunter.
Von den Probanden erhielten 154 eine vierte Dosis Comirnaty, 120 eine Booster-Dosis des anderen mRNA-Impfstoffs Spikevax® von Moderna (50 µg) und 426 dienten als Kontrollen. Bei den zum zweiten Mal Geboosterten war unabhängig vom Impfstoff innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung ein Anstieg der Titer der IgG- und der neutralisierenden Antikörper um das Neun- bis Zehnfache zu verzeichnen. Damit wurden wieder Titer erreicht wie nach der dritten Impfdosis. Die Neutralisationsfähigkeit des Serums der zweimal Geboosterten gegenüber Omikron-Viren nahm im gleichen Zeitraum um das Achtfache zu, lag aber zu jedem Zeitpunkt und bei beiden Vakzinen etwa um den Faktor 10 unter der gegenüber dem Wildtyp-Virus und um das Vier- bis Siebenfache unter der gegenüber der Delta-Variante.
Durchbruchinfektionen waren häufig. Sie betrafen 25 Prozent der Kontrollen und 18 bis 20 Prozent der zum zweiten Mal Geboosterten, sodass die errechneten Raten in der Kategorie »Schutz vor Infektion« lediglich 30 Prozent (Comirnaty) beziehungsweise 11 Prozent (Spikevax) betrugen. Diese Infektionen verliefen trotz zumeist sehr hoher Viruslast überwiegend sehr mild und wären, wie die Autoren anmerken, außerhalb einer Studie vermutlich gar nicht bemerkt worden. Gleichwohl sei damit das primäre Ziel einer zweiten Boosterung von Beschäftigten im Gesundheitswesen, nämlich die Weitergabe des Erregers zu verhindern, verfehlt worden. Ein zweiter Booster sei somit für ältere Menschen und vulnerable Personen, bei denen der Eigenschutz im Vordergrund stehe, vermutlich sinnvoller.
Die beiden Studien zeigen, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) mit ihrer Empfehlung für eine zweite Booster-Impfung insbesondere für ältere und immungeschwächte Menschen richtig liegt. Die STIKO hatte am 3. Februar bekanntgegeben, dass sie die vierte Impfdosis für Personen ab 70 Jahren, Betreute in Einrichtungen der Pflege, Immungeschwächte ab fünf Jahren sowie Personen, die in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen beschäftigt sind, wo sie direkten Kontakt mit Betreuten haben, empfiehlt. Zu diesem Zeitpunkt hatte es sich noch um einen Beschlussentwurf gehandelt, mittlerweile wurde die Empfehlung aber im »Epidemiologischen Bulletin« veröffentlicht und damit bekräftigt.
Die STIKO-Empfehlung für den zweiten Booster beinhaltet keine Abstufung oder Priorisierung. Dass die Kommission die Zweitboosterung von Älteren und Immungeschwächten, also selbst Gefährdeten, für wichtiger hält als die von potenziellen Überträgern, deren persönliches Risiko wahrscheinlich geringer ist, zeigt sich aber indirekt daran, dass sie sie für Erstere früher empfiehlt. Laut STIKO sollen bei den ersten Gruppen zwischen der ersten und der zweiten Auffrischimpfung mindestens drei Monate liegen und bei der zweiten Gruppe im Regelfall mindestens sechs.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.