Ernährung als Prävention |
Theo Dingermann |
17.06.2024 18:00 Uhr |
Vegetarische Ernährungsformen helfen bei der Gewichtskontrolle, Blutdruckkontrolle und Diabetesprävention. / Foto: Getty Images/Tanja Ivanova
Die Aspekte Prävention und Evidenz von verschiedenen Diäten stehen im Fokus einer aktuellen Publikation im »New England Journal of Medicine«. Professor Dr. Mary Yannakoulia von der Harokopio-Universität in Athen und Professor Dr. Nikolaos Scarmeas von der Columbia University in New York bewerten darin gängige Diäten wie das Intervallfasten, die mediterrane, vegetarische, fettarme und kohlenhydratarme Ernährung sowie die DASH-und die MIND-Diät.
Klarer Favorit der Autoren: die Mittelmeerdiät. Sie ist reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten, wird mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Hinzu kommt, dass keine andere der vielen Diäten so gut beforscht ist wie die mediterrane Diät.
Wissenschaftliche Daten zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Diät werden schon seit den 1940er-Jahren erhoben. Forschenden war damals aufgefallen, dass die Ernährung der Kreter extrem gut an ihre natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen sowie ihre Bedürfnisse angepasst war. Oliven, Getreide, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und Kräuter sowie begrenzte Mengen an Ziegenfleisch, Milch, Wild und Fisch waren Ressourcen vor Ort. Brot spielte bei jeder Mahlzeit eine vorherrschende Rolle und Olivenöl machte einen relativ großen Teil der Energiezufuhr aus. Die Ergebnisse der sogenannten Sieben-Länder-Studie aus dem Jahre 1986 zeigten dann, dass in Regionen, in denen Olivenöl das Hauptnahrungsfett darstellte, sowohl die Gesamtsterblichkeit als auch die kardiovaskuläre Sterblichkeit niedriger waren als in nordeuropäischen und US-amerikanischen Kohorten.
Eine übergreifende Überprüfung der Evidenz mit Daten von mehr als 12,8 Millionen Probanden aus dem Jahr 2018 belegte dann auch, dass sich eine mediterrane Ernährung vor allem auf die Gesundheitsrisiken Gesamtsterblichkeit, kardiovaskuläre Sterblichkeit, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Krebs, neurodegenerative Erkrankungen und Diabetes positiv auswirkt. Die positiven Auswirkungen gehen dabei vermutlich auf mehrere Mechanismen zurück, darunter die Senkung der Blutfette, der Entzündungsmarker und von oxidativem Stress, die Verbesserung der Insulinsensitivität und der endothelialen sowie antithrombotischen Funktion.
Vegetarische und pflanzliche Ernährungsformen punkten dem Review zufolge vor allem bei der Gewichtskontrolle, der Blutdruckkontrolle und der Diabetesprävention. Allerdings ist das Spektrum vegetarischer Ernährungsformen mittlerweile so breit geworden, dass die wissenschaftliche Evaluation der einzelnen Diäten schwierig wird. Unstrittig ist, dass sich eine vegetarische Ernährung positiv auf verschiedene Stoffwechsel-, Entzündungs- und Neurotransmitterwege, auf die Darmmikrobiota und die Stabilität des Genoms auswirkt.
Wer sich vegetarisch ernährt, verringert nicht nur seine Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ischämische Herzkrankheiten und Tod durch ischämische Herzkrankheiten, sondern auch für Dyslipidämie, Diabetes und bestimmte Krebsarten. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich das Risiko für einen Mangel an bestimmten Nährstoffen erhöht, je restriktiver die Ernährung ist. So benötigen Veganer beispielsweise Supplemente für Vitamin B12 und eventuell auch für Vitamin B2, Niacin, Jod, Zink, Calcium, Kalium und Selen.
Obwohl es keine allgemeingültige Definition gibt, gilt eine Ernährung als fettarm, wenn der Anteil der Fette an der Gesamtenergiezufuhr weniger als 30 Prozent beträgt. Bei sehr fettarmen Diäten stammen nur 15 Prozent oder noch weniger der Gesamtenergiezufuhr aus Fetten. Für einen Diätplan, der eine Kalorienzufuhr von 2000 kcal pro Tag vorsieht, würde das bedeuten, dass weniger als 33 g Fette aufgenommen werden. Entsprechend stammen dann die Kalorien aus Proteinen (etwa 10 bis 15 Prozent) beziehungsweise aus Kohlenhydraten (etwa 70 Prozent).
Fettarme Diäten scheinen das Brustkrebsrisiko zu senken und auch beim Abnehmen zu helfen. / Foto: Adobe Stock/rh2010
Fettarme Diäten wurden in mehreren gut konzipierten Studien und Ernährungsinterventionen bewertet, darunter die Women’s Health Initiative Dietary Modification Trial. Dabei deutete sich an, dass diese Diät die Brustkrebsmortalität senken könnte, wobei die Unterschiede im Vergleich zu einer üblichen Ernährung gering waren. Zudem können sich fettarme Diäten günstig auf verschiedene kardiometabolische Faktoren auswirken, darunter die Blutfette. Ob dies auch das Risiko für Herzinfarkt und Diabetes verringert, ist umstritten. Fettarme Diäten können auch bei der Gewichtsabnahme helfen, erfordern aber eine sorgfältige Planung, um Nährstoffmängel zu vermeiden.
Kohlenhydratreduzierte Diäten, zum Beispiel ketogene Diäten, haben an Aufmerksamkeit gewonnen, aber die langfristigen Auswirkungen sind noch unklar. Zum Teil werden die Diäten sogar als potenziell schädlich eingestuft. Denn mit einer kohlenhydratreduzierten Diät kann man zwar abnehmen. Allerdings belegen Langzeitstudien, dass (sehr) kohlenhydratarme Diäten in dieser Hinsicht gegenüber Diäten mit einem höheren Kohlenhydratgehalt nicht überlegen sind.
Andererseits wurde in randomisierten kontrollierten Studien gezeigt, dass kohlenhydratarme ketogene Diäten die kardiovaskulären Risikofaktoren wirksam zu reduzieren vermögen, insbesondere bei Patienten mit Übergewicht, Adipositas und Typ-2-Diabetes. Das Interesse an den potenziellen Auswirkungen dieser Diäten auf Epilepsie, Schizophrenie und Stimmungsstörungen wächst.
Anfang der 1990er-Jahre wurde eine multizentrische, randomisierte klinische Studie mit dem Namen Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) durchgeführt, um die Auswirkungen von Ernährungsmustern auf die Kontrolle des Blutdrucks zu untersuchen. Bei dieser Diät liegt der Schwerpunkt auf Vollwertkost sowie niedriger Natrium- und hoher Kaliumzufuhr mit dem Ziel, vor allem den Blutdruck zu kontrollieren.
Aus einer Metaanalyse auf Basis von prospektiven Kohortendaten für eine Gesamtpopulation von etwa 950.000 Probanden ließ sich ableiten, dass eine DASH-Diät mit einer geringeren Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronaren Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes in Verbindung steht.
Die MIND-Diät (Mediterranean–DASH Intervention for Neurodegenerative Delay) kombiniert Elemente der Mittelmeer- und der DASH-Diät und konzentriert sich auf die zentrale Gesundheit. Wer sich an diese Diät hält, der sollte mehrfach wöchentlich auch Fisch und Geflügel essen. Zur MIND-Diät gibt es Daten, die einen potenziellen Benefit in Bezug auf kognitive Fähigkeiten andeuten. Sie wird derzeit in randomisierten klinischen Studien untersucht.
Mittlerweile weiß man, dass es nicht nur darauf ankommt, was man isst, sondern auch, wann man ist. Darauf basierend wurden verschiedene Strategien entwickelt, bei denen zeitlich eingeschränkt gegessen wird: das Intervallfasten. Wenn die Ernährung an das intermittierende Fasten angepasst wird, stellt sich der Stoffwechsel von der Nutzung von Glucose auf Fettsäuren und Ketonkörper um. Das führt zu einer effizienteren Energieproduktion und wirkt sich auf verschiedene Weise auf die Zell- und Organfunktionen aus, einschließlich einer erhöhten Stressresistenz.
Allerdings gibt es nur wenige und oft nur unzureichend kontrollierte Studien hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen und dem klinischen Nutzen des Intervallfastens im Vergleich zu einer kontinuierlichen Energiebeschränkung. Einige Studien bei Menschen und Tieren haben ergeben, dass Intervallfasten mit Verbesserungen bei einer Vielzahl von Parametern verbunden ist, darunter die Glucoseregulierung und Diabetes, Indices zur allgemeinen Gesundheit, Bauchfett und Fettleibigkeit, Dyslipidämie, Bluthochdruck und Entzündungen. Vorteile des Intervallfastens deuten sich also an. Allerdings muss die empirische Datenlage noch deutlich verbessert werden.
Zusammenfassend schlussfolgern die Autoren dieser Übersicht, dass eine pflanzliche Ernährung mit mäßigem Fettgehalt und viel Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten sowie geringen bis mittleren Mengen an Geflügel und Meeresfrüchten und geringen Mengen an rotem Fleisch und Zucker erhebliche gesundheitliche Vorteile bieten kann. Darauf hinzuweisen, bleibt eine vordringliche Aufgabe von Angehörigen der Gesundheitsberufe, wobei eine evidenzbasierte Ernährungsberatung unerlässlich ist.