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»Höherer Schaden«

Erdnusskapsel Palforzia fällt beim IQWiG durch

Kein nachgewiesener Nutzen und mehr Nebenwirkungen: Aus Sicht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) überwiegen bei Palforzia®, das zur Desensibilisierung von Erdnussallergikern eingesetzt wird, die Nachteile.
Annette Rößler
19.01.2022  09:00 Uhr

Palforzia-Kapseln enthalten Erdnussprotein in definierten Mengen und sind als orale Immuntherapie für Kinder und Jugendliche mit Erdnussallergie zugelassen. Um einen Gewöhnungseffekt an das Allergen zu erreichen, müssen Betroffene das Mittel in einem genau vorgeschriebenen Schema zunächst unter ärztlicher Aufsicht in steigender Dosierung einnehmen, bis die Erhaltungsdosis von 300 mg erreicht ist. Diese wird dann einmal täglich dauerhaft eingenommen. Da weiterhin auch schwere allergische Reaktionen möglich sind, müssen die Patienten aber trotzdem Erdnüsse meiden und für den Fall der Fälle einen Adrenalin-Pen bei sich tragen.

In einer frühen Nutzenbewertung hat das IQWiG nun untersucht, wie Palforzia gegenüber der »zweckmäßigen Vergleichstherapie« – in diesem Fall Nichtstun, also Meiden des Allergens und beobachtendes Abwarten – abschneidet. Berücksichtigt wurden hierzu die beiden doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien PALISADE und ARTEMIS. Einen Zusatznutzen sieht das Institut hier als nicht belegt an, da der Endpunkt »allergische Reaktionen infolge versehentlicher Exposition mit Erdnüssen« in den Studien zwar unter Palforzia geringfügig seltener eintrat als unter Placebo, dieser Unterschied aber statistisch nicht signifikant war.

Der vom Hersteller Aimmune festgelegte primäre Endpunkt der Studien war aber auch ein anderer gewesen, nämlich eine doppelblinde, placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC). Dabei hatten die Probanden am Ende des Behandlungszeitraums einmalig 1000 mg Erdnussprotein zu sich genommen. Aimmune wertete es als Beleg für die Wirksamkeit von Palforzia, dass daraufhin von den mit Verum behandelten Probanden signifikant mehr höchstens leichte allergische Symptome zeigten als von den mit Placebo behandelten Teilnehmern.

Das lässt das IQWiG aber nicht gelten. Es stehe nicht fest, dass dieser Endpunkt Vorhersagen darüber erlaubt, ob Betroffene im Alltag tatsächlich seltener allergisch reagieren, wenn sie aus Versehen Erdnussprotein zu sich nehmen. 1000 mg Erdnussprotein ist für einen Allergiker eine sehr hohe Dosis. Unter bestimmten Voraussetzungen, etwa nach körperlicher Anstrengung oder einer heißen Dusche, auf nüchternen Magen oder während eines Infekts, können schon bedeutend geringere Mengen eine Allergie auslösen. Für das IQWiG ist mit dem Nachweis, dass mehr Probanden nach Palforzia-Anwendung im Rahmen der DBPCFC einmalig unter kontrollierten Bedingungen die hohe Dosis vertragen, nicht gezeigt, dass allergische Reaktionen tatsächlich seltener werden. Im Gegenteil sei in den Studien sogar ein Anstieg der allergischen Reaktionen gegenüber dem Vergleichsarm zu verzeichnen gewesen.

Dass mehr Probanden unter Palforzia die Therapie wegen unerwünschter Ereignisse abbrachen und sowohl systemische allergische Reaktionen als auch leichtere Allergien häufiger waren als unter Placebo, wertet das IQWiG schließlich als Beleg dafür, dass die Behandlung mehr schadet als nützt. Ob der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese Bewertung übernimmt, wird sich zeigen.

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