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Bildschirmarbeit und Lockdown

Entwarnung bei kindlicher Kurzsichtigkeit

Verstärkte Mediennutzung und Tageslichtmangel im Lockdown könnten zu Kurzsichtigkeit bei Kindern führen. Was Studien aus China zeigen und wie die Situation in Deutschland ist, erklärten Experten bei einer Pressekonferenz der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft.
Christina Hohmann-Jeddi
27.09.2021  08:00 Uhr

Kurzsichtigkeit entwickelt sich meist im Alter zwischen acht und zwölf Jahren und hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten weltweit zugenommen. In asiatischen Ländern wie Singapur und China liege die Rate der Myopie, wie der Fachausdruck für Kurzsichtigkeit lautet, unter jungen Erwachsenen bei über 80 Prozent, in Europa zwischen 40 und 50 Prozent. Das berichtete Professor Dr. Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg auf der Vorab-Pressekonferenz zur Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) 2021 online.

Ganz wichtig sei aber, dass in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren keine Zunahme der Myopierate bei Kindern zu erkennen gewesen sei. Die Rate steige in Deutschland aktuell nicht an, das sei auch an der Zahl der Brillenverschreibungen zu erkennen.

Welche Auswirkungen hat der Lockdown auf Kinderaugen? Hierzu gebe es eine Studie aus China, die im Januar im Journal »JAMA Ophtamology« erschien. Ein internationales Team untersuchte darin die Auswirkungen des Lockdowns mit Schulschließungen in China an einer Kohorte von 124.000 Grundschulkindern zwischen 6 und 13 Jahren. Die Myopierate bei den Kindern von sechs bis neun Jahren sei nach dem Lockdown dreimal so hoch gewesen wie in Kohorten aus den Vorjahren, berichtete der Mediziner. Bei genauer Betrachtung der Daten zeige sich aber, dass die Kinder im Durchschnitt nur um eine Drittel Dioptrie kurzsichtig geworden seien. »Das ist so gut wie gar nichts«, sagte Lagrèze. Auf die Situation in Deutschland seien die Daten zudem schlecht zu übertragen, da der Lockdown in China deutlich strenger gewesen sei als hierzulande.

Dennoch haben Kinder auch in Deutschland im Lockdown im Durchschnitt mehr Zeit drinnen verbracht – vor allem auch mit digitalen Medien etwa beim Homeschooling. Laut Studien aus den Niederlanden sei die Computernutzung per se aber kein Risikofaktor für Kurzsichtigkeit, betonte der Experte. »Die Zeit, die man im Nahsichtbereich – unter 30 cm – verbringt, dagegen schon.«

Auch hier seien aber die Effektgrößen nicht so stark wie die genetische Prädisposition. Dennoch gebe es klare Empfehlung, um das Myopierisiko zu senken: »Zwei Stunden Sonnenlicht pro Tag und keine Lesedistanz unter 30 cm.« Deutlich wichtiger als die Auswirkung des Lockdowns auf die Augen seien seiner Ansicht nach die psychosozialen Pandemiefolgen für Kinder.

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