Energiepreise bereiten Generika-Herstellern Probleme |
Melanie Höhn |
18.10.2022 13:30 Uhr |
Auch eine Sprecherin des Branchenverbandes Pro Generika spricht auf Nachfrage der PZ von »massiv angestiegenen« Energiekosten in den vergangenen Monaten. Darüber hinaus seien auch andere Kosten, die in der Produktion von Arzneimitteln anfallen, explodiert. Aber sind die Generika-Hersteller eigentlich nicht so extrem von der Energiekrise betroffen, weil die Herstellung meistens in Asien stattfindet? »Das lässt sich so nicht pauschalieren. Wir haben ja auch noch einen nennenswerten Anteil von europäischer Produktion«, erklärte die Verbandssprecherin. Zudem seien es nicht nur die Energiepreise, die die Herstellung vieler Arzneimittel derzeit unwirtschaftlich mache. Konkret seien etwa die Preise für Seefracht immens angestiegen: Ein Container von Shanghai nach Rotterdam sei im Januar 2022 um 500 Prozent teurer als vor der Pandemie gewesen. Auch die Preise für Verpackungsmaterial hätten sich enorm erhöht: Papier, Aluminium oder Kunststoff seien um bis zu 135 Prozent teurer als im Vorjahr. Zudem würden einige Wirkstoffe jetzt 180 Prozent mehr kosten, erklärte die Sprecherin.
Sie warnte davor, dass diese explodierenden Kostenstellen »eine Gefährdung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit generischen Arzneimitteln« darstellen. Negative Folgen für die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln seien nicht mehr auszuschließen. »Es ist gut möglich, dass sich Hersteller in den kommenden Monaten aus der Produktion einzelner Arzneimittel zurückziehen müssen, da deren Produktion für sie zum Verlustgeschäft geworden ist.« Sie betonte dabei die Tatsache, dass Hersteller generischer Arzneimittel trotz massiver Kostensteigerungen ihre Preise nicht erhöhen könnten und daher auf den Mehrausgaben sitzenbleiben.
Auch Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, meldete sich auf Nachfrage der PZ zu Wort. »Wenn wir die Versorgung mit Generika sichern wollen, müssen wir angesichts der explodierenden Kosten den Preisdruck lockern. Anderenfalls ziehen sich immer mehr Hersteller zurück. Wenn die Kosten die Preise übersteigen, droht ein Verlustgeschäft – und das kann sich kein Unternehmen leisten«, sagte er. Aus welchen Bereichen sich die Hersteller zurückziehen werden, lasse sich derzeit nicht absehen. Jedes Unternehmen habe mit Blick auf Herstellprozesse, Produktionsstandorte und Lieferketten eine eigene Situation, prüfe sein Portfolio individuell und ziehe dann – je nach individueller Situation – betriebswirtschaftliche Konsequenzen, erklärte Bretthauer. Zudem gebe es Arzneimittelproduktionen, die besonders viel Energie benötigen, beispielsweise Infusionslösungen oder Produkte, die über Fermentationsprozesse hergestellt werden wie etwa Penicilline oder Hormone. Grundsätzlich gelte: Je energieabhängiger eine Herstellung ist, desto stärker sei auch die Abhängigkeit vom Gas.
Ein Sprecher des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) erklärte auf Nachfrage der PZ: »Die Arzneimittel-Hersteller versuchen auf allen Wegen, einen Produktionsstopp zu verhindern. Die Lage ist aber in der Tat sehr herausfordernd. Höchst problematisch ist, dass beispielweise die Produktionskosten massiv steigen, während die Erstattungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Rabattverträge und Festbeträge, weitestgehend gedeckelt sind – im Falle von Paracetamol-haltigen Fiebersäften liegt der Festbetrag beispielsweise auf dem Preisstand von 2006«, kritisierte der Verband. Zur Sicherstellung der Versorgung sei es daher wichtig, dass der Gesetzgeber sowohl bei Rabattverträgen als auch bei Festbeträgen zeitnah einen Inflationsausgleich einführe. Zudem müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, dass der GKV-Spitzenverband vorerst keine weiteren Absenkungen von Festbeträgen vornehme.
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