Empfehlungen zu Abnehmmitteln veröffentlicht |
Annette Rößler |
24.10.2022 17:00 Uhr |
Die Kombination aus dem Opioid-Antagonisten Naltrexon mit dem Amfetamin Bupropion, die in den USA als Contrave® auf dem Markt ist, wurde in der EU 2015 zwar als Mysimba® zugelassen und 2018 in Deutschland auf den Markt gebracht, von Hersteller Cheplapharm 2020 aber aus dem Handel genommen. Apotheker und Ernährungswissenschaftler Professor Dr. Martin Smollich vom Uniklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck warnte bereits anlässlich der Markteinführung in einem Blogeintrag eindringlich vor der Anwendung und verwies auf noch fehlende Sicherheitsdaten, die für das Jahr 2022 zu erwarten seien – aber bislang offenbar noch nicht vorgelegt wurden.
Bupropion wird auch zur Behandlung von Depressionen und zur Raucherentwöhnung verwendet. Daher hält die AGA einen Einsatz der Wirkstoffkombination insbesondere bei adipösen Rauchern und bei depressiven Patienten mit Adipositas für möglich. Krampfanfälle sind eine mögliche Nebenwirkung von Bupropion, sodass es Patienten mit entsprechender Grunderkrankung nicht gegeben werden sollte. Blutdruck und Herzfrequenz sollten unter der Therapie engmaschig überwacht werden, vor allem in den ersten zwölf Wochen.
Phentermin als Monosubstanz wird in den USA als Adipex-P® vermarktet, Amfepramon auch in Deutschland unter anderem als Tenuate® und Regenon®. Die Amfetamine sollten bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen nicht eingesetzt werden und bei Herz-Kreislauf-Gesunden sollen unter der Anwendung regelmäßig Blutdruck und Herzfrequenz kontrolliert werden. Da die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung Amfepramon-haltiger Präparate in der Praxis offenbar häufig nicht eingehalten werden, empfahl die EMA im Juni 2022, die Zulassung zu widerrufen. Dagegen haben die Hersteller aber Widerspruch eingelegt und eine erneute Überprüfung durch die Behörde beantragt. Diese neuerliche Beurteilung läuft zurzeit noch.
Die deutsche S3-Leitlinie »Prävention und Therapie der Adipositas« ist seit drei Jahren abgelaufen. Neuere Entwicklungen wie die Zulassung der Inkretinmimetika als Antiadiposita können daher darin noch nicht berücksichtigt sein. Die Leitlinie räumte der medikamentösen Therapie bei Adipositas nur eine mögliche unterstützende Rolle im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts ein, das daneben auch Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie umfasst.
Eine Ernährungstherapie gehört zum Basisprogramm für Patienten mit Adipositas, die abnehmen wollen. / Foto: Getty Images/Hinterhaus Productions
Genau entgegengesetzt zur aktuellen Empfehlung der AGA sprachen sich die deutschen Leitlinienautoren ausschließlich für die Verwendung des Lipasehemmers Orlistat (zum Beispiel Xenical®) aus. Alle anderen Medikamente zur Gewichtsreduktion (auch im Off-Label-Gebrauch) erhielten eine Negativempfehlung. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) als beteiligte Fachgesellschaft verwies in einem Sondervotum mit Blick auf die GLP-1-Rezeptoragonisten auf eine (zum damaligen Zeitpunkt) unzureichende Studienlage und ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Pankreatitis und/oder Pankreastumoren.
Es wird interessant sein zu erfahren, ob sich diese Einschätzung geändert haben wird, wenn die Leitlinie aktualisiert wird. Auch eine Empfehlung der Inkretinmimetika zur Unterstützung der Gewichtsreduktion bei Adipositas – oder auch von künftigen Neuentwicklungen wie etwa dem GLP-1/GIP-Agonisten Tirzepatid – würde allerdings an der Tatsache nichts ändern, dass betroffene Patienten in Deutschland die Therapie aus eigener Tasche bezahlen müssen, weil sie momentan noch als sogenannte Lifestyle-Präparate gesehen werden.