Eine Wissenschaft für sich |
Daniela Hüttemann |
14.02.2025 18:00 Uhr |
Mit der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken sind die Regeln nun theoretisch etwas lockerer, wobei der hohe Anspruch an Qualität für Medizinalcannabis und alle arzneimittelrechtlichen Vorschriften bleiben. Seit einigen Monaten kann die Firma jedoch selbst entscheiden, welche Sorten sie anbaut und in welchen Mengen. »Nur so können wir wirtschaftlich arbeiten.«
Laut Daniel gibt es mehr als 1600 Cannabis-Kultivare und damit auch Sorten. Die Züchtungen stammen so gut wie alle aus dem Konsumbereich und tragen dementsprechend für Apotheker befremdliche Namen wie White Widow, Ghost Train Haze oder Afghan Kush. Ob Farbe und Geruch, THC- und Cannabidiol-Gehalt oder Terpen-Spektrum – den Züchtern sind kaum Grenzen gesetzt. »Das ist wie bei Tomaten – für jeden Geschmack und das Auge ist etwas dabei«, so Daniel augenzwinkernd. »Wir müssen dabei natürlich auch die Anbauzeit und den Ertrag berücksichtigen, damit es sich rechnet.«
Heute bekommen die Apothekerinnen und Apotheker mehr als zehn verschiedene Sorten zum Schnuppern, Ansehen und Anfassen, mit völlig unterschiedlichen Blütenständen, Gerüchen und Farben – von grau-braun über grün-gelb bis orange- rötlich ist alles dabei.
Mehr als 1600 Cannabissorten sind bekannt, erklärte Aphria-Werksleiter Dr. Markus Daniel. Beim Anbau von Medizinalcannabis in Neumünster will man sich auf sechs Kultivare konzentrieren. / © PZ/Daniela Hüttemann
In Neumünster selbst züchtet man keine neuen Sorten, sondern greift größtenteils auf die Erfahrung aus Kanada und Portugal zurück. »Derzeit bauen wir 13 Sorten an, wollen uns aber bei um die sechs einpendeln«, so Daniel. Dabei hat jede Sorte etwas unterschiedliche Anforderungen. Alle Anbauparameter werden ständig kontrolliert oder weiter optimiert – die Zusammensetzung der Nährstofflösung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur, CO2- und Ozongehalt der Luft, Dauer und Intensität der Beleuchtung sind Betriebsgeheimnis.
Für eine Charge wachsen rund 1000 Cannabispflanzen unter genauestens kontrollierten Bedingungen unter LED-Licht. / © PZ/Daniela Hüttemann
Daran arbeitet hier ein interprofessionelles Team aus Pharmazie, Agrarwissenschaften, Gartenbau und Quereinsteigern. »Es ist wirklich ein wahnsinniger Aufwand«, so Werksleiter Daniel. »Wir haben mitunter schon bei minimalen pH-Abweichungen auch Änderungen im Wirkstoffgehalt . Es braucht viel Fingerspitzengefühl für gleichbleibende Spezifikationen.«
Die Pflanzen werden nicht aus Samen, sondern aus Stecklingen gezüchtet. Sie wachsen in einem Würfel aus Steinwolle. Rechts und links stecken sogenannte Dropper, wie man sie aus dem Gartenhandel kennt, über die die Pflanzen mit Nährstofflösung versorgt werden. An den Pflanzen hängen kleine Beutel mit biologischer Schädlingsbekämpfung wie die Raubmilbe Amblyseius swirskii gegen Weiße Fliegen und Thripse. Ventilatoren und Klimaanlage sorgen für eine gute Durchlüftung; eine Vielzahl von Sensoren überwacht durchgehend die Parameter. Das Sonnenlicht wird durch besonders intensive, individuell steuerbare LED ersetzt. Auf rund 70.000 Euro belaufen sich aktuell die monatlichen Stromkosten.