Eine Kinderkrankheit wird erwachsen |
Kerstin A. Gräfe |
06.06.2023 07:00 Uhr |
Professor Dr. Martin Hug aus Freiburg stellte die Therapieoptionen bei Mukoviszidose vor und gab einen Ausblick in die Pipeline. / Foto: PZ/Alois Müller
Mukoviszidose (zystische Fibrose, cystic fibrosis, CF) ist heutzutage die häufigste Erbkrankheit der kaukasischen Bevölkerung. In Deutschland sind etwa 6000 bis 7000 Menschen betroffen. Der Name leitet sich von »mucus« (Schleim) und »viscidus« (zäh) ab. »Der zähe Schleim macht vor allem zwei Organen zu schaffen«, sagte Professor Dr. Martin Hug, Direktor der Apotheke vom Universitätsklinikum Freiburg, auf dem Fortbildungskongress Pharmacon in Meran . In der Lunge behindere er die Reinigung der Atemwege von Fremdkörpern und Krankheitserregern, wodurch es zu immer wiederkehrenden Lungenentzündungen und einer sich ständig verschlechternden Lungenfunktion kommt. Zudem beeinträchtige er die Funktion der Bauchspeicheldrüse, sodass eine normale Verdauung unmöglich ist. Aber auch Darm, Leber und die Reproduktionsorgane seien betroffen.
Ein großer Durchbruch war 1989 die Entdeckung der Ursache: eine Mutation im Gen CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator). Hierbei handelt es sich um einen komplex regulierten Anionenkanal, der vorwiegend in Schleimhautgeweben exprimiert wird. Seine Aufgabe ist es, Chloridionen aus dem Zellinneren heraus zu schleusen. »Wir kennen inzwischen 2144 verschiedene Mutationen«, so der Apotheker. Bei etwa 70 Prozent der Patienten liege eine F508del-Mutation vor, die zu einem fehlgefalteten Kanal führt, der in der Folge vorzeitig abgebaut wird. Insgesamt führen die Mutationen entweder dazu, dass keine oder nur wenige CFTR-Proteine in die Zellmembran wandern oder an dieser Stelle nicht richtig funktionieren.
Die Basistherapie der Mukoviszidose besteht in der Supplementation von Pankreasenzymen und feuchter Inhalation. Bewährt hat sich Hug zufolge die Inhalation mit hypertoner Kochsalz-Lösung (6 Prozent), um den Schleim zu mobilisieren. Fester Bestandteil des täglichen Behandlungsplans ist zudem die Physiotherapie: Mithilfe spezieller Techniken (autogene Drainage) wird der festsitzende Schleim gelockert. Hinzukommen parenterale Antibiotikagaben und regelmäßige Arztbesuche.
»Einen großen therapeutischen Fortschritt haben Modulatoren des CFTR-Proteins erzielt«, berichtete Hug. In den letzten zehn Jahren seien vier Vertreter zugelassen worden, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen. Korrektoren wie Elexacaftor, Lumacaftor und Tezacaftor fungierten »wie eine Art Seilzug« und erhöhen die Menge an CFTR-Protein in der Zellmembran. Potentiatoren wie Ivacaftor wirkten »als Schmiere« und steigern die Aktivität von membranständigem CFTR. Beide Gruppen werden in der Regel miteinander kombiniert: »Es braucht immer ein bisschen Schmiere«. Seit 2020 ist für CF-Patienten ab sechs Jahren und mindestens einer F508del-Mutation eine hoch wirksame Dreifachkombination zugelassen: Kaftrio® enthält die Korrektoren Tezacaftor und Elexacaftor und den Potentiator Ivacaftor. »Diese Therapie kommt allerdings maximal 10 Prozent der Betroffenen und nur solchen in Industrienationen zuteil«, konstatierte Hug.
Als vielversprechenden neuen Kandidaten stellte Hug eine weitere Dreierkombination vor, die sich in Phase III der klinischen Entwicklung befindet. Sie enthält die Korrektoren Vanzacaftor (VX-121) und Tezacaftor sowie den Potentiator Deutivacaftor (VX-561). Bei Letzterem handelt es sich um eine chemisch abgewandelte Form von Ivacaftor. »Die Änderung führt zu einer drastisch verlängerten Wirksamkeit«, informierte Hug.
Auch mehrere Gentherapien seien in der klinischen Prüfung. Als erfolgversprechendsten bezeichnete der Apotheker einen Ansatz des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Bei dem Kandidaten BI 3720931 handelt es sich um einen neuartigen, replikationsdefizienten lentiviralen Vektor in einer inhalativen Formulierung, der selektiv ein gesundes CFTR-Gen in die entsprechenden Zielzellen einbringen soll. »Ich hoffe, dass die neuen Therapien den Betroffenen zehn weitere Jahre Lebenszeit verschaffen«, so Hug abschließend.