E-Rezept-Projekt im Norden ausgebremst |
Jennifer Evans |
28.08.2020 11:00 Uhr |
Sandmann weist die Vorwürfe zurück. »Der Patient kann nach wie vor selbst entscheiden, wo er das Rezept einlösen möchte. Auf Wunsch leite ich es auch an eine Online-Apotheke weiter.« Ihm gehe es mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie in erster Linie darum, die Patientenkontakte in Praxen und Apotheken zu minimieren, um Ansteckungen zu vermeiden. »In Travemünde leben viele ältere Menschen und Risikopatienten«, betonte er. Außerdem wolle er durch den Testlauf mit Erixa gerüstet sein, wenn das E-Rezept 2021 eingeführt wird, damit der Ablauf zwischen allen Akteuren künftig reibungslos funktioniert. Vor diesem Hintergrund sind »die Vor-Ort-Apotheken ein wichtiger Faktor«, so Sandmann. Denn nur in der Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker könne man die neuen digitalen Prozesse optimieren.
Die Standesvertretung der Apotheker steht dem E-Rezept-Testlauf kritisch gegenüber. Bevor das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) nicht in Kraft sei und die Gematik-App mit all ihren Anforderungen stehe, rate man den Apothekern derzeit davon ab, sich an eine einzelne digitale Anwendung auf dem Markt zu binden, heißt es aus DAV-Kreisen. Schließlich binde sich eine Apotheke nicht nur selbst, sondern auch die Kunden – ohne zu wissen, wie sich das politische Umfeld später entwickele. Das PDSG regelt unter anderem das Makelverbot mit dem E-Rezept.
Die Schuld daran, dass der Testbetrieb in seiner Praxis plötzlich gestoppt wurde, liegt in Sandmanns Augen aber nicht bei der Ärztekammer, die lediglich »als Handlanger des Kieler Gesundheitsministeriums agiert hat und angewiesen wurde, in diesem Fall zu ermitteln«. Er geht davon aus, dass ein Informationsschreiben des Software-Entwicklers über das Projekt das Gesundheitsministerium dazu veranlasst hat, die Ärztekammer auf die Praxis in Travemünde anzusetzen. Sandmann ärgert sich, dass das Ministerin das E-Rezept-Projekt torpediert. Zwar hatte er die entsprechende Seite auf der Website der Praxis zunächst für drei Tage vom Netz genommen. Doch hat sich inzwischen dazu entschlossen, wieder mit der App zu arbeiten und seinen Patienten den Service weiterhin anzubieten. »Wir widersetzen uns, weil es uns darum geht, die Patienten vor unnötigen Kontakten in der Praxis und der Apotheke zu schützen«, sagte er.
Seinen Unmut über die Situation hat der Mediziner nach eigenen Angaben außerdem in einem Brief an Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) zum Ausdruck gebracht. Sandmann will einfach nicht einleuchten, warum Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Digitalisierung vorantreiben will, aber auf Landesebene das Engagement für solche Testbetriebe ausgebremst wird. Der Allgemeinmediziner glaubt fest daran, dass sich hinter der Angelegenheit noch mehr versteckt. Seine Vermutung ist, dass sich im Hintergrund »bereits einige der Global Player auf dem Gesundheitsmarkt positionieren.«