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Drogenhilfe warnt vor steigendem Fentanyl-Missbrauch

50 mal stärker als Heroin und 100 mal stärker als Morphin: Das Schmerzmittel Fentanyl ist nach Einschätzung der Drogenhilfe Kiel-Ost «ein zunehmendes Problem» in der Szene.
PZ/dpa
18.02.2020  17:00 Uhr

«Der Fentanyl-Konsum hat zugenommen», berichtet die Leiterin der Beratungsstelle Drogenhilfe Kiel-Ost, Birthe Kruska. «Denn aus der Sicht von Süchtigen ist Fentanyl wegen seiner Hochpotenzen wirksamer und verlässlicher als Heroin, dass im Straßenverkauf angeboten wird.» In Schleswig und Umgebung starben von Januar 2019 bis Januar 2020 vier Süchtige im Alter von 23 bis 40 Jahre. Sie hatten sich illegal Fentanyl-Pflaster beschafft. Drogenabhängige nutzen den Wirkstoff als Ersatz für Heroin und sonstige Opioide. Manche reichern Heroin mit Fentanyl extra noch an. Einige Dealer strecken aus Profitgründen wiederum Heroin mit Fentanyl, je nach Marktpreis.

Um Todesfälle zu vermeiden, informiert die Drogenhilfe über die extreme Gefährlichkeit von Fentanyl und rät vom Konsum des synthetischen Opioids eindringlich ab. «Falls manche Süchtige dennoch meinen, Fentanyl nehmen zu müssen, raten wir dazu, erworbenen Stoff allenfalls in Kleinstmengen zu testen», sagt Kruska. Denn die jeweilige Potenz von angebotenem Fentanyl sei für Konsumenten nicht erkennbar. Auch die Polizei warnt dringend davor, Fentanyl anders als ärztlich verordnet zu verwenden: «Es kann – insbesondere auch bei gleichzeitiger Einnahme anderer medizinisch wirksamer Substanzen – akute Lebensgefahr bestehen!»

Nach der bundesweiten Drogenstatistik von 2017 und 2018 war Fentanyl-Konsum allein- oder mitverantwortlich für 8,6 beziehungsweise 4,1 Prozent der Drogentoten (2017: 1.272 Tote; 2018: 1.276 Tote). Der Anteil der Überdosierungen verursacht durch Fentanyl schwankt zwischen 9 und 13 Prozent, wie aus dem Drogen-, und Suchtbericht 2018 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung hervorgeht. Die bundesweiten Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor.

«Bei den illegalen Substanzen tritt Fentanyl-Missbrauch in Deutschland eher selten auf», sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU). Die Todesfälle seien in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen. «Aufgrund der hohen Wirkstärke ist Fentanyl jedoch einer der riskantesten Stoffe. Daher kann ich nur vor dem Missbrauch warnen. Wir stehen hier im ständigen Austausch mit den Behörden, den Ärzten und Suchtberatungsstellen.»

Wie kommen Drogenabhängige in Deutschland an das verschreibungspflichtige Schmerzmittel? Experten nennen verschiedene Möglichkeiten vom illegalen Bestellen im Darknet bis zum Durchsuchen von Mülleimern von Pflegeheimen, um benutzte Pflaster auszukochen und so den Wirkstoff zu gewinnen. Schwarze Schafe unter den Pflegediensten sollen noch wirksame Pflaster bewusst nach kurzer Zeit Patienten abreißen wegen des Fentanyls und veräußern oder sogar neue Pflaster verschwinden lassen. Aber auch «Ärztehopping» von Drogenabhängigen, die ein Rezept erhalten wollen, ist üblich.

Wie sollten Fentanyl-Pflaster entsorgt werden?

Für die Aufbewahrung von Fentanyl in Apotheken, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen gelten strenge Regeln und Nachweispflichten. Für den Umgang mit Opioid-haltigen Schmerzpflastern hat der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe einen Leitfaden erstellt. Im Kapitel zur Entsorgung wird dazu geraten, gebrauchte Pflaster in stationären Einrichtungen in den selben Behältern wie für Spritzen und Kanülen zu sammeln. Grundsätzlich sollten Pflaster mit den Innenseiten zusammen geklebt werden. In Privathaushalten sollten sie zusätzlich in feuchtes, neutrales Papier wie eine alte Zeitung eingewickelt und über den Hausmüll entsorgt werden, am besten erst kurz vor der Abholung des Restmülls. Schmerzpflaster dürfen nicht über die Toilette entsorgt werden.

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