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Medical Device Regulation

Diese neuen Medizinprodukte-Regeln betreffen die Apotheken 

Als Händler kommen mit der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung neue Pflichten auf die Apotheken zu. Künftig müssen sie beispielsweise prüfen, ob für ein Produkt eine EU-Konformitätserklärung vorliegt, es eine einmalige Produktnummer trägt und eine deutsche Gebrauchsanweisung vorhanden ist. Auch gelten verschärfte Meldepflichten. Und bei der Nachbeobachtung müssen sie mit Herstellern und Importeuren zusammenarbeiten. 
Jennifer Evans
15.06.2022  11:00 Uhr

Die Qualität und Überwachung von Medizinprodukten in Europa sicherer zu gestalten - das ist die Absicht hinter der europäischen Medizinprodukte-Verordnung oder Medical Device Regulation (MDR). Damit gelten nun einige neue Produkte als Medizinprodukte und andere wiederum sind in einer höheren Risikoklasse gelandet. Für Hersteller und Händler bedeutet das vor allem eins: mehr Anforderungen.

Eigentlich ist die MDR bereits seit dem 25. Mai 2017 in Kraft. Für Hersteller endeten die Übergangsfristen sogar schon im Mai 2021. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie hatte es aus Brüssel jedoch ein weiteres Jahr Aufschub gegeben. Damit ist aber seit Mai 2022 nun auch Schluss.

So darf ein Hersteller Medizinprodukte der Risikoklasse I schon jetzt nur noch gemäß der MDR in Verkehr bringen. Das entspricht rund 70 Prozent der Produkte auf dem Markt, berichtetet Thomas Ertner. Der Diplom-Ingenieur und Qualitätsmanager berichtete kürzlich bei einem Fortbildungsseminar der Apothekerkammer Hamburg darüber, wie sich die neuen Regeln auf die Vor-Ort-Apotheken auswirken.

Fällt ein Medizinprodukt in eine höhere Risikoklasse, haben die Hersteller noch etwas mehr Zeit. Dann dürfen sie ihr Produkt noch bis zum Laufzeitende des Zertifikats, das eine sogenannte Benannte Stelle ausgestellt hat, in den Verkehr bringen. Allerdings nur, solange das Produkt keine »wesentliche Änderung« erfahren hat. Die genaue Definition dafür steht Ertner zufolge aber noch aus.

Ist das Produkt MDR-konform?

Ab sofort lässt sich also bereits auf der Packung erkennen, ob ein Produkt MDR-konform ist. Der Hersteller muss dies nämlich kenntlich machen. Und zwar zeigt ein Aufdruck auf der Packung die Buchstaben MD umrahmt von einem Kasten. Außerdem erhält jedes Medizinprodukt eine einmalige Produktnummer, die sogenannte Unique Device Identification (UDI). Damit ist es eindeutig identifizierbar und sein Weg nahtlos zurückzuverfolgen – vom Hersteller bis zum Händler.

Das Verwirrende an den neuen EU-Regeln: Die UDI wird für die Klasse I erst im Mai 2025 verpflichtend, während die anderen Anforderungen der MDR für die Klasse I bereits gelten. Für die Risikoklasse III und Implantate hingegen ist die einmalige Produktnummer bereits seit dem 26. Mai 2021 ein Muss, für die Klassen IIa und IIb muss der Hersteller sie erst im Mai 2023 vergeben. Prüfformulare lassen sich dadurch womöglich zunächst nicht vollständig ausfüllen. Übrigens gilt die EU-Verordnung nicht für Produkte, die bereits auf dem Markt oder in Betrieb sind.

Was bedeutet die UDI?

Die einmalige Produktnummer UDI setzt sich aus Produktkennung, dem Device Identifier (DI), und einer Herstellerkennung, dem Production Identifer (PI) zusammen. Letztere beinhaltet die Seriennummer, Charge und Verfall. Jede Verpackungseinheit trägt eine einmalige UDI-DI. Einzige Ausnahme ist der Versandcontainer. Die Daten sind sowohl in Form eines Strichcodes, einer Ziffernfolge sowie eines Data-Matrix-Codes auf die Verpackung gedruckt.

Hinterlegt wird die UDI dann in einer zentralen EU-Datenbank für Medizinprodukte, der European Database on Medical Devices (EUDAMED). All ihre Funktionalitäten sollen in etwa im zweiten Quartal 2023 zur Verfügung stehen. Die EU-Variante soll in Zukunft auch für Verbraucher einsehbar sein. Hierzulande ist die europäische Datenbank verbunden mit dem Deutschen Medizinprodukte-Informations- und Datenbanksystem (DMIDS). Vorerst ist jedoch geplant, in Deutschland nur Vertretern von Gesundheitsberufen den Zugriff zu erlauben.

Apotheken sind Händler

Laut MDR gelten die Apotheken als Händler, was eine Reihe neuer Pflichten mit sich bringt. Weil die EU-Anforderungsliste so lang ist, darf der Händler ein sogenanntes Probenahmeverfahren anwenden, also die Medizinprodukte stichprobenartig überprüfen. Zum Glück wird den Apotheken das Prozedere nicht ganz fremd vorkommen. Denn es läuft ähnlich ab, wie die Prüfpflicht für apothekenpflichtige Medizinprodukte, wie sie die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorsieht.

Gemäß MDR muss die Apotheke künftig beispielsweise checken, ob für das Produkt eine EU-Konformitätserklärung vorliegt, es eine UDI trägt und eine deutsche Gebrauchsanweisung vorhanden ist. Bei Importen müssen sie zusätzlich Namen und Adresse des Importeurs überprüfen. Wie oft eine Apotheke eine Probenahme eines Produkts durchführen sollte, hängt unter anderem von dessen Risiko- und Bekanntheitsgrad ab. Ertner empfiehlt als Faustregel: Ein Medizinprodukt pro Woche testen. Das dauert seinen Angaben zufolge zwischen fünf und zehn Minuten.

Was muss eine Apotheke melden?

Grundsätzlich gilt ein Abgabeverbot, wenn ein Produkt beschädigt, falsch oder unvollständig beschriftet oder technisch veraltet ist. In jedem Fall sind immer Hersteller und Importeur zu benachrichtigen. Auch dann, wenn Apotheken eine Beschwerde durch Dritte wie Vertreter anderer Gesundheitsberufe oder Patienten zu einem Medizinprodukt erhalten, das sie verkaufen.

Geht es bei dem Mangel um ein »schwerwiegendes Vorkommnis« ist zusätzlich eine Meldung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Pflicht. Zu beachten ist: die Definitionen für die »Vorkommnisse« haben sich geändert. Ein »schwerwiegendes Vorkommnis« bezeichnet nun eine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten oder dessen Tod. Bei einem »Vorkommnis« geht es dann lediglich um eine Fehlfunktion.

Falls erforderlich, darf eine Behörde von der Offizin alle Dokumente und Proben anfordern, die zu einem bestimmten Produkt vorliegen. Auch sind bei Bedarf (un)angekündigte Kontrollen in den Räumlichkeiten der Betriebe erlaubt.

Außerdem hat die neue EU-Verordnung Händler, Importeure und Hersteller zur Zusammenarbeit verdonnert. Sprich: Sie sollen nachweisen können, an wen wer wann ein Produkt abgegeben hat und von wem er es gekauft hat. Diese Daten samt technischer Dokumentation, EU-Konformitätserklärung sowie etwaige Bescheinigungen oder (nachträgliche) Änderungen muss der Hersteller mindestens zehn Jahre aufbewahren, bei implantierten Produkten sind es sogar mindestens 15 Jahre.

Darüber hinaus regelt die sogenannte Nachbeobachtungspflicht in der MDR, dass die Händler ihre Daten dem Hersteller übermitteln müssen. Diese Verpflichtung nehmen die Hersteller vermutlich demnächst direkt in ihre Verträge auf.

Apotheken auch von Herstellerpflichten betroffen

In der MDR ist definiert, in welchen Fällen auch Händler – also Apotheken – die Herstellerpflichten erfüllen müssen. Nämlich dann, wenn sie ein Produkt unter dem eigenen Namen beziehungsweise ihrem Handelsnamen anbieten, die Zweckbestimmung eines Produkts verändern oder dessen Konformität beeinflussen.

Als Eingriff in den Originalzustand des Medizinprodukts fällt aber nicht, wenn die Apotheke es umpackt oder eine Übersetzung der Gebrauchsanweisung hinzugefügt. Allerdings muss auf einer etwaigen neuen Verpackung Name und Anschrift des Händlers notiert sein.

Bei Transport und Lagerung der Produkte sind die Apotheken dazu verpflichtet, die Vorgaben des Herstellers einzuhalten.

Die Hersteller trifft es am härtesten

Auf die Hersteller kommen jedoch die meisten Veränderungen durch die europäischen Neuregelungen zu. Sie können Medizinprodukte beispielweise demnächst nur noch nach einer klinischen Bewertung auf den Markt bringen. Diese wiederum ist an eine lebenslange klinische Nachbeobachtung gekoppelt.

Aktuell existieren nach Angaben von Ertner 30 Benannte Stellen in Europa, acht davon in Deutschland. Zum Vergleich: Vor der MDR waren es EU-weit 56 Stellen. Das liegt zum einen an den gestiegenen Anforderungen, zum anderen am Brexit. In Großbritannien befand sich nämlich die größte Benannte Stelle, die nun aber nicht mehr zum EU-Raum gehört. Das macht sich bemerkbar. Denn ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren, das jedes Medizinprodukt durchlaufen muss, dauert rund sechs Monate. Ertner geht davon aus, dass künftig rund 10 Prozent der Medizinprodukte-Hersteller vom Markt gehen und es in den Apotheken als Folge der MDR zu Engpässen bei den Medizinprodukten kommen wird.

Woran müssen die Apotheken denken?

Der Qualitätsmanager Thomas Ertner zählte auf:

  • Rückverfolgbarkeit: Beim Software-Anbieter nachfragen, ob die MDR-Anforderungen bereits erfüllt sind. Und ob sich die Data-Matrix-Codes der Medizinprodukte, also deren UPI, scannen lassen, um die Chargenerfassung zu erleichtern.
  • Lagerung und Transport: Prüfen ob die Medizinprodukte korrekt lagern und in der EDV bereits Informationen zu besonderen Lagerbedingungen hinterlegt sind – wie bei den Arzneimitteln. Außerdem gilt es, das eigene Qualitätsmanagement-System (QMS) auf Medizinprodukte zu erweitern.
  • Prüfung: Stichprobenumfang für die Prüfung der Medizinprodukte festlegen und das Prüfprotokoll in das QMS einführen. Die Mitarbeiter zum Protokoll-Prozedere schulen. Den Umgang mit Qualitätsmängeln festlegen, etwa Quarantäneregeln sowie Abläufe bei Meldungen an Hersteller oder Behörden. Alle Protokolle müssen laut MDR zehn Jahre aufbewahrt werden. Das ist doppelt so lang wie im Arzneimittel-Bereich.
  • Meldepflichten: Formblätter zu Beschwerden, Reklamationen, Berichte und Vorkommnisse ins QMS einführen und diese zehn Jahre aufheben.
  • Nachbeobachtung: Für das Sammeln und Weiterleiten von Nachbeobachtungsdaten eine Gegenleistung mit Hersteller verhandeln.
  • Auseinzeln: Wenn möglich, darauf verzichten und die Hersteller stattdessen auf kleinere Packungseinheiten ansprechen. Wird doch ausgeeinzelt, unbedingt eine Kopie der Gebrauchsanweisung beilegen. Achtung: Das Medizinprodukt nicht mit dem Apothekennamen versehen, das macht alles komplizierter.
  • Sets: Künftig besser keine Sets mehr zusammenstellen, sondern die Produkte einzeln liefern. Andernfalls ist es sinnvoll, einen Berater hinzuziehen. Dasselbe gilt für die Herstellung von Medizinprodukten. In beiden Fällen haben sich die Anforderungen verschärft.

Hinweis: Zur Anpassung der MDR im nationalen Recht treten zeitgleich das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) sowie das Gesetz zur Änderung des Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetzes (MPEUAnpG) in Kraft. Dazu mussten unter anderem Änderungen im Fünften Sozial Gesetzbuch (SGB V), dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) sowie dem Arzneimittelgesetz (AMG) erfolgen.

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