Pharmazeutische Zeitung online
Adoleszenz

Die Zeit der großen Änderungen

Psychische Erkrankungen: Temporär oder dauerhaft?

Psychische Erkrankungen: Temporär oder dauerhaft?

Negative Auswirkungen hatten die pandemiebedingten Einschränkungen auch auf die psychische Entwicklung von vielen Kindern und Jugendlichen. Das ist dramatisch, denn die Adoleszenz ist diesbezüglich »eine Phase wichtiger Weichenstellungen«, wie es auf dem Informationsportal »Neurologen und Psychiater im Netz« heißt. Bewältigen Jugendliche die psychischen Entwicklungsschritte in der Adoleszenz nicht, schaffen sie es also nicht, sich selbst als Erwachsenen und ihr Verhältnis zu anderen nach und nach (neu) zu definieren, können sich psychische Probleme krisenhaft zuspitzen und zu sogenannten Adoleszentenkrisen führen.

»Adoleszentenkrisen können sich als Störung der Sexualentwicklung, Autoritäts-, Identitätskrisen, narzisstische Krisen, aber auch als Depersonalisations- und Derealisationserscheinungen äußern und sind als Überspitzung normaler Entwicklungsvorgänge zu erklären«, schrieb eine Gruppe um Professor Dr. Beate Herpertz-Dahlmann von der Uniklinik Aachen 2013 dazu in einem Übersichtsartikel im »Deutschen Ärzteblatt« (DOI: 10.3238/arztebl.2013.0432).

Adoleszenzkrisen seien nicht selten dramatisch, doch vorübergehend. In den meisten Fällen erfolge eine völlige Normalisierung. Nur selten seien Adoleszenzkrisen Vorläufer einer Persönlichkeitsstörung oder einer psychotischen Erkrankung. Trotz dieser überwiegend günstigen Perspektive besteht bei Betroffenen selbstverständlich ein kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlungsbedarf.

Geschlechtsunterschiede bei der Hirnentwicklung

Einige spezifische psychische Störungen haben ihren Beginn oder Manifestationsgipfel in der Adoleszenz. Als Beispiele nennen die Autoren Angsterkrankungen, Depressionen, Essstörungen, Störungen des Sozialverhaltens und selbstverletzendes Verhalten. Dabei vorhandene geschlechtsspezifische Unterschiede, die sie auf den Nenner »traurige Mädchen, waghalsige Jungen« bringen, beruhten möglicherweise zumindest teilweise auf dem Einfluss der Sexualhormone auf die Hirnentwicklung. So nehme vor allem bei Jungen in der Pubertät das Volumen der Amygdala zu, bei Mädchen dagegen das des Hippocampus.

Der DAK-Kinder- und Jugendreport bestätigt, dass Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren deutlich häufiger, nämlich dreimal so oft, depressive Episoden erleben als Jungen (60 versus 20 Fälle je 1000 Jugendliche). Depressionen seien der Hauptgrund dafür, dass sich bei den psychischen Erkrankungen wie auch bei den somatischen die geschlechtsspezifische Häufigkeitsverteilung vom Kindes- zum Jugendalter umkehre.

Bis zum Beginn des späten Jugendalters lägen die Fallzahlen psychischer Verhaltensstörungen bei Jungen im Schnitt noch um 35 Prozent höher als bei Mädchen, vor allem deshalb, weil Jungen als Kinder zwei- bis dreimal häufiger als Mädchen hyperkinetische Störungen wie ADHS zeigten. Diese Störungen bessern sich oft in der Adoleszenz. Ebenfalls deutlich öfter bei Jungen als bei Mädchen lägen zudem die häufigsten Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen überhaupt vor, nämlich Sprech- und Sprachstörungen.

Mehr von Avoxa