Die »Minipille« in den USA demnächst rezeptfrei? |
Daniela Hüttemann |
12.07.2022 15:00 Uhr |
Wichtig bei der Einnahme der Minipille: Sie muss jeden Tag zur selben Uhrzeit eingenommen werden (Symbolbild). / Foto: Getty Images/itakdalee
Vor ziemlich genau einem Jahr erhielt HRA Pharma in Großbritannien die Erlaubnis, ein nicht verschreibungspflichtiges orales Kontrazeptivum auf den Markt zu bringen. Mit Hana™, das nur das Gestagen Desogestrel 75 µg enthält, ist seitdem zum ersten Mal in einem westlichen Land eine »Antibabypille« ohne Rezept zu bekommen. Solche niedrig dosierten rein Gestagen-haltigen und damit Estrogen-freien Kontrazeptiva nennt man auch »Minipille«
Nun will das französische Unternehmen, das zum irischen Perrigo-Konzern gehört, mit seiner Opill® auch eine rezeptfreie Minipille auf den US-Markt bringen und hat am Montag einen entsprechenden Antrag bei der FDA gestellt. In den USA fallen bislang wie in Deutschland alle hormonhaltigen Kontrazeptiva unter die Verschreibungspflicht. Opill wäre somit die erste nicht-verschreibungspflichtige Alternative. Das Präparat enthält das Gestagen Norgestrel 75 µg, ein Racemat aus Levonorgestrel und Dextronorgestrel.
HRA-Pharma führt an, dass sich wichtige Fachgesellschaften wie die American Medical Association, das American College of Obstetricians and Gynecologists und die American Academy of Family Physicians schon seit Längerem für einen rezeptfreien Zugang zu oralen Kontrazeptiva aussprechen. Zudem zitiert das Unternehmen eine Studie aus dem Jahr 2016, nach der fast jede dritte erwachsene US-Amerikanerin bereits einmal Probleme damit gehabt hätte, ein Rezept für eine kontrazeptive Pille, Pflaster oder Vaginalring zu bekommen. Laut Pressemitteilung von HRA Pharma seien fast die Hälfte der 6,1 Millionen Schwangerschaften in den USA pro Jahr nicht geplant. Mit der rezeptfreien Minipille wolle man unnötige Barrieren beim Zugang zu Verhütungsmitteln für Frauen abbauen.
Vor der aktuellen Debatte um ein verschärftes Abtreibungsrecht bekomme der bereits länger anvisierte OTC-Switch eine neue Dimension, berichtet die »New York Times«. Das Timing bedauerte HRA Pharmas Chief Strategic and Innovations Officer Frédérique Welgryn. Laut »NYT« laufen die Vorbereitungen für den entsprechenden Antrag bei der US-Arzneimittelbehörde FDA bereits seit sechs Jahren. Zwar handelt es sich bei der Opill um eine Verhütungs- und nicht um eine Abtreibungspille. Angesichts der sich radikalisierenden Tendenzen in den USA mit dem entsprechenden Druck könnte die Zulassung jedoch erschwert werden. Dagegen führt HRA Pharma die wissenschaftliche Evidenz und eine fast 50-jährige Anwendungserfahrung mit Norgestrel zur Kontrazeption an. Es handle sich um eine sichere und gut verträgliche Verhütungsmethode.
In der Pressemitteilung zur Freigabe im Vereinigten Königreich am 8. Juli 2021 betonte das Unternehmen seine Erfahrung mit OTC-Switches und seine Ambition, weltweit führend im Bereich der rezeptfreien Kontrazeption werden zu wollen. Voraussetzung für die rezeptfreie Abgabe in Großbritannien ist eine Beratung durch Apotheker. Diese spielten eine Schlüsselrolle mit ihrer niederschwelligen, professionellen Hilfe und Unterstützung. »Mit einem Wissensschatz über orale Kontrazeptiva seien Apotheker in der Lage, entsprechende Gespräche mit den Frauen zu führen und alle Fragen zu beantworten, heißt es auf der HRA-Website. Apotheker seien gut geübt in dieser Art von Gesprächen, die sie bereits bei Nachfragen zur Notfall-Kontrazeption (der »Pille danach«) ausführen.
Wichtig bei der Einnahme der Minipille: Sie muss jeden Tag zur selben Uhrzeit eingenommen werden. Das Zeitfenster für die nachträgliche Einnahme einer vergessenen Pille ist in der Regel deutlich kleiner als bei den kombinierten Kontrazeptiva mit Gestagen- und Estrogen-Komponente und liegt zum Teil unter drei Stunden. Minipillen haben in der Regel weniger Nebenwirkungen und Risiken als Kombi-Pillen. Die Blutung ist weniger ausgeprägt. Blutungen können aber auch ganz ausbleiben oder aber häufiger und verlängert auftreten.