Die gesundheitspolitische Agenda der Ampel-Unterhändler |
Für SPD, Grüne und FDP diskutieren gerade je vier Politikerinnen und Politiker über die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre. Auf der Agenda stehen u.a. auch die Apotheken sowie der Personalmangel im Gesundheitswesen. / Foto: picture alliance / CHROMORANGE
Seit einigen Tagen laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grüne und FDP. Seit knapp einer Woche verhandeln zudem auch die 22 Arbeitsgruppen, die sich thematisch etwa mit der Digitalisierung, Wissenschaft, Wohnen oder Mobilität auseinandersetzen. Eine Gruppe, die aus 12 Politikerinnen und Politikern besteht, berät das Thema Gesundheit und Pflege. Die PZ hat über die personelle Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft berichtet. Allerdings haben sich die Personen am Verhandlungstisch auf absolutes Stillschweigen über die laufenden Verhandlungen geeinigt, um gemeinsam ein Papier erarbeiten zu können. Zudem gab ein erstes Ergebnispapier der Sondierungen nur wenige Rückschlüsse auf den Fahrplan der kommenden vier Jahre in der Gesundheitspolitik. Klar ist laut Ergebnispapier nur, dass es wohl keine Bürgerversicherung geben wird und die Ampel-Parteien mehr sektorenübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich wollen.
Einen genaueren Einblick mit welchen Themen sich die Gesundheitsexpertinnen und –experten der drei Parteien derzeit beschäftigen, bietet jetzt ein Papier, das der PZ vorliegt. Dieses informiert über die Tagesordnungspunkte der Koalitionsverhandlung der AG Gesundheit. Die AG berät dabei laut Plan werktags zwischen 11 und 17 Uhr.
So startete die Verhandlungsrunde vergangenen Donnerstag im Willy-Brandt-Haus der SPD in Berlin. Nach einem Kennenlernen und der Absteckung der Ziele stand das Thema Notfallversorgung sowie Prävention und Gesundheitsförderung als Erstes auf der Agenda. Auch das Thema Klima und Gesundheit wurde laut Tagesordnungsplan letzte Woche besprochen. Vergangenen Freitag folgte dann das Thema Bürokratieabbau und Digitalisierung, wie beispielsweise Harmonisierung beim Datenschutz erfolgen kann. Zudem beschäftigten sich die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker mit den Lehren der Pandemie, einer Reform des Infektionsschutzgesetzes und der Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Auch die Versorgungssicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten soll letzte Woche debattiert worden sein. Das Thema Arzneimittel-Lieferengpässe dürfte also bereits angesprochen worden sein. Ein sogenanntes Gesundheitssicherstellungsgesetz wurde ebenfalls diskutiert.
Diese Woche stand am Montag als erstes die Finanzierung des Gesundheitswesens auf der Liste. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) soll demzufolge die Verhandlungsgruppe über den aktuellen Sachstand informiert haben. Ein Expertenkreis hatte vor wenigen Wochen ein finanzielles Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von zusätzlich 7 Milliarden Euro prognostiziert. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will diese Lücke mittels Rechtsverordnung schließen. Spannend wird es, wie die Ampel-Parteien diese Problematik angehen wollen und welche Instrumente zur Ausgaben- und Einnahmenverbesserung genutzt werden sollen. Wie Menschen mit ungeklärtem Status künftig versichert werden sollen, stand ebenfalls zur Diskussion. Zudem debattierten die drei Parteien darüber, wie die Gesetzliche und Private Krankenversicherung künftig ausgestaltet werden soll. SPD und Grüne hatten im Wahlkampf eigentlich die Einführung einer Bürgerversicherung versprochen, die FDP möchte die Private Krankenversicherung aber nicht abschaffen.
Am heutigen Dienstag steht das Thema Pflege auf der Agenda, dazu soll über die Finanzierung aber auch über den Ausbau der stationären und ambulanten Pflege diskutiert werden. Über die Arzneimittelversorgung und Apotheken wird Mitte/Ende dieser Woche gesprochen. In diesem Themenblock, der unter der Überschrift »Versorgung« steht, soll auch über die Krankenhausstrukturreform, Versorgung psychischer Gesundheit aber auch die sektorenübergreifende Versorgung sowie eine Teilaufhebung der Sektorengrenzen und die Versorgungssicherheit ländlicher und strukturschwacher Regionen gesprochen werden. Für die Apotheken auch wichtig: Auf der Agenda steht für diese Woche zudem das Thema Fachkräftesicherung sowie Beschäftigte im Gesundheitswesen an. Den Apotheken droht in den kommenden zehn Jahren ein massiver Personalmangel. Auch in anderen Heilberufen ist der Personalmangel ein drängendes Thema. Die Parteien wollen dies angehen und die Attraktivität der Heilberufe laut Agenda steigern. Dazu wollen SPD, Grüne und FPD auch die Anerkennung von Abschlüssen und den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte diskutieren.
Für nächste Woche steht für die Apotheken ein ebenfalls wichtiger Themenschwerpunkt an: Die Drogenpolitik einer möglichen Ampel-Regierung. Am Montag, den 8. November, wollen die Parteien über ein mögliches Cannabiskontrollgesetz und über den Umgang mit Cannabis sprechen. In allen drei Wahlprogrammen zeigten sich die Parteien offen gegenüber einer Liberalisierung von Cannabis zu Genuss-Zwecken. Die Grünen haben in der vergangenen Legislaturperiode bereits ein Cannabis-Kontrollgesetz in den Bundestag eingebracht, allerdings erfolglos. Das Gesetz sähe vor, dass der Staat Cannabis-Lizenzen an Fachgeschäfte vergibt und damit festlegt, welche Kriterien erfüllt werden müssen, damit diese Geschäfte Cannabis auch legal abgeben dürfen. Es ist damit zu rechnen, dass dieser Gesetzesantrag als Blaupause für künftige Cannabis-Gesetze dienen soll. Ob allerdings Apotheken auch Cannabis zu Genuss-Zwecken abgeben werden, steht noch gänzlich offen. Auch die Agenda der Gesundheitsverhandlungen gibt hier keinen Hinweis. Allerdings möchten die drei Parteien auch über das Thema Drug-Checking sprechen, wie es beispielsweise in Österreich bereits gehandhabt wird. Dort können Drogen an zertifizierte Stellen zur Kontrolle der Inhaltsstoffe anonym und straffrei abgegeben werden.
Zum Abschluss der Verhandlungen steht das Thema Geschlechtergerechtes Gesundheitswesen und geschlechtergerechte Arzneimittel und Medizinprodukte auf der Agenda. An den beiden letzten Verhandlungstagen, am 9. und 10. November, sollen zudem noch offene Punkte geklärt werden, sowie die Endredaktion des Gesundheitspapieres erfolgen. Damit soll auch die AG Gesundheit im Zeitplan liegen, der zu Beginn der Verhandlungen angekündigt wurde. Demnach erarbeiten alle AGs bis zum 10. November Papiere, die dann in die Hauptverhandlungsgruppe gehen. Diese übernimmt die Schlussredaktion und erstellt daraus einen Koalitionsvertrag bis Ende November. Diesem müssen die drei Parteien jeweils noch zustimmen, sollte dies geschehen, könnte Anfang Dezember bereits die erste Ampel-Regierung auf Bundesebene zustande kommen.