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Apotheker Grittmann zum Teleclinic-Urteil

»Die Apotheker müssen jetzt dranbleiben«

Apotheker Thomas Grittmann aus Miltenberg ist vor dem Landgericht Aschaffenburg erfolgreich gegen die Teleclinic vorgegangen. So darf das Unternehmen Patienten nicht an eine bestimmte Apotheke verweisen und muss Kunden künftig vorab darüber informieren, dass sie die verordneten Arzneimittel selbst bezahlen müssen. Im Interview mit der PZ erklärt Grittmann, warum er nicht lockerlassen wird und was jeder Apotheker tun kann, um die freie Apothekenwahl sicherzustellen.
Stephanie Schersch
10.11.2020  16:30 Uhr

PZ: Vielen Apothekern ist das Vorgehen der Teleclinic sicher ein Dorn im Auge. Sie sind aktiv dagegen vorgegangen und haben geklagt. Warum?

Grittmann: Ich hatte einen Fall in der Apotheke, der mich sehr beschäftigt hat. Ein Kunde kam zu mir und wollte ein Rezept der Teleclinic einlösen. Er brauchte die Medikamente akut für die Behandlung seiner Tochter und ich konnte ihm regulär nicht weiterhelfen. Das Rezept konnte der Kunde nur digital an eine Versandapotheke weiterleiten, darauf war er allerdings nicht hingewiesen worden. Es kann auch nicht sein, dass ein Patient vom Arzt kommt und das Rezept nicht in der Apotheke seiner Wahl einlösen kann. Viele Kollegen waren genau wie ich der Meinung, dass man dagegen vorgehen muss. Weil ich in diesem Fall der Betroffene bin, habe ich mich dafür entschieden, vor Gericht zu ziehen. Viele andere hätten das sicher auch so gemacht. Letztlich habe ich das Rezept über Umwege beliefert, obwohl es kein Papierrezept war. Das Gericht hat dieses Vorgehen nicht beanstandet. Hätte ich nicht so gehandelt, wäre das unterlassener Hilfeleistung gleichgekommen.

PZ: Wie bewerten Sie den Richterspruch insgesamt?

Grittmann: Die Teleclinic muss dem Urteil zufolge unter anderem darauf hinweisen, dass Patienten ihre Medikamente selbst zahlen müssen. Es ist eine ganz klare Täuschung der Patienten, wenn man den Eindruck erweckt, dass auch gesetzlich Versicherte Arzneimittel kostenfrei erhalten können. Darüber hinaus ist die Entscheidung hoffentlich richtungsweisend mit Blick auf eine mögliche Anbindung von Doc Morris an die Teleclinic.

PZ: Dem Urteil zufolge muss die Einlösung der Rezepte theoretisch in jeder Apotheke möglich sein. Teleclinic will das über ein vor Kurzem gestartetes neues E-Rezept-Portal erreichen. Vor-Ort-Apotheken werden dabei auf Wunsch des Patienten angefragt und können das Rezept über einen Link annehmen. Reicht das aus Ihrer Sicht aus, um die freie Apothekenwahl sicherzustellen?

Grittmann: Sobald der Kunde sein Rezept in der Apotheke seiner Wahl einlösen kann, ist das für mich kein Problem – vorausgesetzt die Apotheken müssen sich nicht erst bei einer Plattform anmelden und der Link zum E-Rezept ist sauber gesichert. Problematisch wird es sicher dann, wenn Ärzte versuchen, Patienten an eine bestimmte Apotheke weiterzuleiten. Es liegt einfach nahe, dass die Teleclinic Rezepte der hauseigenen Apotheke Doc Morris zuweisen möchte und ich befürchte, dass sie genau das trotz allem versuchen wird. Das Urteil aus Aschaffenburg ist eine wichtige Entscheidung, aber die Apothekerschaft muss jetzt dranbleiben, damit Vorschriften wie die freie Apothekenwahl nicht einfach umgangen werden und der Rezeptstrom nicht nach Holland fließt.

PZ: Die Teleclinic will rechtliche Schritte gegen das Urteil prüfen. Den Kampf über weitere Instanzen haben Sie offenbar schon einkalkuliert.

Grittmann: Auf jeden Fall. Die Reise nach Bamberg zum Oberlandesgericht scheue ich nicht.

PZ: Das Bundesministerium für Gesundheit hatte zuletzt erklärt, man werde den Zur-Rose/Teleclinic-Deal kritisch beobachten, akuten Handlungsbedarf sehe man aber nicht. Welche Lehren sollte die Politik Ihrer Meinung nach nun aus dem Urteil in Aschaffenburg ziehen?

Grittmann: Es gibt in jedem Fall Handlungsbedarf aufseiten der Politik. Wenn ich allerdings die Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz mit Doc-Morris-Mundschutz sehe, habe ich wenig Hoffnung, dass die Politik von alleine aufwachen wird. Daher müssen nun alle Apothekeninhaber und Mitarbeiter ihre Kräfte mobilisieren und die Politiker in ihrer Region auf die große Problematik hinweisen. Die politische Basis muss von unten Druck aufbauen – darin liegt nun unsere große Chance.

 

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