Diagnose und Aufnahme ins Heim sind kritisch |
Brigitte M. Gensthaler |
14.12.2023 09:00 Uhr |
Hohes Alter, Einsamkeit und schwere Krankheit: Das sind Risikofaktoren für Suizidalität. Männer nehmen sich viel häufiger das Leben als Frauen. / Foto: Shutterstock/Rido
Das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) und die Deutsche Akademie für Suizidprävention (DASP) haben kürzlich die aktuellen Suizidzahlen für das Jahr 2022 bekannt gegeben. Demnach ist die Anzahl der Suizide von 9215 im Jahr 2021 auf 10.119, also um fast 10 Prozent, gestiegen. Fast drei Viertel der Selbsttötungen begehen Männer. Laut NaSPro sind durchschnittlich sechs Personen im näheren Umfeld direkt betroffen von einem Suizid.
»Die Statistik nennt nur die offiziell erfassten Suizide, aber man geht von einer erheblichen Dunkelziffer aus«, sagte Professor Dr. Arno Drinkmann, Sprecher der Arbeitsgruppe »Alte Menschen« im NaSPro, kürzlich in einem Webinar von »digiDEM Bayern Science Watch«. Die Zahl der Suizidversuche werde 100- bis 200-fach höher geschätzt. Suizidgedanken seien noch viel häufiger; laut Drinkmann hegen etwa 10 Prozent aller Menschen diese irgendwann im Leben.
»Hohes Alter gilt als markanter Risikofaktor für Suizidalität«, berichtete der Psychologe. Die meisten Selbsttötungen passierten im Alter von 50 bis 60 Jahren (bei Männern und Frauen) und 80 bis 85 Jahren (bei Männern). Die Suizidrate, also die Anzahl der Suizide pro 100.000 Einwohnern, steigt über das Lebensalter an – mit deutlicher Beschleunigung ab dem 75. Lebensjahr. Bei Männern sei der Anstieg annähernd exponenziell.
Woran liegt das? Neben dem Geschlecht gelten psychische und physische Erkrankungen, psychosoziale Krisen und kritische Ereignisse, zum Beispiel Berufsaufgabe, Arbeitsplatz- oder Partnerverlust, aber auch Vereinsamung und Verödung des sozialen Netzwerks als Risikofaktoren. Eine große Rolle spiele die Verfügbarkeit von Suizidmitteln; so sei beispielsweise die Erhöhung von Brückengeländern präventiv sehr wirksam. Auch nach einem Suizidversuch oder dem eines Angehörigen steigt das Risiko. Vielen Menschen fehlten zudem stabilisierende sinnstiftende Faktoren im Leben, erklärte der Experte.
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