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AoG im Hochwassergebiet

»Der Grad der Zerstörung war unglaublich«

Wenige Tage nach dem Hochwasser fuhr Andreas Portugal, erfahrene Einsatzkraft von Apotheker ohne Grenzen, ins Ahrtal, um Medikamentenspenden zu bringen und den betroffenen Apotheken bei den nächsten Schritten zu helfen. Im Videointerview berichtet er über die Lage vor Ort und wie geholfen werden kann.
Daniela Hüttemann
12.08.2021  16:30 Uhr

Andreas Portugal, Apotheker aus Greifswald und Vorstandsmitglied von Apotheker ohne Grenzen (AoG), war gerade im Urlaub an der Nordsee, als in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Flut kam. Schnell war klar, dass die Hilfsorganisation auch im eigenen Land helfen will. »Oft wenn ich in die Einsätze im Ausland gefahren bin, war mein Gedanke, dass ich irgendwo anders helfen kann, weil ich zu Hause eine privilegierte Situation habe. Ich hatte niemals gedacht, dass ich irgendwann in Deutschland in einen Nothilfe-Einsatz gehen muss. Insofern war es ein bedrückendes Gefühl zu wissen, wir sind jetzt selbst betroffen«, berichtet Portugal im Videointerview mit der Pharmazeutischen Zeitung und schildert seine Eindrücke.

»Man ist im Grunde genommen in das Tal gefahren und hat schon an den Hängen erste Hinweise darauf gesehen, dass hier irgendetwas Ungewöhnliches passiert ist«, beschreibt der Apotheker seine Ankunft in Altenahr. »Aber als ich dann runterkam ins Zentrum, war ich sprachlos. Ich habe Erdbebengebiete erlebt, ich habe Tsunamigebiete erlebt, ich habe Taifungebiete erlebt und das war mindestens genauso schlimm. Es gab dort zwei Apotheken und beide wurden komplett zerstört.« Es sei unklar, ob sie je wieder öffnen können.

Eine Apothekerin hatte bereits eine rudimentäre Arzneimittelversorgung in einem Gemeinderaum aufgebaut, wo Portugal direkt eine Schicht mithalf. »Sie kannte die Leute so gut, dass sie wusste, was sie bekommen, sodass wir ohne Technik und ganz unbürokratisch mit einem verordnenden Arzt helfen konnten«, erzählt der AoG-Mitbegründer. Zudem hatte eine andere Hilfsorganisation vor Ort um Medikamente und Körperpflegeprodukte, zum Beispiel Mücken- und Sonnenschutz, Pflaster und Verbandmaterial, gebeten, die Portugal mitbrachte und mit bei der Organisation bereits vorhandenen Sachspenden half.

Nach der ersten akuten Hilfe versucht AoG, nun auch mittel- und langfristig bei der Arzneimittelversorgung zu unterstützen. »Es gibt zum Beispiel den Ansatz einer Container-Apotheke, denn gerade im Ahrtal gibt es kaum noch Häuser, die man als Apotheke nutzen könnte«, so Portugal. AoG berät hier die betroffenen Apotheken und ist auch mit Apothekerkammern und Behörden im Gespräch. »Wir bringen hier unser Knowhow ein und helfen bei der Koordination.«

»Bislang haben wir zwischen 15 und 20 Apotheken besucht, von komplett zerstört wie in Altenahr, bis zu Apotheken, wo vielleicht nur 20 cm geflutet waren. Alle Betroffenen können sich weiterhin an uns wenden. Das ist ganz wichtig für die Menschen zu wissen, dass war jetzt nicht nur eine kurzfristige Aktion.« AoG vermittelt auch freiwillige pharmazeutische Fachkräfte zur kurzfristigen Unterstützung und überlege derzeit, eine Art Vermittlungsstelle einzurichten, zum Beispiel für gespendetes Apothekenmobiliar oder Geräte wie Waagen.

»Die Spendenbereitschaft war und ist enorm«, freut sich Portugal. Es sei nun aber auch eine große Herausforderung, zweckgebundene Spenden sinnvoll einzusetzen. »Wir möchten um Verständnis bitten, dass wir uns natürlich freuen, dass wir so viel Geld für die Flutgebiete in Deutschland bekommen haben, es gibt aber noch ganz viele andere Projekte, wo wir arbeiten, die wir nicht vergessen dürfen. Daher sind weitere Spenden für uns leichter zu handhaben, wenn sie nicht zweckgebunden erfolgen.«

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